Sag´ Ja zum Agrarhandel
Landwirtschaft
Außenhandelsstrategie des BMEL
Die ganze Welt trinkt Bier. Viele Spezialitäten werden mit bayerischem Hopfen gebraut. Auch der Blauschimmelkäse erreicht seit 1927 Gaumen im EU-Ausland und Fernen Osten. Der Freistaat Bayern hat in im letzten Jahr ein deutliches Plus bei Drittlandsausfuhren für China, Japan und innerhalb der EU mit Rumänien verzeichnen können.
Den Bayern darf ein hohes Maß an Verbraucherschutz, ein hohes Maß an Verbraucherinformation, nachhaltige Erzeugung, Respekt vor dem Tier und Verantwortung für die Welt unterstellt werden. Bei der Vorstellung der Außenhandelsstrategie des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) am Montag führte Ministerin Julia Klöckner diese fünf Punkte als generelles Leitbild für den Handel mit Agrarprodukten an.
Leitbild für den Außenhandel
Denn andererseits dient der Agrarhandel immer wieder als Streitpunkt, bei dem regionale Märkte in Afrika kaputt gemacht würden. Deshalb leitete Klöckner die Vorstellung auch mit der Mahnung ein, dass „Welthandel je nach Konjunktur einen anderen Einschlag“ bekomme. Die TTIP-Gegner finden sich jetzt auf der Seite des US-Präsidenten Donald Trump wieder. Das führt Klöckner auf „unterkomplexe Argumentationslinien“ wie dem Chlorhühnchen zurück, die Menschen über den Status Agrarhandel verunsichern. Dennoch will sie das vorgestellte Papier nicht als Entschuldigung verstanden wissen, dass Deutschland Agrarhandel betreibt. Die veröffentlichte Strategie ist eine „Hilfe der besseren Einordnung“ für Erzeuger, Verbraucher, Handel und Lebensmittelindustrie. Schließlich wird in Deutschland mit Hilfe des Exports das ganze Schwein verwertet. Was die deutschen Konsumenten nicht essen mögen, landet wie Füßchen und Öhrchen („Chen-Produkte)“ als Delikatesse auf chinesischen Tellern.
Die Außenhandelsstrategie des BMEL bietet den Handelspartnern ein „geschlossenes, einheitliches und verlässliches Bild der Bundesrepublik Deutschland“. „Verstehen Sie die Außenhandelsstrategie als Arbeit gegen Populismus von ganz links bis ganz rechts“, sagte Klöckner gegenüber Herd-und-Hof.de. Seit 2013 zahlt die EU keine Exportsubventionen mehr, betonte sie [1]. Seit 2015 widerspricht es auch den Regeln der Welthandelsorganisation WTO [2].
Handel ist Friedenssicherung
„Wenn man Handel nach klaren und fairen Regeln betreibt, dann ist es ein Stück Friedenssicherung.“ Das Gegenteil ist in zunehmendem Maße auf der Welt zu beobachten. Die Abschottungspolitik von US-Präsident Donald Trump kritisierte die Ministerin gleich mehrmals. Die Herausnahme des Agrarhandels aus den EU-Gesprächen mit den USA könne schneller zu einem Industriegüterabkommen (inklusive Sojabohnen) führen und dem Agrarsektor im Sog zu neuen Absatzmärkten verhelfen.
Dr. Klaus-Dieter Schumacher sitzt seit zehn Jahren dem Wirtschaftsausschuss für Außenhandelsfragen im BMEL vor. Den Ausschuss gibt es seit 1949 und arbeitet mit Verbraucherschützern und dem Entwicklungsministerium zusammen. „Internationale Märkte bleiben Wachstumsmärkte“, so Schumacher, Weil Teile der Welt sich vom Multilateralismus verabschieden, komme die Präzisierung der Außenhandelsstrategie „sehr zeitgerecht“, diesem etwas entgegenzusetzen. „Es besteht der klare Wunsch, die WTO weiter zu stärken und einen verlässlichen, klaren Rahmen aufzubauen“.
Doha-Runde
Nur leider findet die 2001 als Doha-Entwicklungsrunde für die Südländer gestartete Gesprächsrunde, die 2005 hätte abgeschlossen werden sollen, bis auf vereinzelte Arbeitsgruppen innerhalb der WTO kaum statt. Es gibt, vor dem Hintergrund der UN-Agenda 2030 und den Pariser Klimaverträgen, auch niemanden, der die drängenden Gespräche neu aufsetzt. „Wir müssen unseren Beitrag leisten“, sagte Klöckner leise. Aber auch: „Ich bin ein optimistischer Mensch!“. Es ist wie beim Fußball, wenn kurz vor dem Gegentor der eine dem anderen Verteidiger zuruft: „Ich hab den Ball sicher, nimm` du ihn!“
2050 werden zwei Milliarden Menschen bei gleicher Ackerfläche zusätzlich ernährt werden müssen. „Eines wissen wir mit Sicherheit“, sagte Schumacher. „Der Agrarhandel wird nicht weniger, er wird mehr werden.“ Die gedruckte Außenhandelsstrategie unterstütze die Unternehmen, die bei Exporten zuvorderst im Rampenlicht stehen. Beim Dachverband der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie (BVE) ist das auch so angekommen. Die Geschäftsführerin Stefanie Sabet kommentierte: „Das deutliche Bekenntnis von Bundesministerin Julia Klöckner zur Anbindung der Land- und Ernährungswirtschaft an globale Märkte bringt eine neue Qualität in die Diskussion um Agrarexporte. Das ist für uns ein wichtiges Zeichen. Denn: Der Weltagrarmarkt funktioniert arbeitsteilig, davon darf die deutsche Lebensmittelproduktion nicht abgekapselt werden. Der Export ist für die Unternehmen der deutschen Ernährungsindustrie eine wichtige Ertragsstütze und auch der Import von nachhaltigen Vorprodukten fördert die Wertschöpfung hierzulande sowie in den Lieferländern.“ Die wichtigsten Märkte bleiben aber der Binnen- und der EU-Markt.
Marktöffnungsverfahren
In der letzten Woche hat Staatssekretär Dr. Hermann Onko Aeikens beim BMEL das Marktöffnungsverfahren für Geflügelfleisch nach China angekündigt. Hilfreich war, so Aeikens, dass der Zentralverband der Deutschen Geflügelwirtschaft Anfang November ein Fachseminar in Peking durchgeführt hat.
Marktöffnungsverfahren sind zeitaufwendige und kostenintensive Prozesse. Jeder Produzent muss zunächst einmal die EU-Lebensmittelstandards erfüllen und sich für den Export in Drittländer beim Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit listen lassen. Das BVL ist die beratende und koordinierende Stelle für Drittlandsexporte. Die Erzeuger müssen die Anforderungen der Länder erfüllen, die allerdings nicht immer nach wissenschaftlicher Expertise aufgestellt werden. Die Betriebe werden von den Bestimmungsländern inspiziert und erhalten dann die Erlaubnis für den Export. Das BVL rät allen Unternehmen ab, Ware ohne Erlaubnis auf den Weg in Drittstaaten zu bringen.
Aktuell laufen Marktöffnungsverfahren für 15 Länder von Argentinien bis Vietnam. Bei zehn Ländern geht es um Schweinefleisch, was die Dominanz dieses Produktionssektors verdeutlicht. In Gesprächen mit der Türkei geht es um Rinderkarkassen, in Taiwan um Heimtierfuttermittel. Auch exotisches ist dabei: Mit Argentinien wird über die Erlaubnis zur Einfuhr von Gelatine für den fotografischen Gebrauch verhandelt.
China …
Asien bleibt nach Klöckner und Schumacher die wichtigste Richtung für den Export. Das hat auch die EuroTier in Hannover gezeigt:
China ist nach 40 Jahren politischer Reformen zum größten Tier- und Futterproduzenten der Welt aufgestiegen. Das Problem. Es gibt noch immer 92 Millionen Tierhalter, die in kleinen Betrieben nicht nur ineffizient wirtschaften, sondern über Nährstoffabfluss und Treibhausgasemissionen zu großen Umweltproblemen beitragen. Im Juni 2018 begann im Rahmen der deutsch-chinesischen Kooperation für Tierzucht und Tierhaltung in China die zweite Phase, die nach Dr. Ulrich Kleinwechter aus dem Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft in Deutschland zu mehr Ressourceneffizienz bei Futtermitteln, in der Tierhaltung und der Wassernutzung führen wird. Die Pilotprojekte haben in der ersten Phase die Umsetzung bewiesen, jetzt gehe es ans Netzwerken und die positiven Beispiele in die Fläche zu übertragen. Der Hunger ist enorm. Die wachsende Bevölkerung in China verzehrt pro Tag 230 Millionen Kilo Fleisch, 80 Millionen kg Eier und 100 Millionen kg Milch. Die Schweinehaltung dominiert mit 689 Millionen Tieren, die rund 60 Prozent des Fleischkonsums stellen. Dennoch reicht das nicht aus. China importiert pro Jahr noch immer 3,9 Millionen Tonnen Fleisch. Mit Beginn der Reformen hat sich die private Tierhaltung in China rasant entwickelt, berichtet Zhenhai Yang vom National Animal Husbandry Service (NAHS) und stellte in Hannover den grünen Entwicklungsplan vor. Seit 2000 entsteht ein Rahmenwerk für die Tierhaltung und kürzlich erst wurden Subventionen für die Modernisierung der Tierhaltung aufgestellt. Ein Gesetzt zum Schutz von Grünland gibt es bereits seit 2002. Gleichzeitig wurden Regularien zur Bekämpfung von Tierseuchen aufgestellt. Die Liste von erlaubten Futterzusatzstoffen wurde seit 2001 in den Jahren 2013, 2016 und 2017 erneuert und am 31. Mai wurden Gesetze zum Schutz der Umwelt vor Emissionen aus großen Tierhaltungen aufgestellt. 2020 soll die Übertragung der Ergebnisse aus Pilotbetrieben auf die Fläche abgeschlossen sein. Im Fokus steht die ordentliche Nutzung der Tierabfälle aus der Schweine- und Geflügelhaltung. Mist und Gülle sollen nicht nur als organischer Dünger, sondern auch über die Biogasanlage veredelt werden. Auch deren Gärreste fließen in den Nährstoffkreislauf für den Gartenbau zurück. Derzeit werden allerdings nur 64 Prozent der Exkremente in diesem Sinne genutzt.
… und Zentralasien
Maksut Baktibayev, Vorsitzender der Union der Rindfleischerzeuger in Kasachstan, führte in Hannover aus, dass der wichtige Agrarsektoren Fleisch im Wert von jährlich 2,6 Millionen US-Dollar exportiert. Doch während Kasachstan lediglich fünf Kilo Rindfleisch pro Hektar erzeugt, kommt Brasilien auf gute 25 kg/ha. Die derzeit rund zehn großen Fleischverarbeiter im Land könnten ein Vielfaches an Rindfleisch für den Export in die Nachbarländer Zentralasiens bis nach China hinein erzeugen. Das ist auch der Plan.
Für die Rindfleischproduktion setzt Kasachstan auf Fleischrinder aus der Milcherzeugung. Vorbild ist die Rasse Schwarze Simmentaler, die in den USA mit Hilfe von Angus-Rindern gute Fleischqualität liefert. So will Yevgeniy Shatokhim von „Agrifood Consulting“ künftig ein qualitatives Herdbuch in Kasachstan aufbauen. In nur 16 Monaten erzielen die Tiere ein Lebendgewicht von 500 bis 650 Kilogramm. Die vermehrte Milchproduktion kann die Molkereien, die derzeit nur bis zu 65 Prozent ausgelastet sind, voll beschäftigen. Allein mit Weidehaltung wird Kasachstan nicht wettbewerbsfähig sein. Die Mitbewerber aus Australien und Brasilien sind günstiger. Daher soll die bisher auf Heu basierte Fütterung auf Futtergerste im Feedlot umgestellt werden und folgt der Intensivhaltung Westeuropas und der USA. Kasachstan wird dann weniger Futtergerste exportieren und über eine Ausweitung der bewässerten Fläche auf drei Millionen Hektar selbst nutzen. Dann, so rechnet Baktibayev vor, hat kasachisches Rindfleisch gegenüber australischer Ware einen Preisvorteil von 195 US-Dollar pro Tier.
Bei allen Plänen bleiben Exporte wichtig. Die EU hat Ende der letzten Woche ein Kooperationsprogramm für Zentralasien in Höhe von 124 Millionen Euro angekündigt. 36 Millionen Euro sind für Schulprogramm in Kirgisistan vorgesehen, 88 Millionen werden in den anderen Ländern für die Unterstützung des Privatsektors in allen Bereichen von Umwelt bis zur administrativen Hilfe vergeben.
China und Kasachstan zeigen, dass Schwellenländer zunehmend die Produktion in die eigene Hand nehmen. Nach dem Export von Schweinehälften und Magermilchpulver nutzen Konzerne, wie Danish Crown, die Gelegenheit, direkt vor Ort zu investieren [3]. Sie leiten eine neue Exportorientierung in den Zielländern ein. Deutsche Unternehmen sind da noch zurückhaltender.
Trumps Politik
Donald Trump zeigt aktuell, wie Weltpolitik und Welthandel anders verlaufen könnten. Diesen Montag warnte er die britische Premierministerin Theresa May vor Annahme des mit der EU ausgehandelten Brexit-Abkommens. Es stehe einem Wirtschaftsabkommen mit der USA entgegen. Seine wiederholten Warnungen, die mexikanische Grenze auf Grund der Flüchtlinge aus Mittelamerika zu schließen, füge der regionalen US-Industrie einen Schaden in Milliardenhöhe zu, berichtet das amerikanische Trade Journal am Dienstag. Die Zeitung zitiert die Präsidentin der Handelskammer San Diego, Paola Avila, die kurzfristig den Einbruch des grenzüberschreitenden Einkaufstourismus befürchtet. Wegen der langen Abfertigung und Warteschlangen an den Grenzen haben vergangenen Samstag Einkaufszenten aus Furcht vor Gewalt gleich ganz dicht gemacht. Avila sagte mit Blick auf die US-mexikanische Region: „Unsere Ökonomien sind außergewöhnlich verzahnt. Wir produzieren zusammen, wir arbeiten zusammen, wir haben Familien zusammen und wir haben eine integrierte Wertschöpfungskette in Höhe von 2,5 Milliarden US-Dollar.“ Allein in San Diego.
Lesestoff:
[1] Die GAP entwicklungstauglich machen: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/die-gap-entwicklungstauglich-machen.html
[2] Stärkung des regelbasierten Welthandels: https://herd-und-hof.de/handel-/staerkung-des-regelbasierten-welthandels.html
EU und Brasilien wollen Subventionen ohne Marktverzerrung: https://herd-und-hof.de/handel-/agrarsubventionen-ohne-marktverzerrungen.html
[3] Danish Crown investiert in die chinesisch Schweinefleischerzeugung, wie schon länger die schwedisch-dänische Molkerei Arla Foods, in chinesische Molkereien und Qualitätssicherungssysteme, : https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/danish-crown-produziert-fuer-win-chain.html
Roland Krieg; Fotos: roRo