Sambia-Holstein ... Teil I
Landwirtschaft
Chancen zur ländlichen Entwicklung
Wenn badische Milch in Burkina Faso zum Markenprodukt wird, waren die negativen Folgen plausibel, wurden aber in der breiten Öffentlichkeit nur am Rande wahrgenommen. Seit Wochen hingegen diskutieren angesichts steigender Lebensmittel- und Energiepreise Weltbank und IWF den Welthandel im Jargon der Nichtregierungsorganisationen und die Entwicklungsproblematik rückt mit steigenden Preisen auch dem deutschen Verbraucher immer näher.
So nutzten gestern in Berlin die Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft (AbL) und Germanwatch zwei aktuelle Fallstudien über die Milchproduktion in Sambia und Schleswig-Holstein zu einem neuerlichen Brückenschlag zwischen hier und dort. Das scheinbar mehr Trennende der Betriebsrealitäten rückte auf der Ebene der grundsätzlichen Ziele näher denn je.
Sambia
Tobias Reichert, Autor der Fallstudie „Chancen zur ländlichen Entwicklung in Sambia – Wirkung von Fördermaßnahmen am Beispiel des Milchsektors“, kennt die Höhe der Milchproduktion nicht genau: Die sambische Regierung veröffentlicht die Zahl von 55 Millionen kg Milch. Ein anderes mal sind es 150 Mio. kg. Reichert vermutet, dass mindestens 60 bis 80 Prozent der Milch statistisch nicht erfasst wird, weil sie im informellen Markt gleich bei den Verbrauchern landet. 90 Prozent der Rinder sind im Besitz von Kleinbauern, die rund die Hälfte der sambischen Milchproduktion liefern. 11,5 Millionen Einwohner trinken durchschnittlich weniger als 20 Liter Milch im Jahr. Die Milchbauern, die zwischen zwei und 10 Tieren halten haben es schwer, sich gegen importiertes Milchpulver zu behaupten, dass unter anderem aus der EU kommt. Auch wenn die Exporterstattungen abgebaut sind, gelten der AbL die aktuelle Milchquotenerhöhung der EU und Fördermittel, die nicht an gesellschaftliche Kriterien, wie de Faktor Arbeit, gekoppelt sind, weiterhin als exportierte Marktverzerrung.
Dennoch haben sich 1995 in Sambia 25 Bauern in der Magoye Kooperative zusammen gefunden, Milch, die nicht zum Eigenverbrauche benötigt wird, zunächst einem Kühltank und dann in einem Verteilzentrum zu sammeln und zu vermarkten. Mittlerweile produzieren 88 Bauern mehr als 900.000 Liter Milch. Nur an die Weiterverarbeitung trauen sie sich nicht heran, weil sie um ihren Absatz fürchten. Die abnehmende Molkerei hat einen Exklusivvertrag mit der Kooperative abgeschlossen. Trotzdem zeige das Beispiel, dass in ländlichen Regionen alternative Einkommensquellen geschaffen werden können. Zumal die Gewinne in die Verbesserung der Milchproduktion reinvestiert werden.
„Käsestraße“ statt Nordmilch
In der zweiten Fallstudie stellte Andrea Fink-Keßler die „Förderansätze zur ländlichen Entwicklung – Arbeitsplatzeffekte am Beispiel „Käsestraße“ in Schleswig-Holstein und Nordmilch AG“ vor.
Rund 7.000 Bauern liefern etwa vier kg Milch an den Konzern, was etwas die Hälfte des Milchaufkommens im nördlichsten Bundesland umfasst. Bei den Vergleichen der Milchauszahlungspreisen in Deutschland rangiert Nordmilch eher am unteren ende. Ein Drittel des Umsatzes erzielt die Molkerei durch den Export. Das meiste bleibt innerhalb der EU, etwa acht Prozent gehen in Drittländer als Milchpulver, Käse oder Butter, so die Autorin auf Nachfrage.
Die Biobauern hatten in der Vergangenheit Probleme, ihre Milch loszuwerden. Auch den konventionellen Bauern war der Milchpreis zu niedrig. Aus diesem Grund haben 21 Hofkäsereien, fünf Hofmolkereien und vier Käsehändler ihr Schicksal in die eigene Hand genommen und vermarkten direkt entlang ihrer „Käsestraße“, die mittlerweile zum Vorbild für vergleichbaren Projekten im Schwarzwald und Nordrhein-Westfalen geworden ist.
Initiator ist das Hamburger Slow Food Convivium gewesen, dem es in Schleswig-Holstein zwar viel Käse, aber zu wenig Markenprodukte gab. Zu den Hofkäsereien gehören auch größere Gutsbetriebe. Sie haben ihre Verarbeitung und Vermarktung in die eigene Hand genommen und produzieren regionale Spezialitäten.
Die von Fink-Keßler analysierten Arbeitsplatzeffekte sind beeindruckend: Auf eine Million Kilogramm Milch berechnet, beschäftigt Nordmilch 0,73 Arbeitskräfte. Entlang der Käsestraße sind es 11,6 AK.
So sind auch die Schlussfolgerungen für die Autorin eindeutig: Mittel- und Kleinständische Unternehmen sowie handwerkliche Betriebe zu fördern führe zu positiven Effekten im ländlichen Raum.
Die Grundsatzdiskussion im Teil II
Roland Krieg