Skepsis über Krisenhelfer in der Landwirtschaft

Landwirtschaft

Helfer ersetzen keine Fachkraft

Die Hilfsbereitschaft für die Landwirtschaft ist groß. Viele Menschen bieten ihren Einsatz bei der anstehenden Ernte im Obst- und Gartenbau an. Bundesländer haben eigene Vermittlungsportale geschaltet, „Das Land hilft“ ist ein Vermittlungsportal vom Verband der Maschinenringe und dem Bundeslandwirtschaftsministerium.

Viele Fachfremde bieten dort sehr gut gemeinte und notwendige Hilfen an. Für die Arbeit auf dem Feld, bei der Logistik und Vermarktung. Einige beschreiben, sie haben keine Berufserfahrung in der Landwirtschaft.

Die Hilfe kommt altruistisch  daher, nachdem das Bundesinnenministerium ein Einreiseverbot für Saison-Arbeitskräfte verhängt an. Ob die Hilfe wirklich eine Hilfe ist und ob die Anbieter sich über die anstehenden Aufgaben im Klaren sind, bezweifelt der Bundesverband der obst-, gemüse- und kartoffelverarbeitenden Industrie (BOGK).

Die Arbeiten haben die ausländischen Saisonarbeiter in den letzten Dekaden nicht umsonst übernommen. Zogen in den 1950er Jahren noch ganze Familienverbände mit der Hacke in Reih und Glied gegen das Unkraut zu Felde, findet sich heute kaum noch ein deutscher Arbeitnehmer, der es zwei Tage lang auf dem Gurkenflieger aushält. Von den geringen Verdienstmöglichkeiten trotz Mindestlohn ganz zu schweigen.

Die fehlende Hilfe auf dem Feld und im Stall haben Wanderarbeiter übernommen, die im Zeitablauf spezielle Fertigkeiten für einen qualitativen Arbeitsablauf erworben haben. In der Nähe von Frankfurt saugt die Fraport Wanderarbeiter und saisonale Hilfskräfte aus der Landwirtschaft ab. Für die Arbeit auf einem Milchviehbetrieb, müssen die Rumänen den  Ausbildungsgang „Low Stress Stockmanship“ durchlaufen. Dabei geht es um stressfreie Arbeit mit Mutterkühen, Milchvieh und Bullen. Nicht nur zum Tierwohl, sondern auch für die Arbeitssicherheit. Dabei lernen die Mitarbeiter, dass Tiere anders sehen als Menschen und können ihren Umgang entsprechend ändern.

Beim Spargelstechen gilt es, die Stangen „durch den Damm hindurch“ zu erkennen und beschädigungsfrei zu ernten. Fehler finden sofort einen Abschlag in der Qualitätssortierung. Zudem bedienen sie Spezialmaschinen vom Feld bis zur Verarbeitung, die Verbraucher oft genug noch nicht einmal kennen.

Das oft ausdauernde Arbeiten in neuen körperlichen Haltungen wird für die meisten Hilfs-Anbieter eine Herausforderung der eigenen Art werden.

Saison-Arbeitskräfte sind die unbekannten Ernteprofis, Sie können nicht einfach ersetzt werden. Beim BOGK liest das sich so: „Denn die Unternehmen verlassen sich auf speziell geschulte landwirtschaftliche Fachkräfte aus den Nachbarländern der EU. Diese kommen seit Jahrzehnten immer wieder in die gleichen Betriebe zurück und werden dort als Schichtleiter, Rohwarenexperten und in anderen unverzichtbaren Funktionen eingesetzt. Auch in der Verarbeitungsindustrie selbst geht es nicht ohne diese Fachleute“

Der Verband der handarbeitsintensiven Landwirtschaft und des Gartenbaus begrüßt und respektiert die angebotene Hilfe. Der Vorsitzende Konrad Linkenheil aber sagt: „Wir müssen davon ausgehen, dass das nicht reichen wird.“ Immerhin. Viele Menschen bekommen über ihre Hilfsangebote einen Einblick in die Landwirtschaft und können demnächst auch die Arbeit der Saison-Arbeiter wertschätzen lernen.

Die 125 Unternehmen der verarbeitenden Branche im BOGK verarbeiten überwiegend regional angebaute Rohwaren, die jetzt gesät und gepflanzt werden müssen, damit sie von Juni (Gurken, Erbsen, Bohnen, Kartoffeln) bis November (Kohl) geerntet werden können. Die Branche beschäftigt 23.000 Stammarbeitskräfte und 20.000 Saisonarbeitskräfte während der Ernte. Die Vertragslandwirte, von denen die Unternehmen ihre Rohware beziehen, benötigen weitere 60.000 Erntehelfer. Der Umsatz der Branche beträgt 7,4 Mrd. Euro pro Jahr.

Roland Krieg

© Herd-und-Hof.de Nutzungswünsche: https://herd-und-hof.de/impressum.html

Zurück