Tank, Magen und Natur: Robert Bosch Juniorprofessur
Landwirtschaft
Erste Juniorprofessorin forscht über Biodiversität
Neun Millionen Euro hat die Robert Bosch Stiftung bislang für die Forschung über die Nachhaltigkeit für verschiedene Projekte ausgegeben. Gestern kam in Berlin die zehnte hinzu. Folgerichtig findet Dr. Ingrid Hamm, Geschäftsführerin der Stiftung, denn Robert Bosch fand die Forschung im Agrarbereich „moralisch und lebenswichtig“. Letztlich forscht Nachfolger und diplomierter Forstwirt Christian Bosch südlich von München auf einem Moorstandort über organische Landwirtschaft. Zu diesem Zweck hatte der Firmengründer das Gelände seinerzeit auch gekauft. Seit 1964 fördert die Robert Bosch Stiftung die Forschung.
Biodiversitätsforschung in Afrika
Zwar müsse die Politik für Lösungen der großen Herausforderungen wie Mangelernährung, Verunreinigung des Wassers oder Artenarmut sorgen, sie brauche aber, so Dr. Hamm, eine interdisziplinäre wissenschaftliche Entscheidungsgrundlage. So wurde 2006 erstmals eine Juniorprofessur ausgeschrieben, die Dr. Nina Farwig, studierte Biologin aus Marburg in Empfang nehmen durfte. Seit 2002 forscht sie in Ostafrika, besonders in Kenia, über die Auswirkungen der zunehmenden Zerstückelung des Regenwaldes.
In seiner Laudatio erinnerte Prof. Klaus Töpfer an die Genesis 2, in der ein Garten nicht nur bebaut, sondern auch bewahrt werde. Demnächst müssen 8,5 Milliarden Menschen ernährt werden. Hier steht die Ressourcennutzung im Vordergrund, die das Naturkapital nicht zerstört.
Die Fotos von Dr. Farwig hingegen zeigen nur noch Regenwaldinseln zwischen urbargemachten Feldern. Und diese sind noch durch illegalen Brennholzeinschlag und Sammeln von Medizinalpflanzen bedroht. Bislang konnte die junge Wissenschaftlerin zeigen, dass beim Verdrängen des Hornvogels, keine Baumsamen mehr verbreitet werden. Die fallen zu Boden, keimen schlecht und werden von Nagern und kleinen Säugetieren aufgefressen. Die Fragmentierung des Regenwaldes führt zu geringerer Artenarmut und vermindert das Regenerationspotenzial des Regenwaldes, der dann seinen weiteren Aufgaben zur Bindung des Kohlendioxid nicht mehr ausreichend nachkommen kann.
Die Juniorprofessur ist mit einer Million Euro ausgestattet, mit denen Dr. Farwig in den nächsten fünf Jahren im östlichen Südafrika den Störungsgradienten zwischen Solitärbäumen, Plantagen, Waldinseln und naturnahem Wald messen will. Es geht dabei nicht nur um das Zählen von Arten. Biodiversität beinhaltet auch die Vielfalt der verschiedenen Ökosysteme. Gemessen werden sollen daher auch die Prozesse der Artenvielfalt.
Zwischen Tank und Teller
Die Robert Bosch Stiftung, deren Beiratsvorsitzender Prof. Klaus Töpfer ist, will mit ihrer Forschungsförderung das anstoßen, was Töpfer in der Politik bemängelte. Entwicklungshilfe werde zu sehr nach politischen Grundsätzen ausgerichtet und nicht nach Forschungsbedarf.
So diskutierten mit ihm Prof. Andreas Troge, Präsident des Umweltbundesamtes (ganz links auf dem Foto), und Prof. von Witzke, Agrarökonom der Humboldt Universität in Berlin (mitte rechts neben dem Moderator), gleich über das Thema der nächsten Ausschreibung: Bioenergie - Voller Tank oder voller Magen?
Für Prof. Troge ist die Situation dramatischer, denn aktuell „werden die Mägen noch lange nicht voll und die Tanks immer leerer“. Der Begriff der erneuerbaren Energien beinhalte den Denkfehler, dass er vermittele, die Energien wären unendlich erneuerbar. Das jedoch stimme nicht, denn die Fläche ist begrenzt.
Prof. Witzke bemängelt die Vernachlässigung des Agrarforschungspotenzials. In der Vergangenheit habe die europäische Agrarpolitik zu niedrigen Weltmarktpreisen geführt und den Entwicklungsländern den Anreiz genommen, in die Landwirtschaft zu investieren. Das kehre sich jetzt langsam um und scheint notwendig zu sein: Ohne eine Produktivitätssteigerung auf der sich verknappenden Fläche sei die Menschheit nicht mit Nahrung und Energie zu versorgen. Derzeit müssten die Industrieländer noch die Forschung für die Entwicklungsländer mit betreiben. Dabei, so Witzke, hat die Pflanzenzüchtung volkswirtschaftlich mit 20 bis 25 Prozent die höchsten Renditen. Nach vier bis fünf Jahren hat sich das Forschungsgeld amortisiert und bringt dann einen Gewinn von 20 je investierten Euro.
Allerdings, so Töpfer, zeige das Beispiel Afrika, dass dort Biomasse bereits 40 Prozent des Energie stelle. Neben dem Gleichgewicht zwischen Teller und Tank dürfe die Natur nicht außer acht gelassen werden. Bei der Biomasse gehe es zukünftig mehr um die Effizienz der Nutzung und Wärmeausbeute als um die Mobilität.
Mit Blick auf die aktuelle Juniorprofessur und den kommenden Biodiversitätsgipfel im Mai in Bonn prognostiziert Töpfer einen noch weitgehend unbeachteten Konflikt: Die südlichen Länder werden Fragen stellen. Sie sehen sich Forderungen zur Erhaltung der Biodiversität ausgesetzt, die aber von den Industrieländern durch Patente ausgenutzt werde, um die daraus entwickelten Produkte teuer wieder an den Süden zu verkaufen.
Juniorprofessur 2009
Mit der Vergabe der ersten Juniorprofessur wurde gleich der Startschuss für die zweite gegeben, die am 01. Januar 2009 angetreten werden soll. Bis zum ersten Juni haben die Bewerber Zeit, ihre Unterlagen einzureichen. Zwei Themenbereiche stehen zur Auswahl: Landnutzungskonflikte und Landwirtschaft und Gesundheit. Bei den Landnutzungskonflikten geht es um die vielfältigen Nutzungsmöglichkeiten der Nahrungs- oder Energieproduktion, aber auch für den Aufbau notwendiger Kohlendioxidsenken. Der zweite Bereich bezieht sich beispielsweise auf Zoonosen, wie die Vogelgrippe oder der Verbindung zwischen der Art der Landnutzung und Unterernährung.
Ab sofort können sich Doktoren für den Juniorprofessor bewerben. Alle Details gibt es unter www.bosch-stiftung.de/juniorprofessorship
Lesestoff:
Ende Dezember 2007 gab es in Berlin den sechsten Kongress „Policies against Hunger“, der sich mit der Konkurrenz zwischen Nahrung und Energiepflanzenanbau in den Entwicklungsländern beschäftigte.
Roland Krieg; Fotos: roRo