Streitfall Haftung
Landwirtschaft
Vermittlungsausschuss berät über Gentechnikgesetz
> Erwartungsgemäß geht die unendliche Geschichte weiter. Heute liegt das Gentechnikgesetz (s. Herd-und-Hof.de vom 21.06.2004) im Vermittlungsausschuss zur Beratung. Das nicht mehr zustimmungspflichtige Gesetz wird auch später noch die EU beschäftigen und weiterhin für Gesprächsstoff sorgen. Die im Gesetz beschriebene Koexistenz zwischen gentechnikfreiem und Anbau mit gentechnisch veränderten Pflanzen ist bereits heute alles andere als friedlich. Streitfall Haftung
?Statt gute Rahmenbedingungen für die grüne Gentechnik zu schaffen, hemmt das Gesetz durch Bürokratie und abschreckende Haftungsregeln regelrecht Forschung und Innovation in unserem Land?, sagt CDU-Vorsitzende Angela Merkel. Und die Haftung ist in der Tat abschreckend. Ist bei Kontamination die Ernte eines Bauern nicht mehr verkäuflich, muss dieser Schaden ersetzt werden. Gelänge gentechnisch verändertes Material sogar in den Handel und fiele durch Routinekontrollen auf, so muss eine ganze Charge zurückgerufen werden. Das kostet Millionen und ist von Bauern nicht mehr zu tragen. Der Deutsche Bauernverband rät zum Verzicht auf die Gentechnik, die Versicherer haben bereits erklärt, dass sie das Risiko nicht abdecken werden.
Der Schwellenwert unter dem Produkte als frei von gentechnisch veränderten Bestandteilen gelten liegt bei 0,9 Prozent. Es gibt allerdings einen Streitpunkt: Hat ein Bauer in seinem Liefervertrag strikte Gentechnikfreiheit vereinbart, führt auch ein niedrigerer Schwellenwert zu einer Haftungsregelung. Das ist beispielsweise bei Honig, den Bienen teilweise über riesige Entfernungen sammeln, praktisch ausgeschlossen. Da solche Verträge die Nutzung gentechnisch veränderter Pflanzen im Umkehrschluss behindert, verstößt das Gentechnikgesetz gegen EU-Recht. Die Kommission hatte das Haftungsrecht bereits als ?nicht akzeptabel? moniert. Der Konflikt ist vorprogrammiert.
Verbraucherministerin Renate Künast gab sich gestern allerdings kämpferisch: ?Das deutsche Gentechnikgesetz schafft klare Regelungen für den Anbau gentechnisch veränderter Organismen, die mit EU-Recht vereinbar sind. Die Landwirte brauchen dieses Gesetz daher dringend, um Planungssicherheit zu bekommen. Insbesondere die Koexistenz-Regelungen und die damit verbundene Haftungsregelung kann gar nicht gegen EU-Recht verstoßen, weil sich die EU-Kommission bezüglich Koexistenz entgegen unserem Drängen entschieden hat, hierfür keine EU-einheitliche Regelung zu erlassen. Für Haftungsfragen ist die Kommission gar nicht zuständig.?
Auch die EU hat keine klare Linie
Eigentlich hätte letzte Woche der Schwellenwert für Saatgut mit gentechnischen Verunreinigungen bei 0,3 Prozent festgelegt werden sollen. Der Bund Ökologische Lebensmittelwirtschaft (BÖLW) verurteilte diese Pläne, weil dieser Wert ?zu einer schleichenden und zunehmenden Kontamination sämtlicher Pflanzenbestände mit gentechnisch veränderten Organismen? führen wird, so der Vorsitzende Dr. Felix Prinz zu Löwenstein. Das Europäische Parlament und mehrere Parlamente von EU-Mitgliedsstaaten, darunter auch der Deutsche Bundestag, haben sich für die Kennzeichnung von Saatgut mit gentechnischen Verunreinigungen ab der Nachweisgrenze von 0,1% ausgesprochen.
EU-Kommissionspräsident Romano Prodi hatte allerdings einen Tag vor der Sitzung diesen Punkt von der Tagesordnung gestrichen. Bevor solche weitreichenden Grenzwerte festgesetzt werden können, müssen erst, so Prodi, die ökonomischen Folgen genauer untersucht werden. Bioland-Vorsitzender Thomas Dosch bewertet die Reaktion von EU-Kommissionspräsident Prodi ?als einen Etappensieg der Vernunft im Sinne von Bauern und Verbrauchern.? Die neue EU-Agrarkommissarin Else Mariann Fischer Boel hat bereits ihre Zustimmung zu einem Reinheitsgebot für Saatgut demonstriert, freut sich Bioland: In ihrer vorherigen Rolle als dänische Agrarministerin erklärte sie im Agrarministerrat, dass der beste Weg zur Sicherstellung einer Koexistenz von Gentechnik- und Nicht-Gentechniklandwirtschaft ein Grenzwert sei, der an der Nachweisgrenze für gentechnische Verunreinigungen liege.
VLE