Streit um konservierende Bodenbearbeitung

Landwirtschaft

Ist konservierende Bodenbearbeitung „Chemielandwirtschaft“?

Europäisches Parlament

Je mehr der Ackerboden in Ruhe gelassen wird, desto mehr Bodenorganismen können sich entwickeln. Poren für die Wasser- und Nährstoffversorgung entstehen und die Landwirtschaft gilt als Abbild der Natur. Die konservierende Bodenbearbeitung entspricht diesem Bild. Diese Bewirtschaftungsform ist die Abkehr vom Pflug, der mit seiner horizontalen Arbeitsweise die vertikalen Regenwurmröhren zerstört. Zudem fahren viele Landwirte mit ihren schweren Maschinen beim Pflügen auf der Pflugsohle und verdichten den Boden in der Tiefe.

Die pfluglose Bodenbearbeitung hingegen vermeidet Bodenverdichtungen, spart Feldüberfahrten und damit Kraftstoff ein. Die Mulchsaat mindert die Erosion des Bodens durch Wind und Wasser.

Dr. Gottlieb Basch, Agrarabsolvent der Universität Göttingen, Professor für Pflanzenbau an der Universität Evora in Portugal, ist Präsident der European Conservation Agriculture Federation (ECAF), dem Dachverband der nationalen Gesellschaften. Am Dienstag war er Gast im EU-Agrarausschuss und löste bekannte Reflexe aus.

GAP 2020

Mit der konservierenden Bodenbearbeitung ist die Agrarbranche gleich mitten in der Diskussion um die Zukunft der Gemeinsamen Agrarpolitik (GAP) ab 2020, der neuen Förderperiode. Alle wollen mehr Umwelt, alle wollen eine möglichst ganzjährige Vegetationsdecke auf den Feldern und eine höhere Vielfältigkeit in der Fruchtfolge. Diese drei Fundamente seien auch die Stützen der konservierenden Bodenbearbeitung, erklärte Basch. Da seiner Meinung nach die Diskussion über Umweltent- und -belastung die Agrardiskussion vermehrt umtreiben wird, komme der Landwirtschaft eine besondere Rolle zu.

Vor allem der Humusschwund auf ländlichen Flächen wird in mediterranen Regionen Ertrag kosten. Die Agrarpolitik hat mit Cross Compliance und Greening mittlerweile zwar ein umfangreiches Instrumentarium in die GAP gestellt, doch reichten diese Umweltmaßnahmen nach Basch bei weitem nicht aus. Mit 1,5 statt 37,3 Millionen Hektar pfluglose Bodenbearbeitung und mit 2,8 statt 14,1 Millionen ha möglicher Zwischenfruchtnutzung bleibe die europäische Landwirtschaft hinter den Möglichkeiten der konservierenden Bodenbearbeitung weit zurück. Diese Bewirtschaftungsform kann 1in der EU 90 Millionen Tonnen Kohlendioxid pro Jahr aus der Atmosphäre binden. Ein Wert, der den Emissionen von 50 Kohlekraftwerken entspricht. Leguminosen als Zwischenfrüchte reduzieren die Notwendigkeit der N-Düngung.

Das Fazit der ECAF ist eindeutig: Die GAP hat für die Umsetzung der konservierenden Bodenbearbeitung bislang keine ausreichenden Anreize gesetzt. Diese Bewirtschaftung komme den natürlichen Ökosystemen näher und für die neue GAP 2020 solle sie vor allem finanziell gefördert werden. Basch verwies auf das Projekt „climagri“, das seit Jahren auf eine Umsetzung wartet. 2018 soll es einen großen europäischen Kongress geben, der die konservierende Bodenbearbeitung fördert und Politikempfehlungen formuliert. „Es muss ein Umdenken erfolgen“, sagte Basch. Den europäischen Landwirten fehle der Leidensdruck, kostengünstiger zu produzieren, und sie erwiesen sich als „beratungsresistent“. Denn in den USA und in Südamerika wird die Wirtschaftsform deutlich mehr angewandt.

„Glyphosatverkäufer“

Doch wer auf den wendenden Pflug für die Unkrautbekämpfung verzichtet, müsse mehr Herbizide einsetzen. Und für die europäische Sozialdemokratin Maria Noichl bedeutet das: Mehr Glyphosat“. Überall, und vor allem in Südamerika und den USA, gehe der Einsatz des ungeliebten Pflanzenschutzmittels mit der Verbreitung der konservierenden Bodenbearbeitung einher. „Nachteile der konservierenden Bodenbearbeitung heißt mehr Gift.“

Auch der grüne Abgeordnete Martin Häusling argwöhnt über bestimmte Interessen hinter ECAF. Der Verband „komme jedes halbe Jahr“ in den Ausschuss und fordere finanzielle Unterstützung: „Das kann doch keine Methode sein, wenn ich mehr Chemie einsetzen muss.“

Basch verwahrte sich gegen den Begriff Lobbyist und verwies darauf, dass die konservierende Bodenbearbeitung deutlich weniger Herbizide und Insektizide einsetze als die konventionelle Landwirtschaft. Die ECAF erlaube keinen Einsatz zur Sikkation (Reifeeinleitung) und will den Mitteleinsatz auch kritisch sehen. Doch verbieten wolle ECAF den Wirkstoff nicht, weil dann eben mit Glyphosat behandelte Ware aus dem Ausland in die EU komme.

Lesestoff:

Fachliche Abwägung zwischen Glyphosat und Pflug: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/mehr-konservierende-bodenbearbeitung.html

Roland Krieg

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