Schweinehaltung zukunftsfest machen
Landwirtschaft
Arbeitskreis Schweinehaltung bei der DLG
Die Beiträge im Arbeitskreis Schwein auf den Unternehmertagen der Deutschen Landwirtschafts-Gesellschaft (DLG) Anfang September in Magdeburg zeigten, wie Landwirte das Motto „Wandel in Umbruchzeiten“ umsetzten. DLG-Präsident Hubertus Paetow forderte in seinem Statement: „Wir müssen die Radikalität unseres Handelns an die Radikalität der Umbrüche anpassen.“ Die gesellschaftlichen Anforderungen erfordern in der Nutztierhaltung und hier besonders die Schweinehalter neue Sichtweisen. Die gesellschaftliche Diskussion um den Kastenstand ist nach Schweinehalter Ralf Remmert aus der Brandenburger Prignitz „nicht mehr zu gewinnen.“ Das sagt jemand, der mit 1.250 Sauen und 6.500 Mastplätzen keinen Kleinbestand hat und mit dem „Prignitzer Landschwein“ ein Vermarktungskonzept „Vom Saatkorn bis zur Salami“ verfolgt. Remmert hängt keine Ketten oder Holzstäbe als Beschäftigungsmaterial in die seine Buchten. Das wird den Schweinen bald zu langweilig. Seit April 2019 baut er seine Ställe in 110 Buchten um. Die Tiere bleiben überwiegend im Familienverband zusammen und bekommen so keine neuen Reize für Rangkämpfe. Bislang hat er für seine Ebermast damit gute Erfahrungen gesammelt und will bei dieser Mastform bleiben. Sein Clou für ruhige und artgerechte Tiere: Wöchentliches Strukturfutter aus der Raufe. Die Tiere brauchen kein tägliches Strukturfutter, das neben Rohfaser auch als Beschäftigungsmaterial dient, wenn sie mit der Rüsselscheibe darin wühlen können. Für Remmert ist diese Fütterung allerdings auch eine Abkehr von der Güllewirtschaft. Er hat ein Kotförderband in die Buchten gebaut. Ohne, dass die Tiere sich daran stören, gleitet es sanft stückweise Richtung Gosse und transportiert den Kot ab. Der Harn sickert durch die Auflage und wird getrennt aufgefangen. Die Schweine bleiben sauber, die Trennung von Harn und Kot vermindert Ammoniakemissionen und Verbraucher finden vorzeigbare Bilder ohne weiteren Erklärungsbedarf. Die haltungsnahe Schlachtung ist das nächste Ziel.
Für Christoph Becker aus Niedersachsen ist das ein Betrieb nach eigenem Geschmack. Er bewirtschaftet 1.000 Mastplätze in Niedersachsen und hat sich graduell verschiedenen Initiativen angeschlossen. Seit 2012 mästet er für die Einstiegsstufe des Deutschen Tierschutzbundes, seit 2015 für die Initiative Tierwohl, hat 2016 an dem Projekt Ringelschwanz in Niedersachsen teilgenommen und sein Betrieb gehört seit 2017 zu den Modell- und Demonstrationsbetrieben (MuD) an. „Wir geben den Schweinen die Eigenverantwortung wieder zurück“, lautet sein Motto. Aus Einem Stall mit zwei Kontrollgängen und sechs Buchten hat er einen Kontrollgang mit jeweils durchgängigem Freilauf gebaut. In Richtung der Luftstromführung finden die Schweine Strohauflage, Futterautomaten und Kotbereich getrennt vor. In der Mitte der Buchten sind keine Lampen mehr installiert, weil die Tiere dort dann ihren Ruhe- und Liegebereich finden. „Wir haben für das Schwein sehr viel getan“, erklärte Becker und kommt betriebswirtschaftlich mit den verschiedenen Zusatzentlohnungen der verschiedenen Initiativen zurecht.
Reinhard Brunner aus Weiden in der Oberpfalz hat seinen Mastbetrieb nur 2,5 km vom Stadtzentrum entfernt. Die nahe Bundesautobahn A9 lässt kein weiteres Betriebswachstum mehr zu. 2009 hat er bei Naturland auf die Ökoschweinehaltung umgestellt. Schon vorher hat er über seinen Hofladen Spargel vermarktet und dann auch seine Abnehmer für Fleisch gefunden. Sein Rat für alle Landwirte, die neue Wege suchen: Ohne gesicherte Abnahme solle niemand seinen Betrieb umstellen. Bei Erlösen von 400 bis 440 Euro je Mastschwein ist der Ruin nahe, wenn die Tiere konventionell für 170 Euro vermarktet werden müssten.
Wenn der Handel nicht mitspielt, dann gibt es keine Zukunft. Dr. Clemens Dirscherl betreut mittleerweile die Kaufland-Fleischwaren GmbH in der Schwarz-Gruppe, zu der auch der Discounter Lidl gehört. 65 Landwirte beliefern den Supermarkt mit Fleisch der Eigenmarke „Wert Schätze“. Was bislang nur an der Bedientheke erhältlich war, liegt seit Mitte September auch an der SB-Theke aus.
Wie wichtig das Thema Vermarktung ist, zeigte sich durch einige Irritationen während der Tagung. So warf ein Teilnehmer Dirscherl vor, Kaufland hätte Betrieben den Vertrag gekündigt. Der Tierethiker konnte klären, dass einige Betriebe den Vertrag gekündigt hatten, als diesen März die Bedingungen auf GVO-freie Fütterung umgestellt wurden.
Auch das Gerücht, der Deutsche Tierschutzbund würde keine Betriebe mehr aufnehmen, hat diese Zeitung geklärt. Auf Nachfrage erklärte der Verband, dass die Marktlizenznehmer die Zahl der pro Woche zu liefernden Schweine nach Marktlage festlegen und auf die Zahl der teilnehmenden Landwirte aufteilen. Für Betriebe mit der typischen Warmstallhaltung sei es schwer, die Vorgaben Tierschutzbundes einzuhalten.
Seitens der Verbraucher gab Roland van Asten Entwarnung. Er hält Schweine im Thüringischen Neumark und sagte mit Blick auf die aktuell hohen Preise für Schweinefleisch: „Wenn der Verbraucher keine Wahl hat, zahlt er auch diesen Preis.“
Roland Krieg
Der Text erschien zuerst bei der vfz Vieh und Handelszeitung