Seehofer: Mehr und andere Mittel für den ländlichen Raum
Landwirtschaft
Ländliche Entwicklung: Jetzt geht es um die Finanzierung
Auf der Grünen Woche endete die Konferenzreihe „Zukunft ländliche Räume“ mit einem positiven Fazit. Die verschiedenen Veranstaltungen haben die Problemanalyse deutlich vorangetrieben und künftige Ansätze für Aufgaben im ländlichen Raum zusammengestellt, resümierte Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer heute Nachmittag. Die bisherige Förderung hat sich stark an den Belangen für die Landwirtschaft orientiert – künftig müssten mehr und andere Mittel zur Verfügung stehen. Mittel dürften bei der Umschichtung aus der ersten in die zweite Säule nicht vom „Landwirt zum Landrat“ wandern. Seehofer stellte auch eine Verfassungsänderung in Aussicht, damit die Entwicklungs- und Finanzautonomie der Kommunen gestärkt werden können.
Die Rolle der Landwirtschaft
Unterschiedliche Ansichten über die Rolle der Landwirtschaft im ländlichen Raum zeigten die verschiedenen Experten. Prof. Dr. Hans Blotevogel, Raumplaner an der Universität Dortmund, bricht für die zweite Säule der Agrarfinanzierung eine Lanze. Hier sind die wichtigen Aufgaben der ländlichen Entwicklung zusammen gefasst. Die Landwirtschaft stelle in keinem der Landkreise mehr als acht Prozent der Beschäftigten, weswegen die Förderung dieses Sektors überbewertet ist. Die Erhöhung der Modulation, dass Umschichten der Direktzahlungen aus der ersten in die zweite Säule, sei richtig, weil es auf dem Land ein breiteres Interesse gäbe als nur die Landwirtschaft.
Dr. Gerd Landsberg, Präsidialmitglied des Deutschen Städtebundes will die Entwicklung des ländlichen Raums weiter oben auf die Agenda setzen. Er forderte heute eine „Landverträglichkeitsprüfung“ für politische Entscheidungen. Wenn die Bahn beispielsweise privatisiert würde, dann hätte das direkte negative Auswirkungen auf den ländlichen Raum. Das müsse im Vorfeld genauso überprüft werden, wie die Hemmnisse der gemeindeübergreifenden Zusammenarbeit. Die Bündelung der Aufgaben in einem Ministerium wäre sinnvoll, so Dr. Landsberg.
Ähnlich argumentierte Prof. Dr. Wendelin Strubelt, Vizepräsident des Bundesamts für Bauwesen. Es gibt nicht den ländlichen Raum. Vernachlässigt wird, dass es neben boomenden, auch niedergehende Städte gibt. Im Großraum London, Hamburg, Mailand, Paris und den Benelux-Ländern liegen große Teile Deutschlands. Die Metropolen als Lokomotiven der wirtschaftlichen Entwicklung müssen weiter gefördert werden, weil sie volkswirtschaftlich den größten Teil Deutschlands ausmachen. Das Land nehme nur flächenmäßig den größten Teil ein.
Gegen das „Kleinreden“ der Landwirtschaft wehrte sich Bauernpräsident Gert Sonnleitner. Die Landwirtschaft stelle zwar nur einen Anteil von zwei Prozent am Bruttosozialprodukt, sie ist aber ursächlich für die mit ihr verbundenen vor- und nachgelagerten Wirtschaftsbereiche mitverantwortlich. Zusammen mit der Ernährungsindustrie komme der gesamte Sektor auf 16 Prozent BSP-Anteil. Außerdem ist die Landwirtschaft der einzige Wirtschaftsbereich, der gesellschaftliche Aufgaben im Bereich Umwelt, Natur-, Boden- und Wasserschutz umsetzen kann. Diese Aufgaben müssen weiterhin über Cross Compliance und Agrarumweltmaßnahmen bezahlt werden. Seehofer fügte noch hinzu, dass der Agrarsektor hinsichtlich der Energie- und Ernährungssouveranität noch wichtige Aufgaben erfüllen müsse.
Fünf Kilometer Autobahn oder Breitbandanschluss?
Einen Einblick in die unterschiedlichen Finanzierungsvorstellungen gab der Streit zwischen Seehofer und Dr. Landsberg. Der Vertreter des Städtebundes bemängelte, dass für den Neubau eines Kilometer Autobahn 10 Millionen ausgegeben werden, während immer noch 2.200 Gemeinden keinen Breitbandanschluss hätten. Seehofer konterte, dass der Bund 30 Millionen und die Städte 20 Millionen Euro für den Breitbandversorgung zur Verfügung stellen und damit zwei Drittel der Gemeinden integrieren könnten. Die Länder könnten jederzeit mehr Geld hinzufügen.
Faktor Mensch
Prof. Dr. Martin Hein, Bischof von Kurhessen-Waldeck, wehrt sich ausdrücklich gegen die „Verteufelung“ des ländlichen Raums mit dem Wörtchen „noch“. Der Baustein „wie lange noch“, setze dem Land generell einen negativen Stempel auf. Man müsse auch das Positive des Landes hervorheben.
Jura 2000 hat jüngst mit Greding eine fünfte Gemeinde hinzubekommen. Die Region der schwäbischen Alb liegt zwischen den Zentren Nürnberg, Regensburg und Ingolstadt, die eine Sogwirkung auf die Region ausüben. Bürgermeister von Breitenbrunn, Josef Köstler, baut Jura 2000 zur Feinschmecker- und Touristenregion aus. Damit die Menschen in den Gemeinden bleiben sollen die Hauptschulen wieder gestärkt werden: Hauptschulen seien die Schulen des ländlichen Raums.“ Fünf Gemeinden, fünf Schulen und fünf Schwerpunkten. So kann eine Schule einen wissenschaftlichen Schwerpunkt erhalten, die andere eine musische Komponente. Schwierig ist das, weil die Gemeinden mit ihren Vorstellungen Gemeindeübergreifend arbeiten wollen und die Schule Ländersache ist.
Lesestoff:
www.jura-2000.de
Alle Konferenzen mit etlichen Folien von Referaten finden Sie unter www.bmelv.de
Herd-und-Hof.de hat über den Bundeskongress in Berlin und die Folgekonferenzen in Münster und Cham berichtet. (Magdeburg fehlt)
Roland Krieg
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