Saatgutverordnung bleibt umstritten
Landwirtschaft
Verbesserungsbedarf bei EU-Saatgutverordnung
Mit den „Rechtsvorschriften für Pflanzenvermehrungsmaterial“ werden am Ende zwölf Richtlinien zusammengefasst. Die EU-Kommission möchte damit den Verwaltungsaufwand verringern, mehr Übersicht schaffen und überholte Verordnungen abschaffen. Aus dem Gesamtpaket ist die „EU-Saatgutverordnung“ einer der umstrittensten.
Gesundes Saatgut
Der Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) hatte im Vorfeld zur Diskussion im EU-Agrarausschuss vom Montag Augenmaß eingefordert. BDP-Geschäftsführer Dr. Carl-Stephan Schäfer fürchtet um Aushebelungen der Zertifizierungsvorschriften durch zu viele Ausnahmen. Dem Saatgut sehe man seine Qualität nicht an. Wer minderwertiges Saatgut anbaut und erntet, verschwende knappe Ressourcen oder verbrauche zu viel Dünger und Pflanzenschutzmittel.
Alte Sorten
Aus dieser Schlussforderung heraus folgert der deutsche Europaabgeordnete Martin Häusling von den Grünen eine Anpassung der Verordnung an die Saatgutindustrie. Ausnahmen von Zertifizierung und Zulassung zwinge kleine und mittlere Unternehmen aus der Pflanzenzüchtung in eine Nische, obwohl sie gerade mit alten Sorten Biodiversität auf die Äcker bringen. Alte Sorten im Saatgutbunker in Norwegen aufzubewahren könne nicht das Ziel der Pflanzenzüchtung sein.
Sorten und Züchter besser schützen
Der Kommissionsvorschlag trifft im EU-Agrarausschuss
auf viele Zweifel, dass lokale Sorten und kleine Züchter wirklich geschützt
werden. Bei marktrelevanten Sorten könne die Richtlinie dem Hersteller eine
Haftung durch Zertifizierung zuordnen, verteidigte der italienische Christdemokrat
Herbert Dorfmann die Verordnung. Die kleinen Sorten brauchen aber eine einfache
Ausnahmeregelung. Wer sie anbauen will, der solle das dürfen.
Die Österreichische Sozialdemokratin Karin Kadenbach
hatte gleich mehrere Vorschläge für die Einarbeitung in den
Kommissionsvorschlag. Auch der Verbraucher habe die Wahlfreiheit, Produkte von
lokalen Sorten zu genießen, was die Verordnung nicht beschränken dürfe. Der
möglichen Konzentration im Saatgutmarkt müsse die Verordnung
Steuerungsmöglichkeiten entgegensetzen. Sie müsse die Ernährungssouveränität
gewährleisten, die durch eine soziale und ökologische Landwirtschaft gesichert
werde. Und letztlich müssen die alten Sorten umgekehrt sogar noch gefördert
werden, weil sie das künftige Genreservoir der Landwirtschaft sind. Kadenbach
erinnerte an die Europawahl im nächsten Jahr und an die breite Diskussion des
Themas in der Öffentlichkeit. Die Haltung des Parlaments werde auch im Bereich der
Saatgutverordnung genau überprüft.
Roland Krieg