Strittige Biokraftstoffpolitik

Landwirtschaft

Europaparlament debattiert Biokraftstoffpolitik

Am Mittwoch wird das Europäische Parlament über die Biokraftstoffpolitik abstimmen. Die Kommission hatte die Stimmung der Europäer aufgenommen und vor dem Hintergrund der Diskussion über Teller und Tank eine Reduzierung der Biokraftstoffe bis 2020 vorgeschlagen [1]. Des Weiteren will sie für den internationalen Markt Faktoren vorgelegt, die indirekte Landnutzungsänderungen beschreiben, wenn der Anbau von Nahrungsmitteln in Schwellen- und Entwicklungsländern durch Energiepflanzen verdrängt wird.

Der Kommissionsvorschlag wurde in verschiedenen Ausschüssen debattiert und liegt jetzt zur Abstimmung vor. Das Thema ist das erste Agrarthema nach der Sommerpause im Europaparlament, das seit Montag in Straßburg tagt.

Die indirekten Landnutzungsänderungen (ILUC) sind für EU-Energiekommissar Günther Oettinger mittlerweile sachlich untermauert. Eine Reduzierung auf einen Fünf-Prozent-Anteil für die Energieziele der EU bis 2020 hält er für vernünftig. Dennoch will er auf die Biokraftstoffe nicht verzichten, weil ein genereller Strukturwandel in Richtung Elektroautos, deren Energie aus Wind und Sonne stammt, noch lange nicht in Sicht ist.

Ob die ILUC-Berechnungen allerdings seriös sind wird bezweifelt. Josefa Andrés Barea (spanische Sozialdemokratin) forderte die Kommission auf, ein genaues Messprotokoll vorzulegen. Auch für die deutsche Christdemokratin Christa Klaas ist ILUC nicht haltbar und eine „Veruntreuung von Investitionskapital“. Ihr Parteikollege aus Österreich, Richard Seeber führte an, dass mehr Lebensmittel durch das Wegwerfen in ungeöffneten Verpackungen verschwendet werden, als durch Landnutzungsänderungen.

Claude Turmes hingegen verteidigte ILUC. Der Luxemburger von den Europäischen Grünen traut ILUC sogar eine WTO-Konformität zu. Ohne Solche Faktoren hätte die EU gegen Brasilien und Indonesien keine Chance ihre Nachhaltigkeitspolitik vor der WTO rechtssicher zu verteidigen.

Ob die neue Politik der EU wirklich Auswirkungen auf die indonesischen Palmölplantagen haben, blieb offen. Auch, ob die Obergrenze für Biokraftstoffe bei fünf oder sechs oder einem anderen Wert liegen werden. Die Ausschüsse legen zur Abstimmung leicht abweichende Vorstellungen vor. Ganz auf die erste Generation der Biokraftstoffe will aber niemand verzichten. Wer der ersten Generation schadet, zerstöre auch das Vertrauen von Investoren in die zweite Generation, fasste Jens Rhode, dänischer Liberaler, zusammen. Das künftig Biosprit aus Reststoffen gewonnen werden soll, ist unstrittig.

Konkrete Auswirkungen auf den Rapsanbau werden auf europäischer Eben nur wenig thematisiert. Umso eindringlicher warnt Franz Kustner, Präsident des Bayerischen Bauernverbandes in der Oberpfalz, vor den Änderungen. Die ILUC-Faktoren werden Raps, Zuckerrüben und Getreide für die Biotreibstoffgewinnung unmöglich machen. Die Bauern verlieren damit auch eine heimische Futtergrundlage. Nach Kustner werde sowohl die europäische Politik zur Energiewende im Bereich der Mobilität als auch die Eiweißstrategie gegen die Wand gefahren: „In Deutschland wurden in diesem Jahr 5,7 Millionen Tonnen Rapssaaten geerntet. Das entspricht 2,3 Millionen Tonnen Rapsöl und 3,4 Millionen Tonnen Rapsschrot bzw. Rapskuchen. „Alleine durch die Verarbeitung von Raps zu Biokraftstoffen werden zwei Millionen Tonnen Sojaimporte überflüssig, in der EU sind es über 15 Millionen Tonnen“, sagt Kustner. Ein weiteres Beispiel sei die Erzeugung von Bioethanol aus Getreide oder Zuckerrüben: „Wird ein Hektar Weizen zu Bioethanol verarbeitet, ernten Bauern gleichzeitig auch Futtermittel, die einer Anbaufläche von 1,3 Hektar Sojabohnen entsprechen.“

Biokraftstoffe haben in der deutschen Bevölkerung kaum noch einen Rückhalt. Der BUND hatte in einer repräsentativen Umfrage ermittelt, dass 71 Prozent der Bundesbürger gegen eine Förderung von Biotreibstoff und 78 Prozent gegen eine Beimischung sind. Autofahrer sollten selbst entscheiden, welchen Sprit sie tanken.

Lesestoff:

[1] Was soll sich nach Willen der Kommission ändern?

EU-Agrarausschuss kritisiert Kommissionsvorschläge

Roland Krieg

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