„Stirbt der Bauer – stirbt das Land“

Landwirtschaft

BVA und DVT vor ungewissem Jahr


Die anhaltende Preiskrise auf den Agrarmärkten bietet bis Jahresende keine wirkliche Besserung. Im Westhavelland rechnen die Milchbauern mit Sommerpreisen von 19 Cent pro Kilo Milch. Selbst wenn die Schweinepreise sich leicht erholen, drängt eingelagerte Ware in wenigen Monaten auf den Markt und drückt die Preise. Zwei gute Erntejahre hintereinander und volle Lager halten selbst den Ackerbau auf niedrigem Niveau. Argentinien wird nach der Wahl mehr Getreide und Soja exportieren, die Chinesen lösen erst einmal ihre Futterreserven auf. Das drückt nicht nur auf die Stimmung der Landwirte, sondern bleibt auch bei den vor- und nachgelagerten Sektoren nicht ohne Folgen. Was bis Jahresende in der deutschen Landwirtschaft noch alles passieren wird, bleibt schon aus Gründen des Marktgeschehens offen. So hielten sich die Spitzen vom Bundesverband der Agrargewerblichen Wirtschaft (BVA) und der Deutsche Verband Tiernahrung (DVT) am Dienstag auf ihrer Berliner Jahrespressekonferenz zwar tapfer – konnten aber die Sorgenfalten alles andere als verbergen.

Für den Agrarhandel bleibt es spannend. Die Landwirte haben lernen müssen, dass ein Zurückhalten der Ware für höhere Preise hoffnungslos war. BVA-Präsident Konrad Weiterer: „Die Lücken haben andere gefüllt.“ Vielleicht sollte die Branche doch schon Vorkontrakte zur Aussaat abschließen, fragte Weiterer nicht nur rhetorisch. Derzeit liegt die Zahl der Abschlüsse für die neue Ernte unter Vorjahresniveau, die Preise aber um zehn bis 20 Euro höher, was Weiterer auf die Unsicherheit über die ukrainische Getreideernte zurückführt.
Doch nicht nur die Preise machen Sorgen. Die zerfahrene Situation um den Wirkstoff Glyphosat bietet Landwirten alles andere als Planungssicherheit. BVA-Geschäftsführer Arnim Rohwer führte ein besonders drastisches Beispiel von Pirimiphos-methyl an, einem Wirkstoff für den Vorratsschutz, der alle sechs Monate eine neue Zulassung brauche. Auch die langfristigen Perspektiven im Bereich Pflanzenschutz sind schlecht, wenn 2017/2018 einige der gängigen Getreidefungizide auslaufen. Rohwer kritisiert die einseitige Diskussion der „gesellschaftlichen Folgekosten“ von Pflanzenschutzmittel, vermisst aber die Auflistung des gesellschaftlichen Nutzens: Dazu gehörten Lebensmittel, die noch nie so sicher waren und ein hoher Versorgungsgrad der Bevölkerung mit heimischer Ware. Rohwer fordert angesichts der in der Öffentlichkeit diskutierten Grenzwerte von Glyphosat die Einhaltung von Verhältnismäßigkeit und Tiefe des Nachweisniveaus. Weiterer gibt der Politik eine Mitschuld, dass die Diskussion so entgleist ist: „Die Politik ist überfordert, für Klarheit zu sorgen.“

Weltweizenproduktion

Der Agrarhandel verzeichnet auch beim Düngerverkauf Mengenverluste. Allein die Preiskrise zwingt Landwirte zum Sparen. Zusätzlich will die EU rund 30 Prozent durch organische Düngemittel ersetzen, um in der Kreislaufwirtschaft Ressourcen zu sparen. Das wird den Absatz auch künftig nicht mehr in die gewohnten Höhen bringen. Skeptisch ist Rohwer, weil zu den organischen Düngemitteln auch Siedlungsabfälle wie Klärschlamm oder Bio-Abfall gehören sollen. Damit werden Medikamentenrückstände und Schwermetalle auf die Felder gebracht. Umkehrbar ist dieser Schritt nicht mehr. Der BVA fordert daher ein Gütezeichen mit strengen Grenzwerten für den grenzüberschreitenden Handel. Sowohl das Agrargewerbe als auch die Landwirtschaftskammern erarbeiten neue Düngestrategien, obwohl die Dünge-Verordnung und das Düngegesetz noch immer in der Schwebe sind. Die Branche werde sich im Klaren sein müssen, dass weitere Restriktionen kommen, sollte das Stickstoffproblem nicht gelöst werden können, mahnt Weiterer.


Arnim Rohwer, Konrad Weiterer,
Jan Lahde und Hermann-Josef Baaken (v.l.)


Futterwirtschaft

Der Futterverkauf ist im letzten Jahr nicht so gesunken, wie die schlechte Stimmung bei Rinder- und Schweinehaltern vermuten ließ. Aufgefangen wurde das leichte Minus möglicherweise dadurch, dass zwar die Betriebe aufgeben, aber die Nutztiere von den Nachbarn übernommen werden. Ein Ende ist absehbar. In Ost- und Süddeutschland ist der Mischfutterverkauf um satte 13 Prozent zurückgegangen. Der veredelungsstarke Nordwesten und Norden hingegen konnte seine Position jedoch sogar ausbauen, erklärte Jan Lahde, DVT-Präsident. Wie lange das gutgeht vermochte er nicht zu sagen. Selbst eine Prognose bis Jahresende musste ausbleiben. Der Mengenrückgang im Osten ist nach Lahde nicht auf einen neuen Trend des eigenen Futterbaus zurückzuführen. Die Tierhalter haben schon immer rund die Hälfte des Futters selbst gemischt. Die Betriebe schließen mangels Liquidität, so Lahde. In den Familien wird nicht nur die über die Dauerpreiskrise diskutiert, sondern mache sich auch der Einfluss der gesellschaftlichen Diskussion breit. Wer für die nächsten fünf bis zehn Jahre keine Entlohnung seiner Arbeit mehr sehe und außerhalb der Landwirtschaft keine Arbeit finde, der schließe die Hoftore für immer. Verbleibende Landwirte erhöhen zwar den Grünfutteranteil in der Ration, aber für eine ausgewogene und gesunde Ernährung der Nutztiere gibt es kaum Alternativen bei Rind und Schwein, ergänzt Dr. Hermann-Josef Baaken, DVT-Sprecher.



Entwicklung Mischfutterproduktion und
Umsatz 2010 bis 2015 in Mio. t und Mrd. Euro

Nur ein Segment macht der Futterwirtschaft richtig Spaß. Mit der steigenden Nachfrage nach Geflügelprodukten, legt auch der Verkauf von Geflügelfutter zu. Nur die Baugenehmigungen für neue Geflügelställe setzen dem Boom ein Ende. Zudem ist der Anteil gegenüber Rinder- und Schweinefutter so klein, dass es keinen Umsatzausgleich gibt.

Der Ausblick für 2016 zeigt zwar günstige Rohstoffpreise für Mischfutter, doch halten sich die Mühlen derzeit mit Einkäufen zurück: Nach Lahde ist die Unsicherheit über den Verkauf an Rinder- und Schweinebetriebe zu groß.

Anforderungen aus der Politik drücken auch die Stimmung auf dem Futtersektor. Freiheit von gentechnisch veränderten Produkten signalisiert dem Verbraucher eine verfügbare Rohstoffbasis, die so gar nicht existiert. Zusammen mit dem Verein Lebensmittel ohne Gentechnik hat der DVT Kriterien dazu ausgearbeitet, die vom Handel nicht durch ständig neue Programme untergraben werden sollten. Global sei das Auseinanderhalten von Ware mit und ohne GVO nicht realisierbar.

Diskussionen um das Tierwohl haben auch die Futterexperten erreicht. Manche Forscher forderten den Verzicht auf Getreideergänzungen. Doch auch Tiere müssen ernährungsphysiologisch ausreichend und ausgewogen gefüttert werden, erklärte Baaken. „Nachhaltigkeit ist mehr, als nur nachhaltiges Soja oder Palmöl zu verfüttern. Die Tierernährung muss leistungs- und sachgerecht sein, einen Beitrag zur Tiergesundheit leisten und ressourceneffizient sein. Eine andere Fütterung würde mehr Fläche beanspruchen und Tiere ineffizient halten.

Zusätzlich wehrt sich die Branche gegen neue Gebührenmodelle, die aus Niedersachsen und Schleswig-Holstein kommen. Neben dem Kostenfaktor vernachlässigen sie die Anerkennung der Eigenkontrollen.

Lesestoff:

www.bv-agrar.de

www.dvtiernahrung.de

[1] China will Futtermittelreserven deutlich verkleinern

Roland Krieg; Foto: RoRo, Grafiken: BVA und DVT

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