Streit um die Flächennutzung
Landwirtschaft
Flächenverbrauch soll verringert werden
Bis 2020 will die Bundesrepublik ihren Flächenverbrauch von 114 auf 30 Hektar am Tag reduzieren. Der Rat für Nachhaltigkeit bezweifelt, ob das realistisch ist, denn die Politik hat dem Wertzuwachs von Acker- zu Bauland wenig entgegen zu setzen. Auch das am Montag vorgestellte Positionspapier zur Zukunft des ländlichen Raums der CDU/CSU-Bundestagsfraktion verfolgt das gleiche Ziel: „Wir wollen den Verlust des wertvollen Produktionsfaktors Boden dauerhaft verringern. Der Entzug der landwirtschaftlichen Nutzfläche aus der Produktion muss künftig die letzte aller Optionen sein“. Das Forum zum Flächenverbrauch zeigte aber mehr die bestehenden Kontroversen auf.
Viele Interessen
Die Kommunen sind die ersten Adressaten der Flächennutzungsanträge und da gibt es Bemühungen zur Extensivierung, aber auch Bemühungen zur Intensivierung, stellte Stephan Schmickler, Mitglied im Ausschuss für Städtebau und Umwelt des Deutschen Städte- und Gemeindebundes fest. Mit Intensivierung sei nicht nur die Massentierhaltung gemeint, sondern auch der Bereich der Freizeit und Erholung. Bei manchen Urlaubsressort gehe viel Fläche für den Wegebau verloren.
„Die Roten Listen kommen nicht von ungefähr“, verteidigte Olaf Tschimpke, Präsident des Naturschutzbundes den Naturschutz. Gerade auch im Bereich des Klimawandels sind das Zeichen der Übernutzung. Die bisherigen Modelle des Flächenmanagement zeigen eher, dass die derzeitigen Instrumente erfolglos sind. Ohne Natura 2000 gäbe es keine Erfolge für den Naturschutz. Die Bioenergie leiste derzeit einen Intensivierungsschub auf der Fläche.
Flächen- oder Produktionsverlust?
Der Verlust der landwirtschaftlichen Nutzfläche wird in der Regel mit einer Verschärfung der Ernährungssituation in Verbindung gebracht. Helmut Lamp, Vorsitzender des Bundesverbandes Erneuerbare Energien ärgert sich vor allem über die Diskussion zwischen Teller und Tank. Schon bevor es den Begriff Bioenergie gab, litt eine vergleichbare Anzahl an Menschen weltweit unter Hunger. Hunger sei ein ungelöstes Dauerthema und könne nicht der Bioenergie in die Schuhe geschoben werden. Man hätte auch nie etwas von der Diskussion „Weihnachtsbaum oder Teller“ gehört, nur weil große Flächen mit Christbäumen bepflanzt sind. So gesehen, so Lamp weiter, entziehen auch 100 Hektar Naturschutz den Menschen Nahrungsfläche. Weltweit liegen in Russland, der Ukraine, selbst in Tansania Millionen Hektar Land brach, die nicht für die Ernährung genutzt werden. Wichtiger sei, so Lamp, die Diskussion, dass rund ein Drittel der Ernte weltweit verloren geht, bevor es auf den Teller gelangt.
Dem Ökolandbau spricht Lamp die Möglichkeit ab, die Welt zu ernähren. Für 100 dt Getreide reichen dem konventionellen Landbau 1,5 Hektar, der Ökolandbau braucht drei Hektar. Die bestehende Fläche intensiv genutzt, reiche für 12 Milliarden Menschen.
Ziele in der Diskussion
Für Schmickler ist der Vorschlag, Zertifikate für Baurechte einzuführen, „ein Horrorszenarium“. Das erhöhe die Bürokratie und helfe nur ökonomisch starken Räumen. Gute Modelle für eine intelligente Flächennutzung sind ausreichend vorhanden, werden aber nicht in vollem Umfang angewandt. Die Regionalplaner sollten hier mehr in die Beratung gehen. Für Verbesserungswürdig hält er die Modelle zur Folgekostenberechnung der Flächennutzung, regionale Kooperationen von Kommunen bei der Nutzung von Gewerbeflächen und die Grundsteuern als wirksames regulativ der Flächennutzung.
Oder Landgesellschaften? Diese versuchen, Flächen gezielt zu nutzen. Diese Entwicklungsgesellschaften für den ländlichen Raum besitzen derzeit 65.000 ha eigene Fläche. Ziel ist der Erwerb, die Bevorratung und die Bereitstellung für Industrie, Naturschutz und Landwirtschaft. Insgesamt stehen ihnen in den alten Bundesländern 22.500 und in den neuen Bundesländern 106.000 Hektar zur Verfügung, zählt Dr. Willy Boß, Vorstandsvorsitzender des Bundesverbandes der gemeinnützigen Landgesellschaften, auf. Für eine effiziente Nutzung müsse aber ein Freiflächenkataster aufgebaut werden und zur Vermeidung des Ausweichens in den ländlichen Raum, sollte die innerstädtische Entwicklung von Flächen vordergründig finanziert werden. Über einen Ökopool könnte der Flächenausgleich auf dem Land zeitlich für die Nutzer entkoppelt und effektiver umgesetzt werden.
Um beim Erneuerbare Energien Gesetz den Intensivanbau von Mais zu vermeiden, sollte das EEG die Zahlungen an den Aufbau und Erhalt von Fruchtfolgen knüpfen, so Tschimpke.
Falsche Diskussion
Nach Schmickler ist die Diskussion um das Ziel von 30 Hektar falsch herum aufgezogen. Das definiere negative Ziele. Zudem werde man sich eine wachsende Infrastruktur in dünn besiedelten Räumen ohnehin nicht mehr leisten können. Besser sei es, über intelligente Verkehrswegenutzung zu sprechen. Bis zum 30-ha-Ziel ist noch ein weiter Weg. Olaf Tschimpke findet, es müssen dafür erst einmal Verbündete gefunden werden.
Lesestoff:
In NRW hat das Ministerium einen Wettbewerb der Freiflächennutzung ausgerufen, in Brandenburg gibt es einen Flächenpool für zeitlich entkoppelte und effektive Nutzung.
Den Bundesverband der gemeinnützigen Landgesellschaften finden Sie unter www.blg-berlin.de
Das Forschungsministerium führt einen Förderschwerpunkt zur Reduzierung der Flächeninanspruchnahme und ein nachhaltiges Flächenmanagement: www.refina-info.de
Es gibt seit März 2009 eine interministerielle Arbeitsgruppe, die als Schnittstelle die Aufgabe der Entwicklung ländlicher Räume vorantreiben möchte.
Der ländliche Raum ist auf der Internationalen Grünen Woche immer ein großes Thema. 2009 hat sich die Problematik von unten heraus anders dargestellt.
Ein Jahr davor fand auf der IGW der Abschluss einer Konferenzreihe zum ländlichen Raum statt.
Roland Krieg