Sie haben es noch immer satt
Landwirtschaft
Konkrete Forderungen an Özdemir
Am Samstag übergibt das Bündnis „Wir haben es satt“ auch in diesem Jahr Forderungen an das Bundeslandwirtschaftsministerium. Das Bündnis aus 60 Organisationen demonstriert auch in diesem Jahr wegen der Pandemie nur im Kleinen. Rund 30 Traktoren sind in Berlin unterwegs, es gibt keine Übernachtungen für anreisenden Demonstranten, aber dafür einen virtuellen Staffellauch. Mit dem Gemüse in der Hand zeigen Landwirte in einer Videokette welche Alternativen es in der Landwirtschaft bereits gibt.
Den Höfen, den Tieren und dem Klima muss es gut gehen, sagte Martin Hofstätter von Greenpeace. Doch: „Der Landwirtschaft geht es schlecht.“ Für Hofstätter ist das ein Resultat aus 16 Jahren orientierungsloser Agrarpolitik, die immer wieder von Gerichten korrigiert werden müssen. Deutschland hängt das Vertragsverletzungsverfahren zur Nitrat-Richtlinie der EU an und Berlin hat die Normenkontrolleklage gegen den Kastensand eingereicht.
Ottmar Ilchmann, konventioneller Milchbauer in Ostfriesland, beklagt die Klientelpolitik für die vor- und nachgelagerten Bereiche, aber nicht für die Landwirte. Diese „Politikverweigerung“ gegenüber den Landwirten sei ein Systemfehler, der behoben werden muss. Ilchmann verweist auf den Lebensmitteleinzelhandel, der zwar im Agrardialog gesprächsbereitschaft signalisierte, aber als es um die Kosten ging, das Forum verlassen habe. Beim Umbau dürfen auch Landwirte nicht gegen Niedrigverdiener ausgespielt werden. Wenn sich der Hartz-IV-Empfänger faires Essen nicht leisten kann, muss sein Unterhaltssatz angepasst und nicht bei den Bauern die Erzeugererlöse gedrückt werden.
Der Lebensmitteleinzelhandel steht mit seiner „ruinösen Einkaufspolitik“ bei Marita Wiggerthale von Oxfam weiterhin im Fadenkreuz. Ein Verkaufspreis unterhalb der Produktionskosten soll verboten werden. Nur eine Erhöhung der Verbraucherpreise werde nicht reichen, sagte die Handelsexpertin. Allerdings bleibt die Frage offen, wessen Produktionskosten gemeint sind, denn auch bei gleichen Umwelt- und Klimastandards unterscheiden sich die Produktionsaufwendungen zwischen den Betrieben zum Teil erheblich.
Für die Vorsitzende des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft Tina Andres ist die Richtung der Unterstützung klar: Landwirte produzieren für Bauern biologisches, gesundes, bezahlbares, nicht gentechnisch verändertes, regional und faires Essen. Die anderen Formen der nachhaltigen Landwirtschaft könnten sich ausgeschlossen fühlen.
Lesestoff:
Interview mit Saskia Richartz 2021: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wir-haben-es-satt-mit-digitalem-protest.html
Roland Krieg; Grafik: „Wir haben es satt“
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