Saatgut aus dem Ausland für die Saatgutlücke
Landwirtschaft
Auswinterung: Nicht überall geht Mais
Der letzte Winter war kurz und knackig. Vor allem schlug er nach einer bis zu zehn Grad milden Winterperiode mit einem zweistelligen Temperatursturz zu. Was ihm außerdem fehlte war der Schnee, der sich als schützende Decke über das Wintergetreide legte. Was sich Ende März offenbart, ist das Ausmaß an Auswinterungsschäden in Deutschland. Ostdeutschland ist nicht groß getroffen, in Schleswig-Holstein liegt die Auswinterung bei fünf Prozent, südlich von Hannover hingegen hat es viele Betriebe getroffen, die ihr Wintergetreide schon umpflügen mussten: Ausfallquote 100 Prozent.
Neueinsaat kostet
Im nördlichen Baden-Württemberg sind nach Angaben des
Landesbauernverbandes Winterweizen und Wintergerste auf 30 bis 70 Prozent der
Fläche betroffen und auch Landwirtschaftsminister Alexander Bonde eilte auf die
Betriebe, sich den Schaden anzusehen. Vor allem in Main-Tauber, Hohenlohe,
Schwäbisch-Hall und Neckar-Odenwald hat der Frost zugeschlagen. Rund 80.000
Hektar sind geschädigt, 60.000 Hektar müssen umgebrochen werden. Auch
Agrarministerin Lucia Puttrich sah sich Ende der Woche die Schäden in Hessen
an. Zahlen liegen noch nicht vor. Je nach Sorte, Lage der Ackerflächen und
Aussaatzeitpunkt gibt es große regionale Unterschiede. Manchmal reiche es, wenn
kleine Teilflächen neu eingesät werden müssen, manchmal hilft nur der Umbruch.
Puttrich will sich bei der Rentenbank für eine Öffnung
des Programms zur Liquiditätssicherung stark machen und hat schon Kontakt zur
EU aufgenommen, dass die Fördermaßnahmen „Mulch- und Direktssat“ nicht wegen
Frostschäden gemindert werde.
Eine Neueinsaat kostet zwischen 200 und 250 Euro je
Hektar. Außerdem liegen die Erträge des Sommergetreides um bis zu zwei Tonnen
je Hektar unter denen des Wintergetreides. Wer umbricht und Weizen oder Gerste
neu einsät, der muss durch Kosten und Minderertrag mit einem wirtschaftlichen
Schaden von 500 und 700 Euro je Hektar rechnen.
Hessens Bauernpräsident Friedhelm Schneider weist noch
auf weitere Schäden hin. Manche Bauern werden wegen der Auswinterung die über
Kontrakte vereinbarten Getreidemengen und -qualitäten nicht einhalten können.
Oft wird Mais auf den Auswinterungsflächen ausgesät.
Nicht alle Bauern können darauf zurückgreifen. Mais oder auch Ackerbohnen und
Erbsen machen nur Sinn, wenn auch die Verwertungsmöglichkeit gegeben ist. Mais
wächst zudem nicht auf jedem Boden und in jedem Klima.
Milde Witterung und ergiebiger Regen nach der
Frostperiode ist ausgeblieben. Die durch Frosteinwirkung geschädigten Wurzeln
sind vertrocknet. Neben dem Getreide hat es auch den Winterraps getroffen. Im
Oberrheingraben zudem Erdbeeren und Zwetschen. Nach Landesbauernpräsident
Werner Räpple in Südbaden könne sich das auf die Verbraucherpreise auswirken.
Auf Mais werden die Bauern vor allem im Ortenaukreis und im Landkreis
Emmendingen nicht ohne weiteres ausweichen können. Wegen des Maiswurzelbohrers
müssen sie die strengen Fruchtfolgeregeln einhalten, die Mais nur alle drei
Jahre auf dem gleichen Feld erlaubt.
In Niedersachen hingegen scheint Mais die erste Wahl
und hat nach Angaben des Landvolk Pressedienstes bereits im letzten Jahr nach
der ausgeprägten Trockenphase im Sommer „die Getreidebilanz gerettet“.
Knappes Saatgut
Wegen der starken und ungeplanten Nachfrage nach
Sommersaatgut steht der Markt unter Druck. Der Bauernverband Baden-Württemberg
spricht von einer „engen Marktversorgung“. Niedersachsen regional von
„ausverkauft“. Das spüren auch die Züchter, denen das zertifizierte Saatgut
auszugehen droht: „Wir sind uns der schwierigen Situation der Landwirte bewusst
und arbeiten mit den weiteren Partnern der Saatgutwirtschaft an Lösungen für
die Bereitstellung von zertifiziertem Saatgut“, erläuterte Dr. Carl-Stephan
Schäfer, Geschäftsführer im Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) am
Freitag. Schließlich soll nicht irgendein Saatgut in die Erde. Angesichts der
schon vorhandenen Kosten sollten Ertrag und Qualität der Ernte durch
hochwertiges Saatgut den Verlust lindern helfen. Züchter und Handelshäuser
setzen sich daher dafür ein, regional und überregional ausreichendes Saatgut
zur Verfügung zu stellen. Das kann auch den Zukauf aus dem EU-Ausland
beinhalten, so der BDP.
Der Winter 2011/2012 hat dem BDP aber auch gezeigt, wie
wichtig die Zuchtarbeit an widerstandsfähigen Sorten ist.
roRo