Stichwort: Genom Editing und der EuGH
Landwirtschaft
Genom Editing und Gentechnikgesetz
Viele Journalisten aus dem nicht-fachlichen Agrarbereich haben in den letzten Tagen auf der Grünen Woche das politische Ensemble zur Bewertung und Einschätzung zum Thema Genom Editing und Gentechnik befragt. Hintergrund ist eine Presseerklärung des Gerichtshofs am 18. Januar.
Der Europäische Gerichtshof EuGH beschäftigt sich derzeit in der Tat mit der Frage, inwieweit die neuen Züchtungsmethoden, die unter dem Begriff Genom Editing zusammengefasst werden, nach Gesetzesvorlage der EU unter das Gentechnikgesetz fallen oder nicht. Für Gegner wäre die Einbindung einer Gleichstellung von alter und neuer Gentechnik mit der fortgeführten Ablehnung der Gentechnologie im Allgemeinen gleichzusetzen. Auf ein Urteil warten viele.
Was am 18. Januar vom EuGH veröffentlicht wurde, ist der Schlussantrag des Generalanwaltes gewesen und kein Urteil. Demzufolge stehe es den Staaten frei, Maßnahmen zu einer Regulierung von Organismen festzulegen, obwohl sie seiner Ansicht nach nicht in der bestehenden Gesetzgebung unter den Begriff der Gentechnik fallen.
Grundlage ist das so genannte Gentechnikgesetz 2001/18/EG, das die Freisetzung und das Inverkehrbringen gentechnisch veränderter Mechanismen regelt. Dazu braucht es eine Umweltverträglichkeitsprüfung. Mit den neuen Technologien kann das Genom auch ohne Einbringung eines „fremden Gens“ verändert werden und entspricht prinzipiell einer in der Natur auch spontan ablaufenden Mutagenese.
Die neuen Züchtungstechniken haben bei den Züchtern schon früh (2015) neue Erwartungen und vor allem Hoffnung auf neue Akzeptanz in der Bevölkerung geweckt [1]. Zwischen Wissenschaft und öffentlicher Akzeptanz muss seitdem immer wieder unterschieden werden. Ohne Zustimmung in der Gesellschaft haben auch die neuen Züchtungsmethoden keine Chance. Diese stellt sich erst ein, sobald der Einzelne Nicht-Anwender in der Gesellschaft einen individuellen Nutzen für sich erkennt. Das hatte erst im letzten November Prof. Ortwin Renn vom Nachhaltigkeitsinstitut IASS noch bei einer Akademievorlesung unterstrichen [2]. So gesehen hat der Schlussantrag keine Bedeutung für die Akzeptanz in der Gesellschaft.
Dem gegen Frankreich klagenden gentechnikkritischen französischen Bauernverband Confédération paysanne geht es um die Gleichsetzung der neuen mit der alten Biotechnologie. Frankreich nimmt die neuen Züchtungstechniken aus dem bestehenden Gesetz aus. Der EuGH wurde um Klärung gebeten.
Die so genannten Mutagenese-Verfahren hingegen, die am Ende im Produkt von natürlichen Mutationen ohne Marker nicht unterschieden werden können, könnten in Abhängigkeit des einzelnen Verfahrens unter das Gentechnikgesetz fallen, stellte der Generalanwalt fest. Sie müssen aber nicht.
Was der Generalanwalt noch prüfen will, ist die Frage, ob Staaten individuell über die Zulässigkeit befinden können.
Die Pflanzenzüchter möchten den Schlussantrag aus Luxemburg nicht überbewerten. Dr. Carl-Stephan Schäfer, Geschäftsführer des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter, differenzierte am BDP-Messestand der Internationalen Grünen Woche in der Halle 3.2 die Vorlage des Generalanwaltes. Der Schlussantrag sei alles andere als ein Präjudiz vor dem endgültigen Urteil. Das Gericht ist an die Ausführungen nicht gebunden und habe in der Vergangenheit auch gegenteilig entschieden.
Für den BDP hat der Generalanwalt in der vergangenen Woche lediglich einen weiteren Schritt vollzogen, der allerdings auch schon in der EU-Gesetzesvorlage vorhanden sei: Die Vorlage 2001/18/EG weist auf einen voranschreitenden technologischen Prozess hin, der rechtlich immer wieder neu abgesichert werden muss. Mit Blick auf die Diskussionen der letzten Tage erklärt Dr. Schäfer: „Wir diskutieren derzeit nur diese eine Meinung.“
Die Züchter brauchen eine rechtliche Sicherheit für ihre tägliche Arbeit. Dr. Schäfer kritisiert die Politik, die ihre Verantwortung über die Entscheidung neuer Züchtungsmethoden zuletzt auf das zu erwartenden Urteil aus Luxemburg abgeschoben habe. Ein Urteil wird die gesellschaftliche Diskussion trotz Rechtssicherheit nicht beenden. „Ein Urteil reicht uns nicht“, sagte Schäfer zu Herd-und-Hof.de. Die weitergehende Aufgabe des Verbandes besteht in der Offenlegung der züchterische Arbeit und Darlegung der Ziele. Wissenschaftler und Verbände dürfen nicht die Fehler der Vergangenheit wiederholen und mit der neuen Züchtungstechnologie unrealistische Versprechen verbinden. Schon alleine deswegen steht der Verband mitsamt Geschäftsführung während der ganze Grünen Woche den neugierigen Fragen der Besucher zur Verfügung. Dort erklärt der BDP den Besuchern, was sie aus welchen Gründen machen und welchen Nutzen Verbraucher von ihrer Arbeit haben – auch wenn der individuelle Nutzen zunächst einmal nicht auffällt.
Lesestoff:
[1] Zinkfinger TALEN und CO.: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/wege-aus-der-innovationsfalle.html
[2] Gentechnik in der Humanmedizin akzeptiert: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-gruenen-gentechnik-fehlt-das-nutzenargument.html
Roland Krieg; Foto: roRo