Servicestation an jedem Ort

Landwirtschaft

BB: Modell zur Daseinsversorgung

„Wir werden immer weniger. Wir werden immer älter!“ Brandenburgs Staatssekretär Clemens Appel fasste am Mittwoch die demographische Entwicklung in seinem Bundesland zusammen. Da der Wegzug von Menschen aus ländlichen Räumen kaum aufzuhalten ist, verfolgt Brandenburg „Modelle zur Bewältigung der Bevölkerungsentwicklung“ und schuf zu Jahresbeginn den „Marktplatz der Möglichkeiten“. Eine Ideenbörse, wie die Lebensqualität der Verbliebenen verbessert werden soll. In Potsdam stellte Projektentwicklerin Silke Schmidtmann vom Zentrum für Technik und Entwicklung der Technischen Universität Berlin die neueste Idee vor, die vereinzelt als „mobikult“, Rufbusse und Bürgerbusse, bereits realisiert.

Soziale Treffpunkte mit Basisangebote
Ziel der Servicestationen ist die Verbesserung der Grundversorgung und eignet sich in allen Gemeinden zwischen 500 und 5.000 Einwohnern, führt Schmidtmann aus. Vier so genannte Modulkästen stehen zur Verfügung: Mobilitätsangebote, regionale Produkte, Tourismusangebote sowie Dienstleistungen. Darin kann eine bunte Vielfalt verschiedener Aufgaben umgesetzt werden: Paketannahme, Rufbusfahrten, ein Fahrzeugpark, gemeinsame Fahrten zu Behörden, Beratungsangebote von Finanzdienstleistern, Verbraucher- und Energieberater sowie Gesundheitsberatung und Telemedizin. Darüber hinaus soll sich die Servicestation als sozialer Treffpunkt in der Gemeinde etablieren.
Die Servicestation erfüllt bei ihrer Umsetzung noch den Nebeneffekt, dass ein leer stehendes Gebäude wieder in Nutzung kommen kann.

Entscheidend ist der Mensch vor Ort
Entscheidend für das Gelingen der Servicestation ist das Engagement vor Ort, so Appel. Schmidtmann verweist auf die bestehenden mobikult-Projekte: Einer muss den Hut aufhaben. Die Servicestation sollte im Idealfall eine Existenzgründung sein, so Schmidtmann. Sie kann aber genauso gut auch öffentlich-kommunal oder öffentlich-privat getragen werden. Wer sich den Aufbau einer Servicestation zutraut muss wegen der Rechtlichkeit einen Verein gründen, der für die Anmietung eines Raumes oder Gebäudes berechtigt und sollte im Ort verankert sein. Als Gründungsschuss stehen 45 Prozent, bis zu 5.000 Euro, aus der Landeskasse zur Verfügung. Vier Schritte sind es bis zur Realisierung:
Ortsvorsteher und Bürgermeister können in eine aktive Akquise gehen, einen geeigneten Betreiber zu finden. Staatssekretär Appel verwies auf die vielen ehrenamtlichen Helfer vor Ort, die beispielsweise bereits in Feuerwehren engagiert sind. Für Silke Schmidtmann sind auch Gastronomen und Hoteliers geeignete Personen.
Danach folgt die Standortsuche, bei der über die Wiedernutzung brach liegender Gebäude, wie alte Bahnhöfe, wertvolle Bausubstanz erhalten werden kann.
Dann folgt die Erstellung und Vermarktung von Angebotsmodulen. Vor allem die touristischen Dienste werden der Servicestation zur Wirtschaftlichkeit verhelfen, prognostiziert Schmidtmann. Für die Attraktivität der Servicestation müssten aber auch kostenfreie Basisdienste vorhanden sein.
Und zuletzt muss die Station in der Bevölkerung vor Ort eine breite Akzeptanz finden.

Vorerst letzte Förderchance
Das Brandenburger Agrarministerium präsentierte bei der Vorstellung der Servicestationen den neuen Förderkatalog bis 2013. Die letzte Chance, denn wie es nach 2013 weitergeht, vermag niemand zu sagen. Agrarstaatssekretär Dietmar Schulze verwies darauf, dass die derzeitige Förderhöhe kaum erhalten bleibt. So stehen in Brandenburg bis 2013 noch 1,34 Milliarden Euro für die Entwicklung des ländlichen Raums zur Verfügung. Dieser Betrag kann aus EU-Mitteln ergänzt werden. Dort sind insgesamt Gelder in Höhe bis zu 3,2 Milliarden Euro abrufbar.
Die Landesregierung orientiert sich bei der Fördervergabe explizit auch an Projekte, die im Rahmen der demographischen Entwicklung mit dem Ausbau von Infrastruktur und Dienstleistungen den ländlichen Raum verbessern. Die Servicestationen gehören dazu.

Demographische Entwicklung in Brandenburg
Immer weniger und immer älter. Die Prognose des Amt für Statistik Berlin-Brandenburg geht von einem Bevölkerungsverlust von 354.000 Personen in der Zeit zwischen 2006 und 2030 aus. Das entspricht der derzeitigen Bevölkerungszahl der Region Uckermark-Barnim. Vom heutigen Stand in Höhe von 2,4 Millionen Brandenburgern entspricht das einem Rückgang um 14 Prozent.
Die Metropole Berlin hat dabei einen entscheidenden Einfluss. Im so genannten engeren Verflechtungsraum rund um Berlin wird die Bevölkerung um drei Prozent zunehmen, Im äußeren Entwicklungsraum sinkt sie um 25 Prozent. Im engeren Verflechtungsraum steigt die Bevölkerungsdichte auf 237 Einwohner je Quadratkilometer und liegt dann mit sechs Personen über dem Bundesdurchschnitt. Im äußeren Entwicklungsraum sinkt die Dichte von 61 auf 41 Personen je Quadratkilometer.

Bevoelkerungspyramide Brandenburg


Grafik zur Bevölkerungsentwicklung in Brandenburg. Amt für Statistik Berlin-Brandenburg

Das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung hatte zu Beginn des Monats mit seiner Kritik an vielen Projekten im ländlichen Raum Defizite aufgelistet. Clemens Appel sieht gegenüber Herd-und-Hof.de die Studie nicht so negativ. Sie enthalte bedenkenswerte Vorschläge und sieht die Servicestationen auf den richtigen Weg. Die Studie zum demographischen Wandel listet mit dem „Servicehaus Helbra“ im Landkreis Südharz-Kyffhäuser und dem „Stadthaus Eggesin“ am Stettiner Haff vergleichbare Modelle als gelungen auf. Die Berliner haben auch den Bürgerbus im brandenburgischen Fläming als gute Alternative zum öffentlichen Nahverkehr bezeichnet.

Lesestoff:
Den Leitfaden „Servicestationen“ finden Sie unter www.mobikult.de -> Berichte, Download als PDF
Den aktuellen Förderkatalog des Agrarministeriums mit Ansprechpartnern finden Sie unter www.mluv.brandenburg.de
Mehr über die Ziele zur Bewältigung des demographischen Wandels hält die Staatskanzlei unter www.stk.brandenburg.de bereit.
Menüpunkt: Demographischer Wandel. Dort sind die politischen Ziele beschreiben und zeigt der Marktplatz der Möglichkeiten jeden Monat ein aktuelles Projekt
Das Berlin Institut für Bevölkerung und Entwicklung besuchen Sie virtuell unter www.berlin-institut.de
Alles zur Statistik in Berlin und Brandenburg gibt es unter www.statistik-berlin-brandenburg.de


Roland Krieg (Text); Grafik: Amt für Statistik Berlin-Brandenburg

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