Schlachtung von graviden Rindern

Landwirtschaft

Gutes Management verhindert Schlachtung trächtiger Tiere

In diesem Sommer kochte das Thema der Schlachtung von trächtigen Rindern in den Medien hoch. Für die Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen war das Anlass, am Donnerstag zu einem Fachgespräch zu laden, um einen Weg aus dieser Misere zu finden.

Eines konnte das Gespräch nicht auflösen. Mit Angaben zwischen 0,2 und 15 Prozent lässt sich der Anteil trächtiger Rinder nicht quantifizieren. Damit liegen die Werte zwischen „marginal“ und „dramatisch“. Auslöser war eine Forschungsarbeit von Katharina Riehn im Jahr 2011, die zunächst einmal auf ein lange bekanntes Problem aufmerksam machte. Im Rahmen der zunehmenden Diskussion um das Tierwohl steht das Thema heute auch schon auf der politischen Agenda. Und keiner hat das Thema verharmlost oder abgelehnt. Jeder ist gewillt, es zu lösen.

Nicki Schirm, Tierarzt aus Hessen mit einer eigenen Fernsehsendung (Menschen, Tiere und Doktoren), differenziert die Situation nach Fleisch- und Milchproduktion. Bei der Mast sind die Kälber viel wert. Daher schauen die Bauern, dass sie ihre Kälber auch behalten und keine trächtigen Rinder dem Schlachter übergeben. Es gibt zwar ein Brunstproblem ab dem sechsten Monat der Trächtigkeit, doch ein guter Landwirt weiß, welche Rinder trächtig sind und kann diese Brunst als falsch einschätzen. Zumindest in Hessen bekommen die Mäster einen Abzug, wenn Kälberfeten „mit angeliefert werden“.

Bei der extensiven Mast und gemischten Herden, müssen die Bauern selbst sehen, dass die Bullen von den Jungrindern getrennt werden. Einfache rektale Untersuchungen zeigen dem Tierarzt, ob das Rind einen Fötus trägt. Aufwendige Sonaruntersuchungen sind nicht notwendig. Der Veterinär kann zwischen die Klauen oder auf das Auge drücken und bemerkt die Reaktionen.

Anders sieht es in der Milchwirtschaft aus. Das ist die Milch das primäre Produkt und das männliche Kalb wenig Wert. Aber auch hier wissen die Landwirte, wann sie welche Kuh besamt ließen und trächtig sein sollte.

Wo ist der Ansatz?

Bärbel Höhn, Vorsitzende des Umweltausschusses des Bundestages (Bündnis 90/Die Grünen), sieht theoretisch zwei Ansätze. Eine Untersuchung mit einem Schlachtverbot im Schlachthof hat die geringsten Spielräume. Nach EU-Recht kann das nur verboten werden, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Die Agrarministerkonferenz macht zwar Druck und das Bundeslandwirtschaftsministerium will bis zum Frühjahr 2015 einen Bericht vorlegen, doch wenn das Tier bereits in der Betäubungsbox steht, dann ist es für eine Durchsicht der Begleitpapiere bereits zu spät. Zudem dürfen Kälber in den ersten beiden Lebenswochen nicht transportiert werden, was einen Rücktransport vom Schlachthof ausschließt. Einen besseren Angriffspunkt bietet der Transport trächtiger Rinder. Hier können verordnete Tierschutzmaßnahmen, wie ein gewerbliches Verbot des Transportes ab dem 190. Tag, die Verkehrsfreiheit im Binnenmarkt nicht behindern und umgesetzt werden.

Für Dr. Kai Braunmiller, Amtstierarzt aus Bayreuth und bei der Bundesarbeitsgemeinschaft Tierschutz, favorisiert den Betrieb als Ansatzpunkt. Die BAG hat ebenfalls versucht, detaillierte Zahlen zu ermitteln, kann aber ebenfalls noch keine Aussage machen, wie viele Tiere von welchen Betrieben am meisten betroffen sind. Befragungen haben ergeben, dass es zahlreiche Gründe gibt, trächtige Tiere zum Schlachter zu bringen. Die einen sagen aus, dass es kein Zufall sein kann, denn die Milchviehhalter wissen genau, wann ihre Kühe ein Kalb tragen. Manche reden sich mit dem Satz „… es ist halt passiert“ heraus. Vielfach sind Krankheiten der Anlass, das Tiere aus der Produktion ausscheiden. Kühe, die aufgrund von Klauenerkrankungen kaum noch stehen können, aber trächtig sind, landen beim Schlachter. Therapien durch den Veterinär sind sehr kostenaufwendig. Das bestätigt auch Nicki Schirm. Wenn Kühe Mastitis haben, müssen sie von den Keimen erst mal wieder befreit werden, bevor sie wieder gemolken werden können. Das kostet Geld und sichert nicht eine hohe Milchabgabe nach der Heilung. In der Zwischenzeit ist die Kuh Träger von Keimen, die sie über den Liegeplatz in der Herde verbreiten kann. Wirtschaftlich kann es sich rechnen, die Tiere schlachten zu lassen. Auch mit Kalb.

Der praktische Ansatz

Das Fachgespräch hat den Betrieb als sinnvollste Früherkennung ausgemacht, trächtige Tiere vor dem Schlachter zu bewahren. Dr. Thomas Blaha von der Tierhochschule Hannover weiß auch, wie eine Umsetzung schnell und ohne aufwendige Studien realisiert werden kann. Die 16 Bundesländer sollten sich über einen gemeinsamen Erlass verständigen, dass die Trächtigkeit vom Amtstierarzt festgestellt und in der HIT-Datenbank eingepflegt wird [1]. Betriebsindividuell kann der Amtstierarzt auf dem Schlachthof Betriebe identifizieren, die öfters gravide Rinder anliefern. Ein direktes Anschreiben würde die Landwirte zu einer Änderung bewegen. Auch Nicki Schirm glaubt, dass ein Anschreiben bereits ausreiche, bevor aufwendige Sanktionen erlassen werden müssen. Dem gegenüber glaubt Bärbel Höhn nicht an die Kraft der Schreiben und Dr. Martin Heidmann aus dem Landwirtschaftsministerium Schleswig-Holstein möchte sich eher auf eine neue digitale Lösung im HIT-System verlassen. Alternativ stünde das System „Informationen zur Lebensmittelkette“ zur Verfügung. Ohne diese Standarderklärung über die Herkunft des Tieres und den Zustand des Betriebes darf der Schlachthof nicht schlachten.

Der ethische Ansatz

Keiner will mehr trächtige Kühe schlachten. Ansätze für eine einfache und praktikable Lösung sind vorhanden – aber das Thema geht noch weiter. Dr. Heidmann führte aus, dass wie beim Menschen auch beim Tier „der Schutz des ungeborenen Lebens“ in den Vordergrund rückt; wenn auch noch nicht gesetzlich geregelt. Weltweit untersuchen Studien, ab wann ein Fötus schmerzempfindlich ist. Offenbar gibt es ein Zusammenspiel zwischen der Großhirnrinde und der Schmerzempfindlichkeit. Der Tod eines Fötus in der Frühphase schüttet zwar das Stresshormon Cortison aus, führt aber nicht zu einem Schmerzempfinden. Bei Menschen ist ein Schmerzempfinden ab der 29. Woche festzustellen, was aber nicht für Rinder gelten müsse, erklärte Dr. Heidmann. Die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit wird im nächsten Jahr eine genauere Studie dazu vorlegen.

Fazit

Die Tagung hat einige Details herausgearbeitet. Eine Einschränkung für den Transport könne schon bei 190 Tagen Trächtigkeit festgelegt werden. Ab dem 7. Monat nach der Geburt müssen die Rinder auf Trächtigkeit hin untersucht werden, was vor Ort rektal auszureichen scheint. Statt Sanktionen, sollten die Schlachthöfe flächendeckend verfahren und das Gewicht von Kalb und Fruchtwasser von der Rechnung abziehen. Die HIT-Datenbank biete bereits alle verfügbaren Daten für eine betriebsindividuelle Analyse an.

Im Wesentlichen ist nach Dr. Thomas Blaha und Nicki Schirm das Problem über das Herdenmanagement auf den Betrieben zu lösen.

Lesestoff:

[1] Die HI-Tier ist ein Online-Formular über die Geburt, die Bewegung (Verkauf), Tod und Schlachtung von Rindern, Schweinen, Schafen, Pferden. So wie bei der Antibiotika-Erfassung können hier die Daten über trächtige Tiere erfasst werden, sobald sie auch zum Schlachter kommen.

Roland Krieg

Ergänzt am 31.10.2014; Roland Krieg

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