So wird das nichts mit dem Bio-Ministerium

Landwirtschaft

Die Realität hat die Wunschminister schon eingeholt

Nicht nur Renate Künast scheiterte an dem Ziel innerhalb von zehn Jahren 20 Prozent  Bio auf die Fläche zu bringen. Sie wäre auch heute nach 20 Jahren noch gescheitert. Die Biobranche hat es gerade auf zehn Prozent der Fläche geschafft.  Es hilft auch nicht, wenn 2021 eine Fläche in der Größe Berlins umgestellt wurde. Für das Ziel 30 Prozent Bio bis 2030 müsste der Ökolandbau jedes Jahr 400.000 Hektar neu umstellen. Berlin ist gerade 90.000 Hektar groß.  Die Wünsche aus dem Land- und Umweltministerium der aktuellen Ampelkoalition bekommen ausgerechnet aus ihrer Leitmesse, der Nürnberger BioFach die Grenzen aufgezeigt.

Die Vervierfachung der Umstellungsgeschwindigkeit geht auf natürlichem Wege schon deshalb nicht, weil das Ministerium Verbesserungen in kleinen Schritten ablehnt. Die Parlamentarische Staatssekretärin Ophelia Nick sprach am Freitag im Bundesrat lieber von einem Gesamtpaket, dessen erster Schritt, die verpflichtende Haltungskennzeichnung nicht vor Sommer aufgestellt sein wird [1]. Von der Finanzierung des Umbaus der Tierhaltung ganz zu schweigen.

Die aktuellen Zahlen

Das Messedoppel BioFach und Vivaness ist in den Sommer geschoben. Dennoch gab es am Dienstag die Sneak Preview mit den aktuellen Zahlen im virtuellen Angebot. Darauf kann Bundesminister Cem Özdemir durchaus stolz sein: „Bio-Lebensmittel erfreuen sich weiterhin steigender Beliebtheit. Nach einem Hoch im ersten Corona-Jahr ist der Umsatz mit Bio-Produkten in 2021 weiter um 5,8 Prozent auf 15,87 Milliarden Euro gestiegen. Der Bio-Anteil am Lebensmittelmarkt erhöht sich damit nach vorläufigen Schätzungen von Marktexperten auf 6,8 Prozent.“ Von den 30 Prozent Bio im Regal sind die Daten aber weit entfernt [2]. Özdemir begeht den gleichen Fehler wie seine Vorgänger: „Mit Blick auf die Zukunft schätzen sogar 47 Prozent der Befragten, dass sie häufig (41 Prozent) oder ausschließlich (6 Prozent) Bio-Lebensmittel erwerben werden.“

Der Trend bleibt

Die Analyse des Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft für das Jahr 2021 sieht aber durchaus erfolgreich aus.

Landwirtschaft: Jeder 7. Hof wirtschaftet ökologisch, insgesamt 35.716 Höfe in ganz Deutschland. Im Jahr 2021 stellten 320 Betriebe auf Bio um, 13,6 % aller Höfe in Deutschland sind Bio-Betriebe. Mit den neuen 81.762 ha im Jahr 2021 beträgt die gesamte Öko-Fläche jetzt 1.784.002 ha. In den letzten sechs Jahren stellten die heimischen Öko-Betriebe über eine halbe Million Hektar Landwirtschaftsfläche um. Das 2021-Flächenplus von 4,8 % sorgte für zusätzliche 81.762 Bio-Hektar. Allein die von den Bio-Verband-Höfen beackerten Flächen summierten sich auf 1.142.022 ha (+ 5,4 %) und machten rund zwei Drittel der gesamten Öko-Fläche aus.

Bio-Lebensmittelherstellung: Auch die Öko-Herstellung entwickelte sich weiter. 7 % mehr Bio-Lebensmittelhersteller, -Abpack- und Gastronomiebetriebe stärkten regionale Wertschöpfungsketten. Insgesamt 17.350 Unternehmen in dem Bereich sorgten für gute, sichere Arbeitsplätze und vielfältiges Essen. Seit 2015 stiegen 24 % mehr Betriebe in die Bio-Verarbeitung ein. Gleichzeitig schrumpfte in der Bundesrepublik die Anzahl der Mühlen, Molkereien oder fleischverarbeitenden Betriebe weiter. Eine BÖLW-Umfrage zeigt: Bio-Hersteller setzen verstärkt auf heimische Rohstoffe und pflegen regionale Zusammenarbeit. Wo andere abbauen, baut Bio-Wertschöpfung und Ernährungskultur auf.

Bio-Marktentwicklung: 2021 gaben die Deutschen 15,87 Mrd. €* (+ 5,8 %, 2020: 14,99 Mrd. €) für Bio-Lebensmittel und -Getränke aus. Die Verkaufsmengen stiegen um bis zu 5 %. Der Bio-Markt blieb nach dem Rekordjahr 2020 weiter stark in einem stagnieren Gesamtmarkt für Lebensmittel.

Topseller: Die Nachfrage nach Öko-Fleisch, -Milchalternativen und -Butter stieg 2021 besonders mit Umsatz-Wachstumsraten zwischen 27 und 14,6 %. Der Bio-Anteil am Gesamtmarkt erreichte bei Pflanzendrinks 62,4 %, bei Fleischersatz 26,6 %, Eier stiegen auf knapp 17 %, Mehl auf über 15 %. Der Bio-Anteil am deutschen Lebensmittelmarkt erhöhte sich auf vorläufige 6,8 %.

Was geht noch?

Märkte werden gemacht. Wenn Verbraucher nicht von selbst zu Bio greifen, dann kann der Staat es tun. Mit einer Ökoverpflegung der öffentlichen Kantinen steht der Regierung ein eigener Markt zur Verfügung, auf den sie direkt Einfluss haben. En ist die Ampel gewillt zu nutzen.

Ansonsten aber weiß die BÖLW-Vorsitzende Tina Andres. „Damit 30 % der Landwirtschaft ökologisch werden, braucht es bis 2030 jedes Jahr 12 % mehr Öko-Fläche. Und es muss dafür gesorgt werden, dass die Waren der Höfe auch ihre Abnehmerinnen und Abnehmer finden.“ Die Politik kann die Rahmen setzen, wie Peter Röhrig vom BÖLW es einfordert. Aber: Bei den hohen konventionellen Erzeugererlösen verliert der Ökolandbau seine relative Vorzüglichkeit.

Bioland-Forderungen

„Denn auch die Entwicklung der Flächen- und Betriebszahlen in der Bio-Branche insgesamt zeigt, dass die reale Entwicklung in der Umstellung nicht die Erwartungen erfüllt – und das, obwohl generell das Umstellungsinteresse auf Bio unter den Betrieben steigt. Dies hängt nicht zuletzt mit den unsicheren Rahmenbedingungen bei der EU-Agrarpolitik und vielen weiteren offenen rechtlichen Fragestellungen zusammen.“ Das teilt der Bioland-Anbauverband mit.

Gerald Wehde ist Geschäftsleiter Agrarpolitik bei Bioland und stellt gleich zehn konkrete Forderungen an die Politik:

Neuer Aktionsplan für 30-%-Bio-Ziel / Stärkung des Ökolandbaus bei der nationalen Umsetzung der GAP / Mehr Forschungsmittel für den Ökolandbau / Neues Konzept für die Tierhaltung / Neuer Ausbildungsberuf Ökolandwirt*in / Verbindliche Bio-Quote in der öffentlichen Beschaffung / Erhalt der Wahlfreiheit bei Gentechnik / Abgaben auf synthetische Pestizide und Düngemittel / Sicherung der Öko-Freilauf-Schweinehaltung / Weiter gegen unfaire Handelspraktiken vorgehen.

Bioland selbst hat 2021 273 Betriebe hinzubekommen und bewirtschaftet in Deutschland und Südtirol mit insgesamt 8.777 Betrieben 500.000 Hektar.

Plus auch in Europa …

Das Forschungsinstitut für biologischen Landbau hat die weltweiten Zahlen vorgestellt. In Europa ist der Umsatz mit 15 Prozent auf 52 Milliarden Euro angewachsen.  

2020 wurden in Europa 17,1 Millionen Hektar biologisch bewirtschaftet; in der Europäischen Union 14,9 Millionen Hektar. Mit fast 2,5 Millionen Hektar ist nun Frankreich der neue Spitzenreiter, gefolgt von Spanien (2,4 Millionen Hektar) und Italien (2,1 Millionen Hektar).

Die Biofläche nahm in der Europäischen Union um über 0,7 Millionen Hektar zu, was einem Zuwachs von 5,3 Prozent entspricht. Das Wachstum im Jahr 2020 war langsamer als im Jahr zuvor, aber dennoch höher als zu Beginn der 2010er Jahre. Im Jahr 2020 kamen in Frankreich 307’000 Hektar Biofläche hinzu, in Italien 102’000 und in Deutschland 88’000 Hektar hinzu.

Der europäische Biomarkt verzeichnete 2020 ein sehr starkes Wachstum von 15,0 Prozent. Das größte Wachstum wurde in Deutschland (22,3 Prozent) erzielt. Im Jahrzehnt 2011-2020 hat sich der Einzelhandelsumsatz in Europa und der Europäischen Union mehr als verdoppelt. Die 2020er Marktzahlen mit vielerorts zweistelligen, also wesentlich höheren Zuwachsraten als in der Vergangenheit, zeigen, dass sich die Pandemie positiv auf den Biomarkt auswirkte. Gründe hierfür waren, dass die Menschen sich vermehrt zu Hause verpflegten und die Themen Gesundheit, Umwelt und Klimawandel an Bedeutung gewonnen haben. Falls sich dieser Trend fortsetzt, müssen Produktion und Verarbeitung nachziehen.

Die Ausgaben für Biolebensmittel haben sich seit 2011 mehr als verdoppelt und liegen innerhalb der EU bei 102 Euro je Kopf und Jahr.

… und der Welt

Ökologische Landwirtschaft wird in 190 Ländern von 3,4 Millionen Landwirten betrieben. Rund 75 Millionen Hektar sind ökologisch bewirtschaftet. Der Weideland-Gürtel Ozeanien steht nach wie vor mit 36 Millionen Hektar auf Platz eins. Nach Europa folgt bereits Südamerika mit zehn Millionen Hektar vor Asien mit 6,0 Millionen Hektar. 2021 ist die Fläche weltweit um 4,1 Prozent und drei Millionen Hektar angewachsen. Das Ackerland umfasst 13,1 Million Hektar und ist etwas größer als das das Ackerland in Deutschland (12 Millionen Hektar).

Lesestoff:

[1] Nachhaltige Nutztierhaltung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/nachhaltige-nutztierhaltung.html

[2] Auch die Biolandwirtschaft leidet unter den hohen Inputkosten und ist in wirtschaftliche Unterdeckung ihrer Betriebsergebnisse geraten. Ohne Förderung und ohne eine deutliche Steigerung der Biopreise folgt Deutschland bald den Rückumstellern in Frankreich, wo zügelloses Wachstum ohne Berücksichtigung des Marktes am Limit ist. Mehr dazu gibt es im Leseclub 06/2022 in der Rubrik Marktplatz: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/herd-und-hof-leseclub.html

Roland Krieg

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