„Ständig Mist und ständig Schummelei“

Landwirtschaft

Keine Lust auf Großbetriebe

Brandenburg ist ein besonderes Land. Mit durchschnittlich 210 Milchkühen besitzt das Land die bundesweit größten Milchviehbestände. Dennoch geht die Zahl der Rinder nach Angaben des aktuellen Agrarberichtes ständig leicht zurück. Lediglich bei Schweinen ist der Bestand zwischen 2008 und 2011 von 732.000 auf 835.000 angestiegen. Dennoch hat das Bundesland nur einen Viehbesatz von durchschnittlich 0,5 Großvieheinheiten je Hektar, wobei standortangepasst ein Wert von zwei als akzeptabel gilt. Es ist also noch viel Luft nach oben. Vor allem, weil der große Absatzmarkt Berlin in der Mitte liegt und Regionalität hoch im Kurs steht. Nur jedes vierte Schnitzel in Berlin stammt aus Brandenburg, bei den Eiern gibt es ein statistisches Lieferdefizit von 40 Prozent.

Brandenburg hat noch eine andere Besonderheit: Die Zahl der landwirtschaftlichen Unternehmen ist von 6.914 Betrieben im Jahr 2001 auf 5.566 im Jahr 2010 zurückgegangen. Eine Umschichtung hat es gegeben: Die Genossenschaften schrumpfen auf Kosten der Kapitalgesellschaften. Teilweise werden sie umgewandelt, teilweise werden Betriebsteile ausgegründet. Immer weniger Betriebe mit rückläufigen Tierzahlen bilden im Bundesland einen Strukturwechsel ab. Der Anteil der Betriebe mit mehr als 1.000 Hektar ist zwischen 2003 und 2010 von 5,6 auf 6,4 Prozent angestiegen. Der Anteil der Betriebe mit weniger als 50 Hektar sank im gleichen Zeitraum von 61,5 auf 52,3 Prozent. Aber schon der Anteil der Betriebe mit 50 bis 200 Hektar stieg wiederum von 16,6 auf 20,3 Prozent.

Eggersdorf, Steinhöfel …

Von Kleinbetrieben mit regionalen Strukturen ist Brandenburg weit entfernt. Wenn neue Betriebe entstehen, dann fügen sie sich dem allgemeinen Trend ein. So wie der geplante Schweinemastbetrieb in Eggersdorf bei Müncheberg. Rund 10.000 Mastplätze sollen es sein. Die in der Nähe gelegene Komturei Lietzen plant in Steinhöfel Anlagen für eine Hähnchenmast von 430.000 Tieren. Im Mai 2012 hat sich die Bürgerinitiative (BI) Müncheberg gegründet und die Vorsitzende Marga von Tankeren berichtete in dieser Woche, wer sich dahinter verbirgt.

Die BI vereint betroffene Anwohner und Landwirte, die sich von Lärm, Geruch und der Keimbelastung belästigt fühlen, aber auch Vegetarier und Veganer, die generell gegen die Haltungsanlagen sind. Die BI habe einen Minimalkonsens gefunden, aktiv zu werden: „Wir sind mit der Art der Tierhaltung nicht zufrieden.“

„Infotour“ auf Wählerfang

Van Tankeren nutzte die Gelegenheit der Bundestagsfraktion Bündnis 90 / Die Grünen mit Betroffenen am Mittwochabend in Müncheberg über die Befindlichkeiten zu sprechen. Rund 50 Kilometer östlich des Reichstages wird anders über Tierhaltung und Verbrauchersicht diskutiert als im Plenum des Bundestages. Friedrich Ostendorff, agrarpolitischer Sprecher der Bundesgrünen, versteht die Infotour „Artgerecht statt massenhaft“ durchaus als Werbung nach der Wahl in Niedersachsen und für die Landtagswahl in Brandenburg im Jahr 2014.

Es sind keine „Öko-Träumer“, die sich in Müncheberg versammelt haben. Dagegen wehrt sich Frau van Tankeren. Sie verwahrt sich daher auch gegen den Schwarzen Peter, der Verbrauchern zugeschoben wird, weil sie Broiler für 1,99 Euro kaufen. Die Vielzahl an Siegeln mache es den Kunden unmöglich, zu entscheiden, welches Siegel hält, was sich Verbraucher von ihm versprechen. Der Preis könne kein Parameter für Glaubwürdigkeit sein. Liegt die Schwelle zum Murks bei 1,20, bei 1,70 oder bei 2,20 Euro?

Daher sind die versammelten Verbraucher und Landwirte auch keine reinen Protestler. Das wäre zu kurz gegriffen. Van Tankeren bringt es auf den Punkt: Vor Ort stimmt die Kommunikation zwischen Verbrauchern und Landwirten nicht mehr. Die Errichtung von großen Tierhaltungsanlagen dringt in den Lebensalltag der Dörfler ein. Vor dem Hintergrund der Betrügereien mit Bioeiern und Pferdefleisch fasst eine Verbraucherin ihren Unmut auf die folgende Formel zusammen: „Ständig Mist und ständige Schummelei!“ Die großen Tierhaltungsanlagen erfüllen per se nicht die Sehnsüchte der Verbraucher und Wähler.

Daher ist die Veranstaltung der Grünen chirurgisch präzise gesetzt. Ostendorff gibt zu, dass er nicht die Stimme der einzelnen Bauern brauche, sondern die Stimme des Dorfes. Da haben sich die Grünen auf einen langen Marsch begeben. Während sie in fünf westlichen Bundesländern bereits das Landwirtschaftsministerium führen und auf eine Tradition von Regierungsbeteiligungen zurückblicken können, spielen sie im Osten hinter den Linken nur die zweite Rolle. Deshalb sind die nicht-schwarzen Landwirtschaftsministerien im Osten noch in roter Hand. Auch in Brandenburg, dessen Landwirtschaftsministerium die Einladung zur Bürgerversammlung nicht angenommen hat. Damit hat es ein Stimmungsbarometer auf dem Land verpasst.

Welche Bauernvertreter?

Henrik Wendorff hat als Vizepräsident des Landesbauernverbandes (LBV BB) die Einladung angenommen. Ein schwerer Stand; komplexe Zusammenhänge von Tiergesundheit und Betriebsgröße zu erklären brauchen mehr Zeit als eine Versammlung. Solange der LBV BB große, gewerbliche Tierhaltungen mit Vorteilen konventioneller Betriebe, die sich an die Gute Fachliche Praxis halten, verteidigt, hören die Gäste keine Differenzierungen mehr zwischen beiden Betriebsarten heraus.

Wendorff unterstreicht zwar die Kritik, dass Gemeinden keinen Einfluss mehr auf die Planung haben – leidet aber unter einer anderen Besonderheit in Brandenburg: Der Landesbauernverband als Teil des Deutschen Bauernverbandes (DBV) vertritt zwar mehr als die Hälfte der Fläche, ab lediglich ein Drittel der Bauernschaft. Der Bauernbund, die ökologischen Landwirte und freien Bauern reden bei der Stimmverteilung auf dem Land zu einem großen Teil mit. Und die waren da!

Roland Krieg

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