Stalleinbruch: Sie taten es wieder
Landwirtschaft
Stalleinbruch: Koalitionsvertrag unter Rechtfertigungsdruck
Pünktlich zu Ostern haben Tierrechtler Filmmaterial über verwesende Hennenkadaver aus einem Legehennenstall im Kreis Recklinghausen veröffentlicht. Kleiner Bestand mit 4.500 Legehennen. „Zu solchen Bildern kann es in jedem Eier-Betrieb kommen. Egal ob Boden-, Freiland oder Biohaltung“ sagte Tierretter Christian Adam.
Ja. Tote Tiere gehören zur Nutztierhaltung dazu. In der konventionellen wie auch der ökologischen Tierhaltung. Das weiß der Autor aus seinen eigenen Erfahrungen in Milchvieh- und Schweineställen in Europa und Asien. Verwesende Tiere gehören aber nicht dazu. Diese Unterscheidung ist den meisten Verbrauchern nicht geläufig. Doch genau da verläuft die Grenze zwischen unvermeidbarem Nutztiertod in ordnungsgemäß geführten Ställen und „schwarzen Schafen der Tierproduktion“. Die Tierretter machen keinen Unterschied mehr und wollen die Tierhaltung in Gänze abschaffen, was ihnen mit solchen Bildern durchaus gelingen kann.
Die Bilder wurden den Tierrettern „zugespielt“. Dass hier ein professionelles Netzwerk agiert, dessen Zusatzgeschäft, neben der ideologisch geprägten Aussage jegliche Tierhaltung zu verbieten, auch das Einsammeln von Spenden ist, darf angenommen werden [1]. Das wird nicht mehr rückgängig zu machen sein.
Viel bedeutender ist die Auseinandersetzung über die Herkunft der Bilder. Sie werden bei einem Stalleinbruch aufgenommen. Die Branche beschwert sich zu Recht, dass aus Gründen der Eigentumswahrung, der Sachbeschädigung und möglicher Einschleppung von Krankheiten ein äußerst verwerfliches Tun zu Grunde liegt. Sie berufen sich auf den Paragraphen 123 des Strafgesetzbuches zum Hausfriedensbruch. Zu Recht.
Die neue Bundesregierung hat die Beschwerden im Koalitionsvertrag in der Zeile 4025 aufgenommen: „Wir wollen Einbrüche in Tierställe als Straftatbestand effektiv ahnden.“ Die Branche ist erleichtert!
Irrt aber; so wie auch die neue Bundesregierung einem großen Irrtum unterliegen könnte. Der Satz im Koalitionsvertrag ist maximal die halbe Wahrheit und verspricht deutlich mehr als möglich ist. Denn auch die Regierung bis hin zu den verantwortlichen Ressorts Agrar und Justiz wissen, dass die Demokratie in Deutschland auf Gewaltenteilung beruht. Die Justiz ist unabhängig und wird sich, hoffentlich, nicht einem Koalitionsvertrag beugen.
Das Landgericht Magdeburg hatte drei „Stalleinbrecher“ frei gesprochen, weil sie sich in einem „Rechtfertigenden Notstand“ befanden. Das ist Paragraph 34 des Strafgesetzbuches, der jedem Menschen erlaubt, eine Gefahr auch dann abzuwenden, wenn „bei Abwägung der widerstreitende Interessen, namentlich der betroffenen Rechtsgüter und des Grades der ihnen drohenden Gefahren, das geschützte Interesse das beeinträchtigte wesentlich überwiegt.“ Einfach ausgedrückt: Das Wohl der Tiere übersteigt hier das Recht auf Eigentum.
Kritik darf geäußert werden. Aber die Unabhängigkeit der Justiz darf nicht in Frage gestellt werden. Daher geht die Branchenkritik zu Stalleinbrüchen im Allgemeinen an dem Urteil vorbei. Aber auch im Speziellen. Erst diesen Februar hat das Oberlandesgericht Naumburg in einer Revision das Urteil aus Magdeburg bestätigt [2].
Ist die Öffentlichkeit vor Bildern verwesender Tiere zu schützen, sind Landwirte vor illegalen Filmaufnahmen zu schützen oder sind die Tiere vor solchem Haltungsmanagement zu schützen? Ist nicht auch die Mehrheit der ordentlichen Landwirte vor solchen schwarzen Schafen zu schützen?
Für die Tierrechtler ist der Fall klar: „Dieser Satz im Koalitionsvertrag ist ein Kniefall vor der Agrarindustrie, die verhindern will, dass sich die Menschen kritisch mit den Zuständen in den Tierställen auseinandersetzen.“
Der von den Gerichten zugebilligte Notstand folgt einer Begründung. Zu wenige und zu lasche Kontrollen, oft nur vorangemeldet, mit der Möglichkeit einer kontrollkonformen Herrichtung der Ställe. Weil die Kontrolle versagt, war der Stalleinbruch Ausnahmefähig. Solange in diesem Bereich keine Verschärfung vorliegt, wird es weiterhin auch professionell organisierte Stalleinbrüche geben.
Die Branche scheut sich, schwarze Schafe zu kennzeichnen, und leidet unter der Verallgemeinerung deren Handelns. Die Agrarwirtschaft hat sich, wie viele andere Branchen auch, auf das Hervorheben der „weißen Schafe“ spezialisiert. Das reicht auf Dauer nicht. Die Gesellschaft hat sich mit den sozialen Medien und einer neuen Generation gewandelt. Wenn die Branche das nicht selbst löst, muss die Politik die Lösung in den Griff bekommen. Nicht durch Ächtung der Stalleinbrüche. Sondern mit häufigeren Kontrollen, unangekündigt, einem dichterem Kontrollnetz und deutlichen sowie sofortigen Sanktionsmöglichkeiten. Über so eine Koalitionsaussage hätte sich die Branche der „weißen Schafe“ wirklich freuen können. Und die Gerichte müssten ausschließlich nach den Eigentums-Paragraphen 123 urteilen. Dann ist der Spuk schnell vorbei.
Lesestoff:
[1] Lässt das kranke Schwein die Spenden sprudeln? https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/ein-netzwerk-der-professionellen-tierretter.html
[2] 2 Rv 157/17 OLG Naumburg vom 22. März 2018 // 28 Ns 74/17 LG Magdeburg
Roland Krieg