Stimme der Biosicherheitsforschung

Landwirtschaft

Abschlusstagung Biosafenet

Die Berichte werden noch erstellt, aber zwei Tage vor dem Ende der Förderung versammelten sich in Berlin die europäischen Biosicherheitsforscher und stellten ihre Ergebnisse vor. Biosafenet wurde von der EU gefördert und hatte seit September 2006 das Ziel, die Forschungen zu vernetzen, Erfahrungen auszutauschen und sowohl die Öffentlichkeit als auch die Politik mit objektiven Informationen zu versorgen. Das die Gentechnik Lösungen bereits stellen kann, den künftigen Herausforderungen der Welternährung, stellte Zuzana Kulichova von der Public Research and Regulation Initiative (PRRI) fest.

Europaweit Gentechnik promoten
Das PRRI wurde 2004 gegründet und will den Forschern eine Stimme geben. Auf internationalen Tagungen wie dem Cartagena Protokoll diskutieren zwar Nichtregierungsorganisationen (NRO) und Politik, nicht aber die Wissenschaft. Das PRRI hat sich die Aufgabe gemacht, Experten zu entsenden und ihnen die gleichen Rechte auf dem internationalen Parkett einzuräumen. Sie sollen mit beiden Seiten Erfahrungen austauschen und Positionen verabschieden.
Das International Center for Genetic Engineering and Biotechnology (ICGEB) hat sich zur Aufgabe gemacht die Molekularbiologie vor allem in den Entwicklungsländern zu stärken. Nach Wendy Craig sind im ICGEB weltweit 59 Länder als Vollmitglied und weitere 79 als Fördermitglied angeschlossen. Thematisch gehe es um Pflanzenverbesserung, Pflanzen-Pharmazeutik und der Produktion von Biopestiziden. Ihr Kollege Mark Tepfer am Außenstandort Ca´Tron in Italien hat in den vergangenen Jahren auf Seminaren verschiedene Interessengruppen zusammengeführt. Beispielsweise haben Statistiker den Biologen geholfen mit verbesserten Grundlagen, die Versuchsflächen zu verkleinern und die Aussagekraft zu erhöhen. Wissenschaftler, die sich mit Pflanzenresistenzen gegenüber Viren beschäftigen, wurden mit Experten zusammen gebracht, die sich mit viralen Sequenzen in der DNS beschäftigen, die von der Pflanze in ihr Genom selbsttätig aufgenommen wurden.
Biosicherheitsforschung gibt es auch in Ungarn. Das Land der Magyaren hat sich bereits in den 1960erJahren mit dem Thema beschäftigt, berichtet Ervin Balász vom Agricultural Research Institut (ARI). Ungarn hat derzeit ein Moratorium für MON810 und die strengen Koexistenzregeln haben den Anbau bereits seit 2004 erschwert. Derzeit sind auch Freilandexperimente nur scher zu genehmigen, so Balász. Doch das ARI will das Netzwerk für Zentraleuropa von 1995 im Bereich der Biosicherheitsforschung weiter führen.

Stimmungswandel bei der Gentechnik?
Kerstin Mönch vom Bundesverband Deutscher Pflanzenzüchter (BDP) sieht einen Stimmungswandel in der öffentlichen Debatte um die Gentechnik. Zum einen wirken die aktuellen Feldzerstörungen in der Öffentlichkeit negativ und die Art und Weise des Verbots der MON810-Zulassung durch das Bundeslandwirtschaftsministerium hat die Wissenschaftler aus der Reserve gelockt, sagte sie zu Herd-und-Hof.de. So nimmt bei Biosafenet die Öffentlichkeitsarbeit eine wichtige Stellung ein.
Das Bundesforschungsministerium hat seit 1987 bereits mehr als 300 Projekte im Bereich der Sicherheitsforschung für die grüne Gentechnik mit mehr als 100 Millionen Euro gefördert. Doch die öffentliche Akzeptanz für diese Biotechnologie ist sehr gering. Biosafenet trat an, das zu ändern.
Da sind zum einen die Verbraucher, deren wissenschaftliche Kenntnisse „Nachholbedarf“ haben, so Projektleiter Joachim Schiemann vom Julius Kühn-Institut, der in der Pressekonferenz das Beispiel anführte, dass 40 Prozent der Verbraucher meinten, Tomaten hätten keine Gene. Zum andern ist da die Politik, die ihre Entscheidung auf einzelne Studien fusst anstatt auf so genannte Meta-Studien, die Ergebnisse mehrerer Einzelstudien bewertet.
Prof. Schiemann verweist dabei auf die gerade online veröffentlichte Studie des Magazins „Transgenic Research“1) in der die französischen Autoren um Agnés Ricroch mit Hilfe von 376 Bt-Mais-Studien, die zwischen 1996 und 2008 erschienen, die Frage evaluieren: „Ist das deutsche Zulassungsverbot für MON810 wissenschaftlich zu rechtfertigen?“ Auch die Europäische Lebensmittelbehörde EFSA soll in diesen Tagen eine neue Risikoeinschätzung für MON810 veröffentlichen.
Schiemann wünscht sich als politische Entscheidungsgrundlage Forschungsarbeiten nach dreijährigem Wiederholungsturnus und wissenschaftlicher Überprüfung vor Veröffentlichung. Dann bräuchte die Politik nicht auf unvollständige und zu früh veröffentlichte Ergebnisse zurückgreifen.

Jenseits der Wissenschaft
Die Debatte zur Gentechnik ist „beliebig kompliziert“, stellte Arnold Sauter vom Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim deutschen Bundestag (TAB) auf der Podiumsdiskussion fest. Ist die Forschung über neue Pflanzenbestandteile schon Produktentwicklung für die Industrie? Taugen wissenschaftliche Resümees schon für politische Empfehlungen? Ist die Biosicherheitsforschung nicht eher eine ökologische Risikoforschung, die mit ihrem Begriff vorgaukele, sie könne biologische Prozesse technisch beherrschen?
Nach Ansicht von Steffi Ober vom Naturschutzbund hole die Diskussion um die Biosicherheit die verpasste Grundsatzdebatte über die Werte der Gentechnik nach. Offen sind die Fragen, dass Saatgutpatente den Bauern die Nutzung des eigenen Saatguts verhindere und dass der Fokus auf die Gentechnik Alternativen in der Landwirtschaft vernachlässige. Rund ein Drittel der weltweit produzierten Lebensmittel geht nach der Ernte bei Transport, Lagerung und Verarbeitung wieder verloren. Das könne auch die Gentechnik nicht verhindern.
Niemand auf der Tagung sieht in der Gentechnik einen Alleskönner für alle Probleme. Auf sie zu verzichten, sei jedoch fahrlässig angesichts der Herausforderungen in der Welternährung.
Löst die Gentechnik die Probleme, die von der industriellen Landbewirtschaftung erst geschaffen wurden, wie Steffi Ober meinte, oder folgt die Gentechnik doch dem problemorientiertem Ansatz? Ralf-Michael Schmidt, zuständig für Government Relations bei BASF, gibt ein Beispiel: Die Menschen brauchen trotz abnehmender Fischbestände lebenswichtige und gesunde Omega-3-Fettsäuren. Drei Überlegungen standen zur Auswahl: Die Herstellung auf der Basis einer chemischen Synthese, durch bakterielle oder Algenfermentation oder über gentechnisch veränderte Pflanzen. Ein Vergleich habe gezeigt, dass der letzte Ansatz der einzige ökonomisch realisierbare sei.
So wünscht sich auch Joachim Schiemann die Zukunft der biobasierten Ökonomie: Immer mehr Rohstoffe, Pharmazeutika und Energie sollen vom Acker kommen. Ein Lösungsbestandteil ist die grüne Gentechnik.
Patrick Rüdelsheim vom International Society for Biosafety Research (ISBR) beklagt, dass Studien nur den weg in die Medien finden, wenn sie ein “Schockpotenzial” beinhalten. Die meisten Studien zeigen wenig spektakuläres. Das „Schockpotenzial“ habe noch andere Wirkungen, weil die europäische Biosicherheitsforschung an Glaubwürdigkeit, an Sichtbarkeit und letztlich an Pioniergeist verliere.

Viel Arbeit notwendig
Die Pflanzenzüchter sagen, sie hätten in der Vergangenheit viel selbstkritische Aufklärungsarbeit geleistet - viel angekommen ist bei den Verbrauchern nicht. Das liege jedoch an der professionellen Arbeit der umweltpolitischen Nichtregierungsorganisationen (NGO), die in fast jedem Ort vertreten sind, antwortet Kerstin Mönch weiter. Einmal sei gegen deren Meinungshoheit schwer anzukämpfen und Verbrauchern erschließe sich nicht der Nutzen gentechnisch veränderter Pflanzen, bei denen Landwirte weniger Geld für den Pflanzenschutz ausgeben. Skeptisch zeigte sie sich auch gegenüber dem Runden Tisch zur Gentechnik, den das Forschungs- und das Landwirtschaftsministerium initiiert haben. Die Auftaktveranstaltung zur Positionsbestimmung habe nicht die Erwartungen der Züchter getroffen. „Aber wir sind optimistisch.“
Aufgaben warten auch im Bereich der Transparenz. NGO nutzen nicht offengelegte Forschungsausschreibungen, Forschungsdesigns und Finanzierungen für ihre Kritik. Die Autoren der Wissenschaftstexte kennen ihren produktionsorientierten Unterschied zwischen Grundlagenforschung und Produktentwicklung – der Verbraucher als Leser der Texte unterliegt aber der Tendenz der wirkungsorientierten Deutung. Nur die ganze Offenheit verhindert Missverständnisse.

Recht auf Nahrung
Die Forscher mischen sich mittlerweile auch offen in die großen Themen der NGO ein. So hat das PRRI im Mai einen Bericht an Olivier de Schutter, den UN-Berichterstatter für das Recht auf Nahrung geschrieben. Herd-und-Hof.de wollte wissen was drin steht. Zuzana Kulichova fasste den auf der Webseite veröffentlichten Brief zusammen, der entstand, weil die UN mit gezielten Fragen zur Beteiligung aufgerufen hat. Das PRRI hat aufgelistet, welchen Anteile die grüne Gentechnik an der Lösung der Welternährung beitragen kann und die Nutzen für die Kleinbauern aufgeführt. So habe die grüne Gentechnik die relative Vorzüglichkeit, Krankheitsresistenzen in Pflanzen einzubringen, wenn diese auf dem Weg der sexuellen Vermehrung nicht vorhanden sind und entstehen können. Das kann keine konventionelle Züchtung bewerkstelligen.
Die Sichtweise auf die Gentechnik ist nach Kulichova in den Entwicklungsländern weniger skeptisch als in Europa. Die vollen Regale des Überflusses lassen den europäischen Verbrauchern kaum einen individuellen Nutzen für sich erkennen. In den Mangelländern fragen die Bauern hingegen gezielt nach gentechnisch verändertem Saatgut nach. Die Farmer können für sich entscheiden, was sie weiterbringt.

Lesestoff:
Am 01. Juli 2009 ist das Projekt Biosafenet zu Ende. Das Netzwerk der Wissenschaftler für ihren Erfahrungsaustausch bleibt bestehen und die Internetseite www.biosicherheit.de
1) Die zitierte Meta-Studie ist gerade erst veröffentlicht worden:
Ricroch, A., Bergé, J.B., Kuntz, M.: Is the german suspension of MON810 maize cultivation scientifically justified?; Transgenic Research (Springer; ISSN 1573-9368). Doi 10.1007/s11248-009-9297-5 (Volltext)
www.icgeb.org
www.pannonbiotech.hu (englisch)
PRRI: www.pubresreg.org
ISBR: www.isbr.info

Roland Krieg

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