Sie haben es satt!
Landwirtschaft
Agrarwende-Demo zur Grünen Woche
Schon im letzten Jahr kamen zur Demonstration „Wir
haben es satt!“ mit 10.000 Menschen viel mehr als von den Organisatoren
erwartet. Am kommenden Samstag rechnen sie mit 22.000 Teilnehmern, die ihren
Unmut über die Landwirtschaft äußern. Vor dem Reichstag wird am Ende der
Demonstration eine Skulptur enthüllt, die derzeit über viele Stationen auf dem
Weg nach Berlin ist.
25 Trägerorganisationen, 55 unterstützende
Organisationen und zehn Fördermitglieder bringen ihren Protest auf die Straße
und fordern eine bäuerliche und gesunde Landwirtschaft. „Die Politik wird vom
Kapital oder von der Straße bestimmt“, erläutert Friedrich-Wilhelm Graefe zu
Baringdorf, Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft bäuerliche Landwirtschaft
(AbL), auf der Auftaktpressekonferenz in Berlin. Mit dem Demonstrationszug soll
der Druck von der Straße erhöht werden, weil die Politik zu wenig unternehme.
Sie folge der industriellen Agrarlobby, die nach Baringdorf Milliarden
verdiene: „Die Gentechnikindustrie, die Großgenossenschaften, Exporteure und
Importeure und die Pharmaindustrie füllen sich die Taschen.“
Und während der Agrarindustrielle lediglich an die Dividenden
denke, wirtschafte der Bauer in der Region, in der er auch wohnt und investiert,
ergänzt Martin Morisse vom Bundesverband Deutscher Milchviehhalter (BDM).
Eine radikale Wende
Das Thema Antibiotika ist für die Organisatoren lediglich
ein Beispiel für die Auswüchse der industriellen Tierproduktion. Die Pläne zur
Reduzierung des Antibiotikaeinsatzes von Bundeslandwirt-schaftsministerin Ilse
Aigner ist nach Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, nur
ein „Herumdoktern“ und verkenne die Ursachen. Schweineschwänze werden kupiert,
Schnäbel von Geflügel gekürzt und Ferkel nur deswegen kastriert, damit die
Tiere in die modernen Haltungssysteme passten.
Daher muss eine grundsätzliche Wende in der Tierhaltung
her, erklärt Morisse. Schröder spezifiziert: Bestandsobergrenzen, Tierzucht
nach ökologischen Aspekten wie Robustheit und artgerechtes Wachstum, sowie eine
regionale Futterversorgung.
Europa trage nach Stig Tanzmann, Agrarexperte des
evangelischen Entwicklungsdienstes, auch eine internationale Verantwortung.
Sowohl der Export von Agrarprodukten, der die Märkte in den Entwicklungsländern
störe, als auch der Import von Biomasse, der zu Verzerrungen im Umweltbereich
führe, müsse reformiert werden.
Handel und Verbraucher
Ansprechpartner und Unterstützer sind Handel und
Verbraucher. Reinhild Benning vom BUND erläuterte am Beispiel der
Eierkennzeichnung, wie sich etwas verändern kann. Seit dem Verbot der
Käfighaltung haben die deutschen Bauern auf alternative Haltungsformen
umgestellt, die Verbraucher an der Kennzeichnung auf dem Ei erkennen können.
Auch wenn das bei den Industrieeiern für Bäckereien und Lebensmittelverarbeiter
noch nicht zufriedenstellend gelöst ist, so habe aber die Kennzeichnung und die
Wahlfreiheit der Verbraucher zu Veränderungen in der Haltungspraxis geführt,
sagte sie zu Herd-und-Hof.de.
Thomas Schröder sieht ergänzend den Handel in der
Pflicht. Wie sehr dieser mittlerweile Umwelt-, Arbeits- und Tierwohlaspekte
betone, zeige, dass die Themen dort angekommen sind. So wie der Handel früh
begann, die Käfigeier auszulisten, könnte er auch tierische Produkte nur nach
ausgewählten Kriterien in die Regale stellen. Schröder glaubt auch nicht, dass Verbraucher
durch zu viele Label überfordert sind. Auf den Produkten dürften ruhig zwei
oder drei Siegel vorhanden sein, so Schröder: „Die Versprechen müssen aber
stimmen!“
Lesestoff:
Alles zur Demo: www.wir-haben-es-satt.de
In Planung ist ein bundesweit zweistufiges
Tierschutzlabel, an dem auch der Deutsche Tierschutzbund mitarbeitet
Aspekte tiergerechter Nutztierhaltung auf der
DLG-Wintertagung
Wie viele Label braucht die Nachhaltigkeit?
Das Ei als Nagelprobe für den gesamten Tierschutz
Roland Krieg (Text und Fotos)
[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-12“ anzeigen lassen]