Saatgutgesetz und Genom Editing
Landwirtschaft
Die Zukunft der neuen Sorten

Francesco Mattani stellte am Dienstag im Agrarausschuss das Europäische Sortenamt und seine Verantwortlichkeiten vor. Er stellte klar, dass die europäische Sorte und ihr Schutz nicht mit einem Patent zu verwechseln ist. Züchter können mit den Sorten weiter züchten und neue Sorten auf den Markt bringen. Dieses Züchterprivileg ist weltweit einmalig und sichert den Landwirten Fortschritte bei den zur Verfügung stehenden Sorten zu. Das Sortenamt wurde 1995 gegründet, während das Saatgutgesetz noch aus den 1960er Jahren stammt. Nachdem eine Modernisierung des Gesetzes 2014 scheiterte, will die Kommission jetzt Ernst machen und Ende 2022 die neue Vorlage beschließen. Rund 12 Richtlinien sollen überarbeitet werden. Im Fokus steht auch der Schutz alter Sorten.
Für Dorothée André von der EU-Kommission für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit ist der Entwurf, der im Europaparlament im Oktober angenommen wurde die notwendige Erweiterung des Sortenrechtes, dessen Bedeutung in den vergangenen Jahren stark angestiegen ist. Die Herausforderungen durch den Klimawandel werden größer. Pflanzen müssen resistent gegen Schädlinge sein, längere Trockenperioden überstehen und gleichzeitig ausreichend ertrag für die Ernährungssicherheit erzielen. Im Green Deal und der Strategie „From Farm-to-Fork“ sind zudem effizientere Nutzungen für Pflanzenschutz- und Düngemittel vorgeschrieben. Bei Weizen und Trauben sind konventionell neue Sorten bereits vorhanden, sagte Mattani. Das Sortenamt allerdings bewertet nur die angemeldete Sorte auf ihre Versprechungen und nicht auf die Methode, die bei der Züchtung angewandt wurde. Bislang können hochspezialisierte kleine und mittlere Saatgutunternehmen ständig neue Sorten auf den Markt bringen. Es wird auch für derzeit 21 Sorten ein Landwirteprivileg für die Weiterzüchtung geben. Nur bei den Hybriden sind die Landwirte wegen des Heterosiseffekte auf den jährlichen Kauf neuen Saatgutes angewiesen. Ein besonderer Effekt zeigt sich dabei nur in der ersten Generation nach Kreuzung der Elternlinien. Im ersten Quartal 2022 wird es eine öffentliche Konsultation geben. Im Mai startet die Kommission die Evaluierung aller Beiträge, damit zum Start des Jahres 2023 das neue Saatgutgesetz starten kann.
Züchtungsmethoden
Von der Neuausrichtung des Saatgutgesetzes ist die Diskussion um die Züchtungsmethode zu trennen. Nachdem der Europäische Gerichtshof die neuen Methoden der Genom Editierung unter das alte Gentechnikrecht gestellt hat, ist der Diskurs über das Für und Wider neu entflammt. Die Autoren der 2019 veröffentlichten Stellungnahme der Nationalen Akademie der Wissenschaften Leopoldina zur differenzierten Regulierung genomeditierter Pflanzen aufgezeigt hat, wiederholen die Kritiker die alten Argumente gegen die alte Gentechnik.
Martin Häusling von den europäischen Grünen wünscht sich mehr Wissenschaftskritik gegen die übereilten Versprechungen der Züchterfirmen. Bislang sind die Zuchtziele auch mit konventionellen Kreuzungsmethoden erreicht worden. Der Franzose Eric Andrieu von den Sozialdemokraten führt an, dass der Hunger in der Welt nicht mehr wie früher allein mit Produktivismus beseitigt werden könne. Es komme heute mehr auf soziale und politische Verbesserungen an. Thomas Waitz aus Österreich (Grüne) wehrt sich gegen den Vorwurf der Technikfeindlichkeit. In geschlossenen Bio-Reaktoren könne die Biotechnologie ihre Fortschritte unter Beweis stellen, aber die Risiken bei der Freisetzung und für die Gesundheit seien zu groß.
Sacristan Sanchez von der Generaldirektion der Kommission für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit verwies auf ihre Kommissarin Stella Kyriakides, die am Tag zuvor einen eigenen Gesetzesrahmen für die neuen Züchtungsmethoden eingefordert hat, weil die Innovationen zur Bewältigung der Klima- und Umweltprobleme alle Instrumente brauchen. Mit Blick auf das Vorsorgeprinzip werde es keine „Deregulierung“ geben, wie Kritiker mutmaßen. Die Bedenken sind der Kommission bekannt, sagte Sanchez und werden zusammen mit der Leopoldina-Studie für die Folgeabschätzung berücksichtigt. Im nächsten Jahr wird es eine Anhörung und Konsultation geben. Auch Sanchez sprach von einer eigenen Gesetzgebung, um die Genom Editierung rechtssicher und dem Vorsorgeprinzip genügend angewandt werden. Bis dahin sind noch Fragen zu klären, ob das Produkt oder der Prozess bewertet werden sollen.
Australien hat die Differenzierung bereits umgesetzt, die Schweiz ist auf dem Weg, die Methoden zu erlauben, die keine Fremdgene nutzen und von natürlichen Mutationen nicht zu unterscheiden sind. Die für die USA ausgesprochenen Probleme der Abhängigkeit von multinationalen Saatgutunternehmen und zunehmenden Resistenzen gegen GVO-Saatgut gebe es nach dem CDU-Abgeordneten Peter Jahr durch die Patentregelung. Das Züchterprivileg würde diesen Weg verhindern. Es gelte aber auch ein einheitliches Recht zu gestalten, damit nicht einzelne Länder mit einer Opt-Out-Regelung aus dem europäischen Saatgutmarkt einen unkontrollierbaren Flickenteppich machen.
Roland Krieg
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