Schweine bekommen wieder einen Namen
Landwirtschaft
Futter gibt der Automat nur dem Schwein Auguste
Beate, Susi, Tanja, … schon bald sollen weibliche Namen durch die Ställe hallen. Realität ist das schon am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie in Dummerstorf (FBN). In der Experimentalanlage Schwein kann bereits beobachtet werden, wie das „Fressen nach Plan“ funktioniert. Seit zwölf Jahren forschen und testen die Dummerstorfer Wissenschaftler erfolgreich Aufrufsysteme.
Aufruffütterung bei Schweinen
Der namentliche Aufruf von Schweinen zur Fütterung ist ein Projekt, das erheblich dazu beitragen kann, unerwünschte Stresssituationen am Futtertrog zu verhindern, Krankheiten frühzeitig zu erkennen und das Tierwohl insgesamt zu erhöhen. „Die Verbesserung des Tierwohls ist ein zentrales Forschungsthema am Leibniz-Institut für Nutztierbiologie. Wir haben schon frühzeitig die tiergerechte Haltung und den schonenden Umgang mit den natürlichen Ressourcen in den Mittelpunkt unserer wissenschaftlichen Arbeit gestellt“, betonte Professor Klaus Wimmers, kommissarischer Vorstand am FBN. „Das verschafft uns heute einen Vorsprung in einer sich wandelnden Landwirtschaft, die immer stärker durch den aufgeklärten Verbraucher geprägt wird.“
Auguste
wurde gerufen und lief schnurstracks in die Box.
Ist es das richtige Schwein,
kommt es auch an das Futter
Ernährung maßgeschneidert und vollautomatisch Die Aufruffütterung ist eine Fortentwicklung der Versorgung in Gruppen gehaltener trächtiger Sauen mit elektronischen Futterstationen, sogenannten Abrufstationen. Seit 2013 müssen trächtige Zuchtsauen in Gruppen gehalten werden, um ihrem Sozialverhalten gerecht zu werden. In Abrufstationen werden große Sauengruppen mit zum Teil mehr als 60 Tieren nacheinander zentral versorgt. Über Ohrmarkentransponder können sich dort die trächtigen Tiere ihren täglichen Anteil an Futter „abholen“. „Unsere Weiterentwicklung setzt im Gegensatz dazu auf ein Futtermanagement per Aufruf, das heißt, die Sauen werden mit ihrem Namen zur Futteraufnahme aufgerufen. Das Verfahren der Aufruffütterung basiert auf einer automatisierten Konditionierung der trächtigen Sauen, also dem Training auf einen Namen, das ca. zwei bis drei Wochen dauert“, erklärte der Leiter des Instituts für Verhaltensphysiologie am FBN, Professor Birger Puppe.
Tiere erkennen ihr individuelles Signal
Die Tiere lernen dabei ein individuelles Signal als Indikator für die eigene Fütterung zu interpretieren. Dadurch nähern sie sich der Futterstation fast ausschließlich nach ihrem Aufruf zu der von einem Steuerungsprogramm vorgesehenen Fütterungszeit. „Der wesentliche Effekt des Aufrufverfahrens ist die Vermeidung von Futterkämpfen in der Sauengruppe sowie das Setzen von Beschäftigungsanreizen“, erläuterte der Projektleiter am FBN, Dr. Christian Manteuffel. Aus dem Tierverhalten und bekannten Tierparametern wie Alter und Körpergewicht schätzt das Steuerungsprogramm den ungefähren Rang jeder Sau in der sozialen Hierarchie der Gruppe ab. Der soziale Rang wird verwendet, um die natürliche Fressordnung bei der Reihenfolge der Aufrufe zu berücksichtigen und so fütterungsbedingte Zweikämpfe weiter zu verringern. Mehrwert für Halter und die Tiere
„Die Aufruffütterung leistet deutliche Beiträge zur Verbesserung konventioneller Haltungsverfahren und für mehr Wohlbefinden bei den Tieren. Der Anspruch ist dabei die Erhöhung der Tiergerechtigkeit ohne Beeinträchtigung der Wirtschaftlichkeit der Tierhaltung“, unterstrich Manteuffel. „Voraussetzung hierfür ist die Verwendbarkeit des Verfahrens auch in großen Beständen und die Erzeugung eines echten Mehrwertes für den Halter“, so der Informatiker. „Bei der Aufruffütterung wird dieser Mehrwert durch die Möglichkeit geschaffen, mit gesünderen Tieren länger arbeiten zu können. Das Verfahren wird gleichzeitig umso effizienter, je mehr erfahrene Sauen sich in der Gruppe befinden. Die Langlebigkeit der Sauen wird dadurch für die Halter zu einem Faktor von direktem wirtschaftlichem Interesse.“ Die Aufruffütterung wird von anderen Forschungseinrichtungen auch für weitere Nutztiere erprobt, so beispielsweise bei Kühen.
Mit Fördergeldern des Bundeslandwirtschaftsministeriums soll das Projekt in die Praxis begleitet werden.
Norbert Borowy (FBN Dummerstorf)