Stadt – Land – Landwirtschaft

Landwirtschaft

Enkelfreundliche Zukunft mit oder ohne Landwirte?

Die Aktionsnachricht der Woche kam per Autoradio auf dem Weg zur BioFach in Nürnberg. Dass es im Freistaat Bayern ein Volksbegehren zur Artenvielfalt gegeben hat, war bei vielen Berufskollegen eine Pflichtnachricht. Ernst genommen hat sie kaum jemand. Das die für den Erfolg notwendige Zehn-Prozent-Hürde bei den Unterschriften vorfristig erreicht wurde und Ministerpräsident Markus Söder gleich in der nächsten Woche zu einem Runden Tisch Artenvielfalt eigeladen hat, kommt zum Start der BioFach genau richtig. Die Bienen als Symbol für eine umweltgerechte Landwirtschaft haben einmal mehr ihren Dienst geleistet.

Das ist äußerst lehrreich. Erstens: Die ökologische Landwirtschaft bezeichnet sich als enkeltauglich und wird im Rahmen der BioFach verschiedene Veranstaltungen dazu durchführen. Foodsharing-Pioniere, Postwachstumspioniere und Klimaaktivisten stellen sich auf einer Podiumsdiskussion. Das Thema Landwirtschaft ist längst den Höfen entwachsen und wird von Städtern nicht nur diskutiert, sondern mitgestaltet.

Zweitens: Die Urbanisierung entwickelt neue Stadt-Umland-Beziehungen mit Aktivitäten, die sich auch in einem ländlich geprägten Freistaaten positionieren. „Mehr Bio – mehr Region – mehr Zukunft“ lautet das BioFach-Motto der Ernährungswende. Dabei geht es um tragfähige Verbindungen zwischen städtischen und ländlichen Räumen, bei denen die städtischen Bewohner ihre Vorstellungen benennen und einfordern. Ein junges Politikfeld, bei dem Städte allerdings bereits vor 70 Jahren das Land für die Themen Verbraucherschutz, Umwelt und Landwirtschaft zum Zweck der Ernährungssicherung definierten. Stephanie Wunder vom Ecologic Institute Berlin spricht von Augenhöhe zwischen Stadt und Land – bei laufender Verschiebung aller Themenschwerpunkte in Richtung Stadt. Brasilien stellt die Sicherung von erschwinglichen Lebensmitteln für die arme Bevölkerung in den Fokus, Kanada die Widerstandsfähigkeit der Versorgungssicherheit bei Starkregenereignissen und Stromausfällen, Amsterdam die Versorgung übergewichtiger Kinder und Kopenhagen die Qualitätssicherung des Grundwassers. Seit 2015 kümmern sich die Bürgermeister der Welt um den „Urban Food Policy Pact“. Der Erhalt von Bienenweiden gehört in  Deutschland dazu. Das hat das Volksbegehren erfolgreich gemacht.

Drittens: Die Landwirte verlieren ihr Selbstverständnis, die Menschen zu ernähren. Städter kümmern sich selbst darum. Der Bayerische Bauernverband agierte gegen das Volksbegehren mit dem Hinweis auf den kooperativen Naturschutz. Fast 40 Prozent der Fläche werden in Bayern nach Vorgaben des Landschaftsschutzes bewirtschaftet. Die Landwirte bekommen für diese öffentliche Aufgabe öffentliche Gelder. Doch so viele Landwirte wie bei dem Artenvielfaltsbegehren kommen heute nicht mehr zusammen.

Viertens: Die Biene als Symbol hat ihre Aufgabe erreicht. Eine gute Marketingstrategie, die bei dem im letzten Jahr gestoppten Volksbegehren gegen den Flächenfrass genauso sinnvoll gewesen wäre. Die Biene würde ihren Stachel mehr als verbiegen, stößt sie auf Beton, Asphalt oder Kieselsteine. Wo Fläche versiegelt wird, geht Ackerboden verloren, die Natur und damit ebenfalls die Artenvielfalt. Das bayerische Volksbegehren „Betonflut eindämmen“ und den täglichen Flächenverbrauch auf fünf Hektar zu begrenzen, wurde vom Bayerischen Verfassungsgerichtshof gestoppt. Trotz der eingesammelten erforderlichen Unterschriften. Das Volksbegehren würde die Planungshoheit der Kommunen einschränken. Dabei liegt Bayern mit einem Flächenverbrauch von mehr als 12 Hektar am Tag bundesweit sogar an der Spitze.

Söder sollte sich an diese Option erinnern, wenn den Bienen wieder mehr Platz gegeben werden soll.

Roland Krieg

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