Riese Carla verschoben
Landwirtschaft
Campina und Arla sollen zweitgrößte Molkerei der Welt werden
> Die Zukunft der europäischen Milcherzeuger wird durch die anhaltenden niedrigen Milchpreise in vielen EU-Ländern ernsthaft gefährdet. Je nach Molkerei bekommen die Bauern zwischen 24 und 34 Cent für ein Kilogramm Milch. Europaweit liegt der Schnitt bei 30,69 Cent und deckt in vielen Bereichen nicht einmal mehr die Produktionskosten. Der Dachverband der berufsständischen und genossenschaftlichen Organisationen der EU (COPA-COGECA) sieht die Ursache in missbräuchlichen Praktiken der Einzelhandelsketten. Dem Preiskrieg der Ketten sind viele Molkereien hilflos ausgeliefert. Das Einkommen der Milchbauern ist im letzten Jahr noch einmal um acht Prozent gesunken, vermeldete der Deutsche Bauernverband (DBV): Die Milchpreise müssen steigen. Chancen sieht der DBV auch im weltweiten Milchmarkt, wobei vor allem in Asien die Nachfrage steigen soll. Campina und Arla
Campina ist ein international genossenschaftliches Unternehmen aus den Niederlanden, das Milch und Milchprodukte verkauft und vertreibt. 6.900 Mitarbeiter erzielen einen Jahresumsatz von rund 3,7 Milliarden Euro. Neben der Eigenmarke Campina ist den deutschen Verbrauchern auch die Marke Landliebe bekannt, die mittlerweile der Genossenschaft gehört.
Arla Foods ist Europas größte Molkerei aus Dänemark und hat im Geschäftsjahr 2003/2004 8,6 Milliarden Kilogramm Milch verarbeitet und einen Umsatz von 6,5 Milliarden Euro realisiert. Darin enthalten ist auch der britische Umsatz der mit Arla bereits fusionierten Express Dairies.
Campina und Arla planen demnächst als Carla zur Nummer zwei in der Milchwelt hinter Nestlé aufzusteigen. Die Schweizer erzielen gut 15 Milliarden Euro Milch-Umsatz, Carla wird es auf 10 bringen und der dritte, die amerikanische Dean Foods, erzielt sechs Milliarden ? pro Jahr.
Carla wird zu 71 Prozent Mitgliedermilch bei einen Anteil von vier Prozent Biomilch verarbeiten. Die dann größte Milch-Genossenschaft der Welt wird etwa 441.000 Mitglieder haben. Europaweit werden dann 10 Prozent der gesamten Milchquote in einer Hand liegen, was den Geschäftsführern Justinus Sanders (Campina) und Ake Modig (Arla Foods) auf Synergien durch den Zusammenschluss hoffen lässt. Kosten sollen eingespart und neue Märkte erschlossen werden. Gerade beim Export ergänzen sich die beiden: Arla ist in Asien organisiert, während Campina sich auf Osteuropa konzentriert hat.
Das dlz agrarmagazin beziffert den Exportanteil der beiden Genossenschaften auf etwa 25 Prozent. Bei Hartkäse und Sahne-Joghurts überschneiden sich die beiden und müssen sich neu aufstellen.
In Dänemark und Schweden würde der Frischmilchbereich zu 70 Prozent von dem neuen Riesen bestellt werden, was dann sicherlich eine gute Position gegenüber den Lebensmittelketten sein würde. Vor allem Arla hat die Milch deutlich über dem EU-Schnitt bezahlt. Den weiteren Preisrückgang, der bis zu 7 Cent betragen soll, will Carla mit 2 bis 3 Cent/kg auffangen. Der Synergieeffekt soll ein Plus von 1,5 Cent/kg erzielen. Das reicht rechnerisch natürlich nicht aus da ?müsste die neue Geschäftsführung unter Sanders und Modig als dessen Stellvertreter noch eine Schippe drauflegen?, wie die dlz fordert. Im Gegensatz zu manch anderer Fusion gilt Carla als Zusammenschluss zweier gesunder Genossenschaften, was im Wettbewerb sicher nicht hinderlich ist. Aber Größe alleine ist nicht alles. Die dlz sieht den Einfluss der deutschen Genossenschaftsmitglieder durch die größere Mehrheit dänischer und niederländischer Bauern schwinden: Wenn es um den Milchauszahlungspreis geht können die exportorientierten Nachbarn die Deutschen überstimmen.
Fusion verschoben
Am 06. April hätte die Fusion stattfinden sollen, doch beide Genossenschaften haben jetzt mitgeteilt, sich etwas mehr Zeit zu nehmen. Die dänische Regierung muss noch zu den geltenden Wettbewerbsbestimmungen konsultiert werden, um die Fusionsdokumente den jeweiligen Mitgliederräten der Genossenschaft vorzulegen. ?Wir hatten einen stringenten Zeitplan für den Fusionsprozess. Innerhalb des ursprünglichen Zeitrahmens können wir jedoch nicht für die nötige Klarheit sorgen?, verkündete letzte Woche Knud Erik Jensen, Vorsitzender der Arla Foods. Sein niederländischer Counterpart Kees Wantenaar assistiert: ?Wir gönnen uns nun etwas mehr Zeit.?
Bauern gegen Dumpingpreise
Gestern demonstrierten deutschlandweit wieder Bauern vor Lagern von Lebensmitteldiscountern und Molkereien ?gegen das dramatische Dumping der Milchpreise durch große Handelsketten?, meldeten am Abend in einer gemeinsamen Erklärung die entwicklungspolitische Organisation Germanwatch und die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL). ?Dieses rigorose Dumping des weltweit wesentlichsten Produkts zur Ernährungssicherung des Menschen ist nicht länger hinnehmbar?, heißt es in der Erklärung. ?Diese Milchpreispolitik gefährdet in der deutschen Landwirtschaft eine Vielzahl der Arbeitsplätze, von denen mehr als die Hälfte allein in der Milchwirtschaft besteht.? Michael Windfuhr, Vorsitzender von Germanwatch sieht die Existenz von Milchbauern aufs Spiel gesetzt. ?Von den Exportsubventionen der EU profitiert im Wesentlichen die Milchindustrie.? Der AbL-Vorsitzende Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf ergänzt: ?Die niedrigen Weltmarktpreise werden immer wieder zur Preisdiskussion in den Ländern herangezogen. Davon dürfen aber die Milchpreise nicht bestimmt werden. Ausschlaggebend müssen vielmehr die Bedingungen in den jeweiligen Ländern sein, damit eine nachhaltig bäuerliche Milchproduktion möglich bleibt und die Arbeit auf den Höfen endlich gerechter entlohnt wird.?
Germanwatch und AbL stellen zwei Forderungen auf:
- Sofortiger Abbau aller Exportsubventionen
- Die Milchindustrie darf ihre Marktmacht nicht weiter gegenüber den Bauern ausspielen, sondern muss diese vielmehr gegen den Lebensmittelhandel einsetzen, um faire Preise für die Landwirte durchzusetzen.
VLE