Small solutions for small Farmers
Landwirtschaft
Landtechnikindustrie fährt zweigleisig
Mit einem Graphitfarbenen „schwarzen Riesen“ ist der Technikkonzern AGCO auf der Agritechnica präsent. Der Korntank im neuen Riesenmähdrescher fasst unglaubliche 17.100 Liter. Und dennoch ist die Agritechnica auch eine Technik für die Kleinbauern auf der Welt. Mehr als 500 Millionen Kleinbauern ernähren gerade sich selbst und sollen teilhaben an der Welternährung, die künftig fast zehn Milliarden Menschen satt zu kriegen hat. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ist also auf der Agritechnica nicht am falschen Ort. Wissen und Technologie, alle Menschan satt zu bekommen, sind vorhanden. „Wir müssen es wollen“, mahnt Müller die Politik. „Zusammern mit der Klimafrage ist die Welternährung eine Frage des Überlebens“, sagte er auf dem gemeinsamen Forum von DLG und BMZ. Die weltweite Landwirtschaft brauche eine grüne Revolution von unten. Und das sehr dringend, denn pro Jahr gehen der Welt durch Versalzung, Betonierung und Ausdehnung der Wüste sechs Millionen Hektar fruchtbaren Ackerlandes verloren. Mit Blick auf die diesjährige Agritechnica müsse auch die Landwirtschaft im Süden digitaler werden.
Ein Smartphone gibt es schließlich auch in Äthiopien überall, ergänzt Joachim von Braun von der Universität Bonn. „Das Problem Hunger ist komplexer geworden“, blickt er auf die jahrzehntealten Entwicklungsagenden zurück. Ein großer Teil junger Landwirte wolle nur unter bestimmten Umständen den Betrieb der Eltern übernehmen: „Die Ideologisierung der Kleinbauern ist der falsche Weg!“. Die Versorgung der Welt wird ohne Strukturwandel nicht funktionieren. Das heiße aber auch nicht das Loblied auf Großbetriebe zu singen. Wenn der durchschnittliche Subsistenzbetrieb von 0,5 auf 5 Hektar vergrößert, wird die Landwirtschaft interessant: Die Bauern können Geld am Markt verdienen und ein Minimum an Technologie macht die Arbeit leichter.
Ohne Innovationen wird die benötigte Agrarrevolution nicht funktionieren. Die müsse aber auch außerhalb in der Ökonomie und Politik stattfinden. Die meisten Kleinbauern müssen mit schlechter Saatgutqualität arbeiten. Für zertifiziertes Saatgut braucht die Landwirtschaft einen Rahmen, in dem gezüchtet und getestet wird sowie ein Monitoring abläuft [1]. Von Braun spricht sich auch für den Nutzen des modernen Genom Editing aus. Für dessen faire Verwendung braucht es ein ordentliches Regelwerk.
Die Agritechnica ist der richtige Thinktank für große und kleine Lösungen. Nicht umsonst hat die DLG das diesjährige Leitbild „Green Future – Smart Technology“ herausgegeben, erläuterte ihr Präsident Carl-Albrecht Bartmer. In den 1970er Jahren folgte die Entwicklungshilfe dem Pfad, mehr Land unter den Pflug zu bekommen. Mittlerweile steht die Innovation in die Faktorproduktivität ganz oben auf der Forschungsagenda. Damit wird der Ertrag anhand eines oder aller eingesetzten Produktionsfaktoren bemessen. Der Input pro Flächeneinheit geht zurück.
Jedes Land hat seine individuelle Grundausstattung von Arbeit, Kapital und Fläche. Die Modernisierung kann immer individuelerl zugeschneidert werden. Die DLG geht die Umsetzung auch praktisch an. Sie schmiedet mit Feldtagen und Innovationswettbewerben Netzwerke von Landwirten, die ihre Erfahrungen horizontal austauschen. Ein neues Konzept. Denn das alte mit dem Topdown-Angebot von Innovationen durch den Staat darf nach Dekaden der Erfolglosigkeit als gescheitert gelten.
Auch die Landtechnik hat gelernt. Der AGCO-Konzern bietet Großtechnik für die Landwirtschaft in der Ukraine und Russland an, aber auch Lösungen für kleine Betriebe in Afrika. Vom Werk in Algerien aus hat AGCO auch ein kontinentalweit agierendes Ersatzteil-Piratennetzwerk institutionalisiert. Fehlende Ersatzteile sind eines der größten Probleme der Mechanisierung, stellt Dr. Martin Richenhagen. Die meisten Teile, teils in Eigenproduktion gefertigt, werden länderübergreifend gehandelt. Auf dieses Netzwerk surft die Mechanisierungswelle auf dem Kontinent. AGCO bildet auch aus, damit Mechanisierung dauerhaft erhalten bleibt. In Sambia hat das Werk eine Pilotfarm für neue Einsatztechniken. Das Engagement in Afrika kommt nicht von ungefährt. Afrika hat die weltweit meiste Ackerfläche, die ungenutzt oder deren Potenzial nicht ausgeschöpft ist. Afrika hat nicht nur die Möglichkeit, sich selbst zu ernähren, sondern kann zum Brotkorb der Welt werden.
Lesestoff:
[1] Saatgutsicherheit ist Ernährungssicherheit: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/food-security-only-with-seed-security.html
Roland Krieg