Schneekönig Woidke
Landwirtschaft
Zwischenbilanz Grüne Woche
>Die Brandenburger haben gegenüber den anderen Bundsländern einen deutlichen Heimvorteil. Die Berliner kennen die meisten Betriebe schon und können die Produkte auch nach der Grünen Woche meist innerhalb einer Autostunde entfernt, direkt beim Bauern kaufen - oder finden die Waren gleich beim Händler um die Ecke.Beliebteste Halle
So fragen die meisten Besucher auf dem Messegelände mehr nach der Halle 21a als nach andern Hallen. Selbst die Tierhalle 25 komme da nicht mit, resümierte Brandenburgs Agrarminister Dr. Dietmar Woidke heute morgen bei seiner Zwischenbilanz. Allgemein sei "bei der großen Familie" der 150 Aussteller an 78 Ständen "großer Optimismus" zu spüren. Die Verbrauchern zeigen größere Bereitschaft, mehr auszugeben.
Das Geheimnis liegt des Spitzenplatzes liegt nicht nur an er räumlichen Nähe zu Berlin, sondern auch in der Gestaltung und an dem Design der Halle. Einige Aussteller haben für das nächste Jahr trotzdem noch Verbesserungsvorschläge eingebracht. Alle wollen 2007 wieder dabei sein. Drei Viertel der Händler schätzen ihre Geschäftskontakte als gut ein und der Umsatz gegenüber 2005 stieg um bis zu 20 Prozent. Damit die Brandenburghalle brummt, sorgen bis zu 400 Menschen für die Reinigung, die tägliche Anlieferung der Waren und der Präsentation.
Geschäftsführer Recke von der Neuruppiner Dreistern-Konserven GmbH nahm das erste Mal an einer Verbrauchermesse teil und war von dem Ansturm überwältigt. "Wir mussten am ersten Tag gleich unser Programm umstellen". Die Besucher wollten die bekannten Produkte kosten und kaufen, so dass täglich ein Lkw mit frischer Ware geordert werden musste.
Zufrieden zeigte sich auch Michael Wimmer von der Fördergemeinschaft Ökologischer Landbau. Die Erweiterung der Ausstellungsfläche von 20 auf 100 qm war ein voller Erfolg. Das Geheimnis des "Backschweins" können die Besucher noch das ganze Wochenende ergründen. Das Interesse zeige, dass ?der biologische Landbau in der Gesellschaft angekommen ist?, so Wimmer. Im letzten Jahr erzielte die Brandenburger Branche einen Umsatzwachstum von 20 Prozent. Selbst VW in Wolfsburg hat bei dem Freilandsauenhalter gestern drei Sauen geordert, ergänzte Woidke. Für viele Betriebe ist die Grüne Woche eine Initialzündung für das Geschäft. Es gebe Betriebe, die ohne Grüne Woche bereits nicht mehr existierten.
?Deutschland bewegt sich?
Bundesweit erlebte die Agrar- und Ernährungswirtschaft einen Aufschwung. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner spürte eine "richtige Aufbruchstimmung", wenn auch die Besucherzahlen in diesem Jahr keinen neuen Rekord erreichen werden. Sonnleitner führt das auf das Wetter zurück. Heute soll übrigens der 300.000 Besucher gezählt werden. Signale von EU-Kommissarin Fischer-Boel und der EU-Ratspräsident Pröll gäben Signale, dass die Bauern wieder spürten, gebraucht zu werden. Wenn die Agrarwirtschaft nicht mehr in dieser Form existieren würde, dann fehlte der gesamte vor- und nachgelagerte Bereich, der etwa 170 Milliarden Euro Umsatz macht.
Bauern sind aber auch keine Wohltäter, stellte Sonnleitner in seinem Zwischenbericht fest. Sie müssen arbeiten, um Geld zu verdienen. Eine überbordende Bürokratie legte sich wie Mehltau auf jede unternehmerische Tätigkeit. Trotzdem will die Branche investieren. An erster Stelle stehen dabei neue Wirtschaftsgebäude. Danach folgen Maschinen und Geräte. Die positivste Grundhaltung für die Zukunft haben die Veredlungsbetriebe. Die Schweinehalter eilen von Rekord zu Rekord und diesmal übersteigen die Schweineexporte, die Einfuhren.
Sorgenkind Milch
Das bäuerliche Sorgenkind ist die Milch. Zur Zeit überbieten die Discounter sich wieder gegenseitig mit Lockangeboten. Die "fürchterliche Preisschlacht, lockt die Hausfrauen in die Geschäfte", klagte Sonnleitner. Die Kosten zahle der Milchbauer. Der Präsident ermahnt die Regierung, das Preisdumping, den Verkauf unter Einstandspreis endlich zu verbieten. Er sagt aber auch, dass die heterogene Angebotsstruktur dafür mitverantwortlich sei. Damit fordert er eine weitere Konzentration der Molkereistrukturen.
Der Dezember-Index des DBV-Konjunkturbarometers liegt mit 88 Punkten so hoch wie seit vier Jahren nicht mehr. Im September lag er noch bei 67. Das ist auch er steilste Anstieg, den die Marktbetrachter zu verzeichnen haben. Sonnleitner leitet daraus einen Vertrauensvorschub an die Koalition ab.
Grün und grün
Sonnleitners Worte zeigen auch eine mögliche Wende der Wende nach der Agrarwende. "Heute hat jeder Vollsortimenter Bioprodukte, die damit das Nischendasein verlassen haben." Bio macht Geld, wie der Situationsbericht des DBV es schon aufgezeigt hatte. Das spürt auch der Bauernverband, der etliche Ökobauern in seinen Reihen hat und auf diese zufriedene Klientel nicht verzichten kann. Das Gentechnikgesetz wird wohl nicht komplett aufgeschnürt und neu gemacht, wie Seehofer es einst bei seiner Amtsübernahme wollte. Es wird, so Sonnleitner, nur noch die EU-Freisetzungsrichtlinie hinzukommen. Mit Hinweis auf die rote (Humanmedizin) und weiße (technologische) Gentechnik, hält Sonnleitner auch eine Koexistenz mit der grünen für möglich. Kartoffeln, Zuckerrüben kreuzten nicht aus, Mais nur in geringer Weite, weswegen in einer offenen Diskussion darüber weiter verhandelt werden könne. Auch Michael Wimmer sprach am frühen Morgen über "zusätzliche Konsenssignale" des schwarzen Agrarministeriums.
Roland Krieg
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