Situationsbericht 2005

Landwirtschaft

Licht und Schatten für die Bauern

> ?Unter dem Strich bleibt die wirtschaftliche Lage der deutschen Landwirtschaft weiter ausgesprochen unbefriedigend. Der Einkommensabstand zur gewerblichen Wirtschaft liegt bei etwa einem Drittel?, so fasst Bauernpräsident Gerd Sonnleitner im Vorwort des jetzt erschienenden Situationsbericht 2005 des Deutschen Bauernverbandes die Lage zusammen.

Deutschland ist Getreideland
Von den rund 17 Millionen Hektar landwirtschaftlich genutzter Fläche werden etwa 11,8 Millionen als Ackerfläche bewirtschaftet. Davon wuchs auf fast 7 Millionen Hektar Getreide mit Weizen als Leitkultur, gefolgt von Gerste, Roggen und Körnermais. Mit über 50 Millionen Tonnen Getreide fuhren die Bauern das höchste Ergebnis seit 1996 ein. Je Hektar wurden im Bundesdurchschnitt 72,4 dt geerntet. Schleswig-Holstein liegt mit einem Ertrag von 84,9 dt/ha an der Spitze und Brandenburg trägt mit 59,2 dt/ha die rote Laterne. Traditionelle Spätdruschgebiete litten allerdings in diesem Jahr unter niederschlagsbedingten Ernteverzögerungen. In der EU nimmt Deutschland mit 22 Prozent der Gesamterzeugung des Binnenmarktes Platz zwei ein ? hinter den Franzosen, die 31 Prozent des europäischen Getreides erzeugten.
Auf den Weltagrarmärkten werden im kommenden Jahr stabile Preise erwartet. Das rasante Wirtschaftswachstum im asiatisch-pazifischen Raum führt zu einer verstärkten Nachfrage von Veredelungsprodukten wie Fleisch sowie Obst und Gemüse. Bis 2013 werden rund 40 Prozent des weltweit geernteten Getreides verfüttert werden.

Preiswerte Nahrungsmittel
Die Bauern dürfen auch in diesem Jahr über eine weiter auseinander gehende Preis-/Kostenschere klagen. Vor allem bei Schlachtrindern, Milch und Obst sind die Erzeugerpreise zurückgegangen, während die Betriebsmittel sich leicht verteuert haben. Vor allem haben sich die Preise der Brenn- und Treibstoffe in den letzten zehn Jahren um die Hälfte verteuert. Im Schnitt verdient ein selbstständig tätiger Landwirt etwa 1.470 Euro ? Brutto! Davon muss der private Haushalt finanziert werden, die soziale Sicherung und die Eigenkapitalbildung des Betriebes.
Freuen dürfen sich dagegen die Verbraucher, denn mittlerweile liegen die Ausgaben für Nahrungs- und Genussmittel bei nur noch 16 Prozent des Einkommens. Miete, Wasser, Strom und Verkehr verbrauchen den meisten Teil des Geldes. Das war vor 30 Jahren noch anders, als für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren ein Viertel der Einkommen verbrauchten.
Der Situationsbericht belegt auch erneut, dass im Bereich der Nahrungsmittel der Euro kein Teuro ist. Der Vergleich der Verbraucherpreise jeweils zweieinhalb Jahre vor und nach Einführung des Euro betrachtet, zeigt klar, dass der Anstieg für Nahrungsmittel deutlich zurückgegangen ist (1,1 statt 3,0 Prozent). Bei alkoholfreien Getränken, Molkereiprodukten und Fleisch sind die Preise sogar gesunken.

Ökolandbau weiter im Trend
Anfang 2004 bewirtschafteten 16.476 Betriebe 734.027 Hektar nach den Kriterien der EU-Ökoverordnung. Das sind 4,3 Prozent der gesamten landwirtschaftlichen Nutzfläche in Deutschland. In 2003 lag das Wachstum bei 5,3 Prozent. Die meiste Ökofläche gibt es in Brandenburg, Hessen, Mecklenburg-Vorpommern und Baden-Württemberg. In der EU werden 5,5 Millionen Hektar Land ökologisch bewirtschaftet, was einem Anteil von 3,4 Prozent entspricht. Österreich ist mit 12,9 Prozent der Fläche am ökologischsten, gefolgt von Finnland mit 7,2 und Italien mit 6,8 Prozent. Weltweit sind 24 Millionen Hektar ökologisch bewirtschaftet, von denen 10 Millionen Hektar in Australien liegen. Argentinien nimmt mit 3 Millionen ha Platz zwei ein.
Das staatliche Bio-Siegel hat seit Einführung 2001 bereits 1.155 Unternehmen und 22.620 Produkte zertifiziert. Die damit verbundene Marktöffnung für Ökobauern aus anderen EU-Ländern hat für einen zusätzlichen Markt- und Preisdruck gesorgt. Denn trotz höherer Preise für Ökoprodukte im Lebensmittelhandel ist die Rentabilität der Betriebe nicht unbedingt gesichert.

Handels-Giganten
Der viertgrößte Gewerbezweig Deutschlands ist die Ernährungsindustrie, welche die landwirtschaftlichen Erzeugnisse schließlich be- und verarbeitet. 2003 lag der Umsatz bei 127,9 Milliarden Euro, wovon 101,5 Milliarden im Inland umgesetzt wurden. Im ersten Halbjahr 2004 lag der Umsatz bereits bei 63,5 Milliarden.
Trotz des fortschreitenden Konzentrationsprozesses in der Ernährungsindustrie, ist diese noch immer stark mittelständisch geprägt. 80 Prozent sind Familienunternehmen, die Kostensteigerungen kaum auf die Verbraucherpreise übertragen können.
Die mit abstand weltweit größte Einzelhandelskette ist Wal-Mart mit 233 Milliarden Euro Nettoumsatz. Die französische Carrefour liegt mit 61 Milliarden auf Platz zwei. Die umsatzstärkste deutsche Gruppe ist die Metro mit 46 Milliarden auf Platz fünf. Rewe liegt einen Platz vor Aldi auf Rang 10.
Wegen des starken Wettbewerbs liegen die Renditen mittlerweile nur noch bei 0,8 Prozent und gehören damit zu den niedrigsten in ganz Europa. Der Lebensmittelhandel verlangt ständig günstigere Konditionen von seinen Lieferanten. Ein einzelner Aufkäufer für Fleisch oder Milch und Molkereiprodukte handelt bereits Wochenpreise, Liefer- und Qualitätskonditionen für das gesamte Bundesgebiet aus.
Die Discounter gehören zur Zeit zu den Gewinnern im Lebensmitteleinzelhandel. ?Dauerniedrigpreise? bei einem schmalen Sortiment von maximal 1.44 Artikeln sind das Erfolgsrezept, Kundenwünsche nach niedrigen Preisen zu erfüllen. Ließen die Deutschen vor 10 Jahren 23,4 Prozent des Lebensmittelgeldes beim Discounter, so sind es heute bereits 38,4 %. Künftig kann die Hälfte des Lebensmittelhandels auf die Discounter entfallen. Allerdings ist auch der Trend des ?Geiz-ist-geil? zu Ende: Die zunehmende Zahl der Single-Haushalte und der steigende Anteil älterer Menschen fragen vermehrt Service, Qualität und ein größeres Sortiment nach. Der Deutsche Bauernverband verfolgt seit kurzem mit der Kampagne ?Lebensmittel sind mehr wert?, den Wert hochwertiger Nahrungsmittel wieder stärker in das gesellschaftliche Bewusstsein zu verankern.

Weltmarkt China
In einem besonderen Kapitel untersucht der Situationsbericht den Einfluss Chinas auf die Weltagrarmärkte. Bis 1830 war China mit 30 Prozent des Welt-Bruttosozialproduktes die führende Wirtschaftsnation. 1950 lag der Anteil bei nur noch 4,5 Prozent, wird jedoch bei dem derzeitigen Tempo 2030 wieder die zweitgrößte Wirtschaftsnation der Welt sein. Zwischen 1996 und 2003 wuchs die chinesische Wirtschaft um 90 Prozent. Das Exportvolumen betrug 2003 472 Milliarden US-Dollar und saugt mit jährlich 50 Milliarden US-Dollar die meisten ausländischen Direktinvestitionen auf. Trotzdem bleibt China mit 380 Millionen Erwerbstätigen in der Landwirtschaft ein Agrarland. 154 Millionen Hektar (16 Prozent der Landfläche) sind Ackerland von denen jährlich 400.000 Hektar vor allem wegen Baumaßnahmen verloren gehen. Experten schätzen die Zahl der ohne feste Verträge arbeitenden Landarbeiter auf 150 Millionen, von denen rund 80 Millionen als Wanderarbeiter unterwegs sind. 1979 verpachtete die Regierung erstmals Land an die Bauern. Ein Teil der Ernte musste abgeführt werden, allerdings durfte der Rest auf eigene Rechnung verkauft werden. Die Bauern waren die ersten Gewinner der Reform-Ära. Die Ernten stiegen und brachten der Landbevölkerung Wohlstand.
Trotzdem besitzt China nur 7 Prozent weltweiten landwirtschaftlichen Nutzfläche und muss damit 21 Prozent der Weltbevölkerung ernähren. Auf das Reich der Mitte wird die Hälfte des zusätzlichen Lebensmittelbedarfes entfallen. China wird Getreide verstärkt nachfragen und möglicherweise bereits im kommenden Jahr mehr Getreide zukaufen, als für die Devisenbeschaffung zu exportieren. Experten gehen von einem dauerhaften Bedarf von jährlich 30 bis 40 Millionen Tonne Getreide aus. Da China 2002 der WTO beigetreten ist muss auch in diesem Teil der Welt die Agrarprotektion reduziert werden.

roRo

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