„Stellen Sie die Zulassungsprobleme ab“

Landwirtschaft

Zulassungsaudit hat BMEL tief getroffen

Die Zahl der Wirkstoffe für den Pflanzenschutz werden immer weniger. Das liegt nicht nur an den steigenden Prüfanforderungen und der Kritik durch Umweltorganisationen, in Deutschland liegt es auch am System. Das Herbst-Audit der EU hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMEL) tief getroffen. „Wir wissen, dass wir mit den gesetzlichen Fristen ein Problem haben“,  sagte Dr. Thomas Schneider aus dem BMEL auf der Ackerbautagung des Deutschen Bauernverbandes. Innerhalb des Hauses gibt es eine klare Anweisung des Staatssekretärs: „Stellen Sie das Problem ab!“

Das ist aber nicht das einzige Problem des deutschen Zulassungsverfahrens. Es gibt vier Behörden, die ihr Plazet abgeben müssen und sich zwischen Agrar- und Umweltbereich aufteilen, so dass widersprüchliche Ansichten und Standardänderungen üblich sind und sich mehr blockieren als ergänzen. 250 Anträge stehen derzeit nach Fristüberschreitung noch aus, so Schneider. Selbst Anerkennungsverfahren von Wirkstoffen, die in anderen EU-Ländern längst zugelassen sind und Anwendung finden, sind noch nicht abschließend bewertet. Für die Landwirte ist das ein Wettbewerbsnachteil und die Forderung nach einer einzigen Zulassungsstelle im Agrarbereich, wie sie Wolfgang Vogel, Vizepräsident des DBV am Vortag erhob, ist verständlich.

Bis aber aus vier Behörden eine einzige gemacht werden wird, wird es noch eine Weile dauern. Die Zeit drängt, denn die Industrie hat sich bislang gegenüber den Verfristungen geduldig gezeigt, sagte Ursula Lüttmer-Ouazane von der amerikanischen Chemiefirma FMC Corporation, die sich nach den Fusionen in der Agrochemie auf den Weg zur Nummer fünf der Welt macht. „Es ist keine schöne Situation.“ Offenbar reicht es den Firmen, die für die Entwicklung eines neuen Wirkstoffes im Durchschnitt 11,3 Jahre und 250 Millionen Euro brauchen. Die Industrie bereitet Millionenklagen vor.

Die ersten Reformschritte seien eingeleitet worden, doch die Diskussion mit der Umweltseite gestaltet sich nach Worten von Dr. Schneider als „schwierig“. Es sei auch kein speziell deutsches Problem. Aber hier sei es „sehr krass“. Der Zwang zum Handeln resultiert auch aus einem drohenden Vertragsverletzungsverfahren der EU.

Lüttmer-Ouazane will die Schuld aber nicht nur bei den deutschen Behörden allein belassen. Noch bis 2018 werden 146 Altstoffe von der EU neu überprüft, von denen bislang nur drei Prüfungen abgeschlossen sind. In der Folge bis 2021 stehen 204 weitere Wirkstoffe auf der Prüfagenda. Die Sprecherin der Arbeitsgemeinschaft Glyphosat befürchtet ein vielfältiges Aus von Wirkmitteln. Der Brexit komme hinzu, denn Großbritannien habe sich bislang „pragmatisch“ gegenüber Zulassungsverfahren gezeigt. Ihr Fazit: „Innovationen können nicht kommen. Es gibt eine Flucht in die Notfallzulassungen“.

Zaghaft steigen die Chemiefirmen in Biopräparate ein.

Roland Krieg

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