Schleswig-Holstein nach der Wahl

Landwirtschaft

Wird Habeck Kiel geholt?

Die bisherige „Küstenkoalition“ aus SPD, Bündnis 90/Die Grünen und der SSW regierte mit einer Stimme Mehrheit in Kiel stabil. Durch die hohen Verluste der SPD reicht es nicht mehr. An der Mehrheit von 35 Stimmen im Parlament fehlen jetzt zwei. Während die SPD ihre Wunden leckt, dürfen die Landwirte ihren Blick auf den noch amtierenden Landwirtschaftsminister Dr. Robert Habeck fokussieren. Im Agrarbereich kann die Wahl in Schleswig-Holstein eine Wende nach sich ziehen. Die Grünen mit Robert Habeck sind nicht mehr zwingend in der Regierung vertreten, obwohl sie mit 12,9 Prozent ein stabiles Wahlergebnis erzielten.

Für die Union mit der FDP reicht es ebenfalls nicht, weil ihr mit 32 Stimmen sogar drei für die Mehrheit im Kieler Landtag fehlt. Schwarz-Gelb könnte sich mit der SSW die Mehrheit sichern und die dänische Minderheit sitzt erneut auf der Regierungsbank.

Kiel könnte aber auch von einer GroKo regiert werden. Auch dann wären die Grünen draußen. Der frühere Ministerpräsident Peter Harry Carstensen kann sich mit CDU/FDP und Grüne auch eine „Jamaikakoalition“ vorstellen, sagte er am Abend den Kieler Nachrichten. Dann wären die Grünen zwar drin, aber nicht zwingend im Agrarressort. Da bietet sich eine Rheinland-Pfälzische Lösung an, das Agrarressort dem FDP-Wirtschaftsministerium zuzuschlagen und Habecks aktuelles Ressort auf Umwelt und Energie zu stückeln.

Grüne Landwirtschaftspolitik zwischen Nord- und Ostsee gab es nur mit der SPD. Union-Wahlsieger Daniel Günther hatte sich zur Wahl mit Friedhelm Taube einen Agrarwissenschaftler ins Kompetenzteam geholt, der auch in der Bundesagrarpolitik seine Meriten erwirbt. Taube gilt als „schwarzer Grüner“, der in Berlin im Beraterkreis gegen das CSU-Bundesressort Klartext zu sprechen weiß. „Besser auf 100 Prozent der Flächen eine Ökologisierung der Landwirtschaft als auch 20 Prozent der Flächen Ökolandbau“, lautet seine Devise. Taube wird nachgesagt, er könne Ökologie und Ökonomie in Einklang bringen. Wieso sollte Günther selbst bei der jamaikanischen Regierungsbildung dann auf Habeck zurückgreifen müssen? Dem Bundesrat könnt er damit einen grünen Agrarminister nehmen.

Für die Bundesgrünen kann die Wahl in Schleswig-Holstein eine Götterdämmerung bedeuten. Robert Habeck gilt als anerkannter Fachmann, wurde aber bei der Besetzung der grünen Spitzenposten zur Bundestagswahl nicht berücksichtigt. Ende April lagen die Bundes-Grünen nur noch knapp über der Fünf-Prozent-Marke. Der Weg von aktuell 8,4 Prozent zu 4,9 Prozent im September ist nicht weit. Das weiß auch die Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckhardt. Ende April sagte sie im ZDF-Morgenmagazin: „Wir haben ja noch ein paar Monate Zeit bis zur Bundestagswahl. Da muss auch noch mehr kommen, auch von unserer Seite aus muss noch mehr kommen.“ Alle anderen Parteien haben die spezifischen Grünen-Themen aufgenommen, aber es „macht eben keiner richtig“. Diese „letzten Prozent“ erreichen scheinbar nur noch die Eingefleischten, so dass die grüne Partei- und Politikkritik mit der 1980er Generation gemeinsam alt wird.

Bezeichnenderweise hat ausgerechnet Robert Habeck, wenn auch im Schulterschluss mit Friedrich Ostendorff, in Kiel den Agrarfrieden ausgerufen. Landwirtschaft sei ein sehr emotionales Thema, schreibt Habeck. „Uns muss mehr einfallen als das, was auf Bundesebene geleistet wurde.“ Änderungen müssen mit den 270.000 Landwirten in Deutschland gemeinsam erzielt werden – „es gibt keine anderen, und wir wollen es genau auch mit ihnen machen“. „Partnerschaft statt Krieg – am Küchentisch und auf der Grünen Woche. Das klingt so einfach, ist es aber nicht“, so Habeck und Ostendorff. „Es ist Zeit, die Hände zu reichen und wo immer möglich gemeinsam anzupacken“, lautet der nahezu prosaische Schluss.

Wenn das kein Bewerbungsschreiben für Berlin ist.

Roland Krieg

Zurück