Selektive Fischerei: Wie geht das?

Landwirtschaft

Freswind-Netz gibt Schollen eine Chance

Selektive Fischerei ist eines der Zauberworte der Gemeinsamen Fischereipolitik (GFP) der EU. Aber auch weltweit sollen die überfischten Bestände geschont werden. Zu oft landen nicht erwünschte Zielfische in den Netzen und leiden unter der Fischerei. Doch wie sollen unter Wasser nur die Fische ins Netz gelangen, die gerade gefischt werden dürfen und gleichzeitig andere Fische geschont werden?

Thünen Institut gewinnt Smart Gear-Preis

Darüber machten sich Forscher viele Gedanken und entwickeln Netze, die den selektiven Fang verwirklichen können. Beispielsweise landen beim Dorschfang in der Ostsee immer wieder Schollen in den Netzen. Mit Leitplanken und Notausgängen können aufgescheuchte Schollen wieder aus den Netzen fliehen.

Das Thünen-Institut für Ostseefischerei in Rostock (TI) hat sich das Mandat der selektiven Fischerei, die ab diesem Jahr in der in der EU umgesetzt werden soll, zu Herzen genommen. „Die EU hat die Fangregularien neu gefasst. Ab 2015 müssen die Fischer in vielen Fällen alle gefangenen Fische, für die es eine Fangquote gibt, anlanden. In der Fischerei auf Dorsch zum Beispiel geht auch immer eine erhebliche Anzahl Schollen mit ins Netz. Bisher wurde der unerwünschte Beifang einfach wieder über Bord gegeben. Unter den neuen Regeln, muss die Dorschfischerei stoppen, wenn die Schollen-Fangquote ausgeschöpft ist“, erläutert Dr. Christopher Zimmermann vom TI.

Freswind

Daher haben die Rostocker ein Netz entwickelt, das nacheinander verschiedene Fischarten wieder freilässt, sobald sie sich in das Netz „verirren“. „Mehrarten-Selektion“ nennen sie das Prinzip, das aus Leitplanken und Notausgängen besteht.

Untermäßige, also zu kleine Fische können schon bei herkömmlichen Netzen durch das „Fluchtfenster“ am Ende des Netzes fliehen. Für Schollen allerdings sind die größer werdenden Maschen aber immer noch zu klein. Sie können sogar den Fluchtweg für die kleinen Fische verstopfen. Das neu entwickelte Freswind-Netz (Flatfish Rigid Escape Windows) hat deshalb parallel angeordnete Gitterstrukturen für die Plattfische. Erste Unterwasserbeobachtungen haben aber gezeigt, dass diese lieber in der Mitte des Netzes bleiben und den Notausstieg nicht nutzen. Daher haben die Wissenschaftler Leitplanken eingebaut, die Fische zwangsweise nach außen lenken und in Richtung Gitter führen.

Unterwasseraufnahme von Schollen im Bereich des parallel angeordneten Fluchtgitters im FRESWIND-Netz

Es funktioniert

Das Labor war den Wissenschaftlern natürlich nicht genug. Auf kommerziellen Kuttern haben sie Freswind ausprobiert und waren positiv überrascht. Es funktionierte besser als vorhergesagt. Der Plattfischbeifang konnte um über 60 Prozent reduziert werden und der Fang untermäßiger Dorsche um mehr als 30 Prozent. Demgegenüber war der Verlust an Dorschen, die eigentlich marktfähig sind, gering. Was die Fischer außerdem lobten: Das Netz ist im Alltag auch bei schwerer See gut handhabbar.

Ausgezeichnet

Nachdem das Netz also auch seine Praxiseignung bestand, wurde Freswind beim alle zwei Jahre vergebenen Smart-Gear-Wettbewerb in den USA mit dem Runner-up-Preis in Höhe von 10.000 US-Dollar ausgezeichnet. Der Preis gegen unerwünschten Beifang wird vom WWF ausgeschrieben. Juan Santos vom TI freut sich: „Dass sich unsere neue Entwicklung gegen weltweite Konkurrenz durchsetzen konnte, freut uns sehr. Auch künftig wird es immer mehr darauf ankommen, Netze so zu konstruieren, dass die Körperform und das Verhalten der Fische artspezifisch berücksichtigt werden.“

Das Freswind-Netz ist sogar modellierbar. Die Gitterstruktur lässt sich für andere Körpergrößen und Fischarten verstellen.

Lesestoff:

Das Institut zeigt die Entwicklung des Netzes mit Unterwasseraufnahmen der Funktionsweise im Video von Annemarie Schütz: http://vimeo.com/channels/801304 Höchst sehenswert!

roRo; Foto: Thünen-Institut für Ostseefischerei

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