Tageskasse oder Kundenbindung?

Landwirtschaft

Tierschutzlabel und Tierwohl-Initiative

Vor einem Jahr hat das Bundeslandwirt-schaftsministerium zusammen mit dem Deutschen Tierschutzbund den Startschuss zum Tierschutzlabel gegeben [1]. Nach einem Jahr zeigt sich eine Schwachstelle. Die Zahl der teilnehmenden Betriebe ist gering. Auf der Erzeugerstufe sind aktuell 14 Mastschweinebetriebe mit insgesamt 20 Ställen auf der Einstiegsstufe und zwei Betriebe auf der Premiumstufe tätig. Im Masthühnerbereich sind es 44 Betriebe, die nach den Kriterien der Eingangsstufe zertifiziert sind. 8.000 Geschäfte haben die Ware fest in ihrem Sortiment gelistet. Für Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, ist damit aber der Einstieg in den Markt gelungen. Jetzt geht es darum, „ihn zu erobern“. Edeka Hannover-Minden sei dabei, die Premiumstufe zu listen.

Die Menge ist gering, was zu Beginn absehbar gewesen ist. Deshalb haben sich Handel und Bauernverband Gedanken über ein System gemacht, das den Markt tiefer durchdringen kann [2]. Am Ende verliert der Verbraucher aber den Durchblick, wenn es für verschiedene Tiere unterschiedliche Standards mit den gleichen Begrifflichkeiten geht.

Die Durchdringung des Marktes erkennt Schröder bei der Tierwohl-Initiative auch an, aber die Kriterien sind keine Verbesserung für Schwein und Geflügel. Der Wahlpflichtbereich wie Klimaanreize oder Zugang zu Raufutter können nur bis zu drei Euro Bonus gewählt werden und sind mit einer Maßnahme kostenmäßig schon fast ausgereizt.

Als besonders pikant bezeichnete Schröder es, dass einer der neuen Unterzeichner der Initiative Tierwohl, Aldi Süd, gerade erst wieder Preissenkungen durchgesetzt habe, womit offen bleibt, wie eine Bonitur ausgezahlt werden soll.

Landwirte brauchen Beratung

Warum es beim Tierschutz-Label bei den Schweinen so langsam vorangeht, erklärte Tierärztin Dr. Brigitte Rusche. Der Großteil der Schweine ist in Warmställen untergebracht, die erst aufwendig umgebaut werden müssen. Dazu bräuchte jeder Landwirt eine individuelle Beratung. Das zeichnet das Tierschutz-Label des Tierschutzverbandes aus. Die Tierwohl-Initiative des Bauernverbandes hingegen lasse diesen Punkt offen, erklärte Dr. Rusche.

Preise

Initiativen, die auf höhere Preise setzen, weil mehr Arbeitsaufwand dahinter steckt, haben es in der Handelslandschaft in Deutschland schwer. Zwanzig bis dreißig Jahre Dauerniedrigpreis haben mit einer falschen Werbebotschaft den Verbraucher in die falsche Richtung geprägt, beklagte Schröder. Aktuell fährt Aldi Süd die 99 Cent – Kampagne für zehn Eier aus der Bodenhaltung, was sogar noch unter dem Preisniveau der früheren Käfigeier liege. Im Sommer des letzten Jahres haben die Discounter eine „Fleischpreisinitiative“ gefahren. Dem Kunden höhere Standards mit höheren Preisen schmackhaft zu machen wird nach Ansicht des Tierschutzbundes dadurch konterkariert [3].

Der Handel, so Schröder, muss sich entscheiden, ob er seine Regale für die Tageskasse oder für eine langfristige Kundenbindung füllt.

Dialog

Das Label des Deutschen Tierschutzbundes ist ein deutliches Signal, dass alle Beteiligten miteinander reden, kommentierte Thomas Schröder gegenüber Herd-und-Hof.de die Weigerung des Bauernpräsidenten, nicht mehr mit allen Kritikern zu reden. Rukwied müsse „Kampfthemen“ erst noch einmal definieren. Das Tierschutzlabel sei ein Brückenschlag zwischen Tierschutz, Landwirten und Handel, was die Funktionäre des Bauernverbandes noch nicht wahrgenommen hätten.

Die Lösung

Die Lösung zentrifugale Kräfte und kannibalisierende Labels wieder einzufangen und den Verbrauchern einheitliche und transparente Standards anzubieten, gibt es auch: Thomas Schröder sieht den Gesetzgeber in der Pflicht: „Es braucht höhere gesetzliche Standards und es braucht ein staatliches Tierschutzsiegel, die fairste Lösung für alle am Prozess der Lebensmittelerzeugung Beteiligten“.

Lesestoff:

www.tierschutzlabel.info

[1] Tierschutzlabel vom Tierschutzbund

Der Wettbewerb um das Tierwohl läuft

Eigenmarken treiben das Tierwohl

[2] Brancheninitiative Tierwohl

[3] Flächenüberhang und Dauerniedrigpreise werden von Verein „Die Lebensmittelwirtschaft“ gegenüber den Verbrauchern ausgeklammert

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-14“ anzeigen lassen]

Zurück