Stoffliche Nutzung der Biomase

Landwirtschaft

Aktionsplan stoffliche Nutzung von Biomasse

Am Dienstag hat das Bundeslandwirtschaftsministerium (BMELV) den vom Bundeskabinett in der letzten Woche beschlossenen „Aktionsplan zur stofflichen Nutzung nachwachsender Rohstoffe“ der Öffentlichkeit vorgestellt. In der Wahrnehmung der meisten Menschen stellt diese Biomassenutzung nach Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner noch eine „graue Eminenz“ dar.
Es sind auch lediglich 110.000 Hektar mit Stärkekartoffeln im Anbau, 10.000 Hektar Raps und ein paar Zuckerrüben, so Dr. Klaus Kliem, Präsident des Thüringer Bauernverbandes. Vor ein paar Jahren gab es noch im Rahmen der „Hanfeuphorie“ Hoffnung auf eine Fasernutzung, doch bleibt Dr. Kliem skeptisch: Es gibt im Bereich der Ernte-, Lagerung- und Verarbeitungstechnik noch viel Forschungsbedarf.

Hauptabnehmer Chemie
Es ist nicht nur die kompostierbare Plastiktüte aus Kartoffelstärke oder das Formteil des Windkraftrades. Die stoffliche Nutzung greift intensiver in den Verbraucheralltag ein, als die energetische Verwertung. Dr. Jörg Rothermel, Bereichsleiter für Energie, Klimaschutz und Rohstoffe im Verband der Chemischen Industrie, sieht dann auch seine Branche als Hauptabnehmer der Rohstoffe vom Feld. Beispiel Waschmittel: Die Tenside stammen aus natürlichen Fetten und Ölen.
Weil Menge und Qualität der heimischen Rohstoffbasis nicht stimmen, muss die Chemie rund zwei Drittel der benötigten Rohstoffe importieren. „Das wird sich auch in Zukunft nicht fundamental ändern“, prognostiziert Gerd Lindemann, Parlamentarischer Staatssekretär aus dem BMELV. Daher fordert Dr. Rothermel, keine Handelsbarrieren aufzubauen damit die chemische Industrie weiterhin Zugang zu preiswerten Ausgangsmaterialien auf dem Weltmarkt habe.
Wenn Standards – dann für alle, um auf dem Weltmarkt einen „Wettlauf nach unten“ zu verhindern. Beim Biokraftstoff hat die Bundesregierung bereits eine Nachhaltigkeitsverordnung in Kraft gesetzt und Lindemann verspricht, sich dafür auch auf europäische Ebene einzusetzen, damit die EU im Rahmen der WTO die Zertifikate einheitlich durchsetzen kann.

Pusteblumen für das Automobil
Bevor der Wind die weißen Schirmchen der Pusteblume in alle Richtungen streut, weist der Löwenzahn noch eine weitere Besonderheit auf. Wer die Blüten des Taraxacum officinale noch als gelben Korb pflückt, kennt die weiße Flüssigkeit, die aus den Stengeln tritt. Zäh und klebrig: Naturkautschuk.
Naturkautschuk wird vorwiegend aus Gummibäumen gewonnen. Mehr als 30.000 Produkte des täglichen Lebens enthalten diesen natürlichen Gummi. Katheterschläuche, Latexhandschuhe, Verschlusskappen von Getränkeflaschen oder eben auch Autoreifen. Die Füße ihres Autos wären ohne Naturkautschuk nicht elastisch genug.
Loewenzahn im GewaechshausKautschuk kann aber Allergien hervorrufen, was vor allem bei Katheterschläuchen im Krankhaus ein Problem ist und in Südamerika verhindert ein Pilz den großflächigen Anbau der Gummibäume. Mittlerweile soll er auch den Gummianbaugürtel in Südostasien erreicht haben. Wenn auch aus anderen Gründen suchten Deutsche, Russen und Amerikaner bereits während des zweiten Weltkriegs nach Alternativen der Kautschukproduktion und experimentierten mit Löwenzahn. Der Löwenzahnkautschuk ist jedoch schwer zu gewinnen, weil er sofort polymerisiert, was einer Gerinnung gleichkommt. Wissenschaftler des Fraunhofer-Instituts für Molekularbiologie und Angewandte Oekologie IME in Aachen sind jetzt der wirtschaftlichen Kautschukproduktion ein Stück näher gekommen. „Wir haben das Enzym gefunden, das für die schnelle Polymerisation verantwortlich ist und haben dieses ausgeschaltet“, verkündet Prof. Dr. Dirk Prüfer. „Wird die Pflanze beschädigt, fließt das Latex heraus statt zu polymerisieren. Wir erhalten etwa die vier- bis fünffache Menge wie üblich. Würden die Pflanzen großtechnisch angebaut, ließen sich auf einem Hektar bis 1.000 kg Latex pro Vegetationsperiode herstellen.“ Der Löwenzahnkautschuk ruft keine Allergien hervor.
Foto: Fraunhofer IME

Keine Quotenfestsetzung
Dr. Rothermel sprach sich gegen eine Einteilung der chemischen Produkte aus. Nach ihrer Herkunft aus nachwachsenden Rohstoffen oder Mineralöl ließen sich die Produkte nicht in gut und schlecht einteilen. Chemische Eigenschaften und Sicherheitsaspekte ergeben sich unabhängig des Ausgangsmaterials. Knappheit und Ölpreis lassen die Industrie von alleine über alternativen nachdenken.
Lindemann will für biogene Ausgangsmaterialien keinen „Beimischungszwang“ oder Mindestmengen für die Herstellung von Waren. Die Produkte der chemischen Industrie sind viel heterogener als Strom und Wärme aus Biomasse. Hier könnten solche Anforderungen nur sehr viel schwerer kontrolliert werden. Als Markteinführungsmaßnahme hält Lindemann Verbraucherinformationen, Standardisierungen und zuletzt die Ordnungspolitik „für das was noch übrig bleibt“ für ausreichend. Positiv bewertet er die Bemühungen auf europäischer ebene, ein Label für Materialien aus nachwachsenden Rohstoffen einzuführen.
Mit der Absage an Quoten und Mindestmengen trifft er den Willen der chemischen Industrie. Angesichts der Erfahrungen mit wechselnden Förderunen im Biodieselbereich und der Folge des Siechtums in der Branche,, wehrt sich auch Dr. Rothermel gegen ordnungspolitische und fiskalische Markteingriffe.
„Der Aktionsplan wird nicht alle Probleme lösen, aber Impulse geben“, schließt Lindemann. Die Pflanze auf dem Acker wächst in dem Nutzungsdreieck Nahrungsmittel, energetische und stoffliche Verwertung. Langfristig wird die stoffliche die energetische dominieren, da es für sie keine Alternative gibt.

Lesestoff:
Den Aktionsplan finden Sie unter www.fnr.de/aktionsplan
Das BMELV hat im Sommer drei große Verbundprojekte im Bereich der stofflichen Forschung gestartet.

Roland Krieg (Text und Foto); Löwenzahn: Fraunhofer IME

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