Teillösung iLUC unbrauchbar
Landwirtschaft
HFFA-Studie sieht iLUC-Bewertung kritisch
iLUC ist ein Gedankenmodell, dass von Brüssel aus
Furore macht. Die EU hatte das International Food Research Institut (IFPRI) zu
prüfen beauftragt, ob der zusätzliche Ausbau von Biokraftstoffen in der EU
zwischen 2008 und 2020 Auswirkungen auf die Landnutzung in anderen Ländern hat.
Raps für Biodiesel oder Rüben für Bioethanol würden auf Flächen angebaut, die
nicht mehr für die Nahrungsmittel- oder Futterproduktion zur Verfügung stünden.
Bei gleichbleibendem Bedarf der Europäer müssten in anderen Ländern neue
Flächen in Anspruch genommen werden, die diese Nahrungs- und Futtermittel
produzieren. Das verdrängt dort den Anbau heimischer Nahrungsmittel in den
Regenwald. Daher müssten, so die Überlegung, in Europa hergestellte
Biokraftstoffe mit einem zusätzlichen Faktor in Gramm CO2 versehen
werden, weil der verschobene Anbau neue Treibhausgase emittiert.
Das wäre eine Korrekturrechnung zur Einsparung von
Treibhausgasen aus heimischer Biokraftstoffproduktion. Diese Anbauverdrängung
wird als indirekte Landnutzungsänderung (indirect land use change, iLUC)
bezeichnet und wurde vor kurzem noch im Europaparlament in erster Lesung
abgestimmt [1].
Plausibel, aber richtig?
Auch in Brüssel mehren sich die Stimmen, die an der
Richtigkeit der iLUC-Berechnungen zweifeln. Was nachvollziehbar klingt, muss
keine Ursache-Wirkung-Beziehung haben. Und ob alle Parameter wirklich berechnet
sind, ist derzeit auch noch offen. Der Bundesverband der Deutschen
Bioethanolwirtschaft (BDBE) hat Prof. Dr. Harald von Witzke vom Humboldt-Forum
for Food & Agriculture (HFFA) und Dr. Steffen Noleppa vom agripol network
for policy advice beauftragt, aus den vorliegenden Daten eine Expertise über
den Stand der iLUC-Forschung zu schreiben. Diese wurde am Montag in Berlin
vorgestellt und kam zu dem großen Fazit, dass der Forschungsstand noch auf der
Stufe der Grundlagenforschung ruht und zu viele Unsicherheiten für eine
angewandte Forschung und eine Politikberatung existieren. Dennoch sind die
vorliegenden Studien des IFPRI und des europäischen Joint Research Center (JRC)
gute Grundlagen für weitere Untersuchungen.
So werden EU-Parlament und EU-Rat nach Einschätzung von
Dietrich Klein, Geschäftsführer des BDBE, die iLUC-Bewertung wohl in einen
politischen Jahresbericht über Biokraftstoffe aufnehmen, aber auf konkrete
Werte verzichten, so lange keine valide wissenschaftliche Berechnungsgrundlage
existiert.
Bis dahin gilt es, den Schaden in der Branche zu
beseitigen, erklärte Prof. Dr. Markwart Kunz, stellvertretender Vorsitzender
des BDBE. Denn mit iLUC wurde in den letzten Jahren erheblich Politik gemacht
und ohne wissenschaftliche Evidenz der Biokraftstoff diskreditiert.
Die wissenschaftliche Kritik
Auch die Autoren der Studien von IFPRI und JRC
thematisieren die schwache Datengrundlage für eine iLUC-Bewertung. So haben die
Zuckerrüben schon heute das für 2020 prognostizierte Ertragsniveau erreicht.
Weiter steigende Erträge verändern aber die iLUC-Bewertung. Bei Raps fällt
neben Biodiesel auch Eiweißfutter an, das Importe wiederum substituieren kann.
Solche Koppelprodukte sind in den bisherigen Studien bislang ungenügend berücksichtigt.
Unsicherheiten bestehen auch über die tatsächliche CO2-Emission je
Hektar Land, sowie die Bewertung von Stillegungsflächen. Die Studie von agripol
kommt zu dem Schluss, dass die getroffenen Annahmen die Emissionen der
Biokraftstofferzeugung tendenziell überschätzen.
Bisherige Studien haben alles andere als ein
einheitliches Bild von Treibhausgasemissionen aus beispielsweise Mais
hervorgebracht.
Je nach agrarökonomischem Modell schwanken die
iLUC-Werte zwischen -85 und +350 g CO2eq/Mega-Joule was einem
„Zuschlag“ von -2,72 bis +11,20 g CO2eq/Liter entspräche.
Dr. Noleppa sieht in einem iLUC-Wert sogar die „Büchse
der Pandora“. Denn der Wert gilt nur für Biokraftstoffe und nur für Europa. Ein
Malus würde eine einzelne Nutzung diskreditieren und Forderungen für andere
erheben: So könnte die Extensivierung für den Ökolandbau mit einem Malus
versehen werden, wie der Fleischkonsum oder das Greening. Da iLUC nur in Europa
greifen würde, wären Verdrängungseffekte möglich, die in der Gesamtrechnung gar
nicht auftauchen.
Die politische Kritik
iLUC wäre vor allem für die Politik ein Wert für die Berechnung der Klimaziele. Gegenwärtig senkt Bioethanol die Treibhausgasemission von fossilem Treibstoff um die Hälfte. Mit den Malus-Werten versehen käme der Treibstoff nur noch auf ein Reduzierungspotenzial in Höhe von 35 Prozent. Wollten die Europäer dann ihre Klimaziele im Mobilitätssektor verfolgen, müssten noch mehr Biokraftstoffe eingesetzt werden, kritisierte Dr. Kunz.
1 Produktionskosten auf Basis: Durchschnitt Rotterdam
2012 601€/Kubikmeter Benzin und 634 €/Kubikmeter Bioethanol; 2 Bioethanol mit
50 % CO2-Vermeidung; 3 Erdgas in Gas- und Dampfkraftwerk; 4
Wasserkraftanlage; 5 Onshore-Anlage; 6 Biogas aus Gülle (4 bis 6: EEG-Umlage
2012 3,6 Ct/kWh)
Die Erhöhung der Vermeidungskosten werde sich auch kostenwirksam bei den Verbrauchern bemerkbar machen.
Effektivere Methoden
Der Blick auf die Vermeidungskosten für Kohlendioxid
zeigt, dass iLUC den Kostenvorteil der Biokraftstoffe nicht umkehren werden. In
der Tat wären die Auswirkungen der iLUC-Faktoren auch nur klein. Deshalb aber
auch zu hinterfragen, warum sie hoch gehandelt werden. „Stellvertretend“, meint
Dietrich Klein. Das Waldgesetz in Brasilien kann den Regenwald besser schützen
als ein iLUC-Wert. Oder: Vor allem in Deutschland wird der Gebäudesanierung im
Wärmebereich ein erheblicheres Reduktionspotenzial von Treibhausgasen
zugeschrieben, als die Berücksichtigung von iLUC erreichen kann. Statt solcher
Werte, wären Gesamtkonzepte für die Mobilität ebenfalls effektiver und hätte
ein veränderter Fleischkonsum im Jahr 2020 ebenfalls deutlichere Effekte als
dieser Korrekturwert. Außerdem, so Klein, ist die weltweite Datenlage über die
Flächen und deren Nutzung immer noch mit einem Unsicherheitswert behaftet, der
scheinbar exakte iLUC-Werte deutlich übersteigt.
Auch die „normale Entwicklung“ der Landwirtschaft
sticht die Bedeutung der Biokraftstoffe aus. Prof. Dr. Harald von Witzke hat
über die Preiselastizität der Nachfrage einen maximalen Preisanstieg 13,3
Prozent errechnet. Dabei sind Koppelprodukte und Expansion auf
Stilllegungsflächen noch gar nicht erhalten. Das würde den Preiseffekt bei einer
weltweiten Anbaufläche von vier Prozent schon um die Hälfte senken. Den Beitrag
der EU bezifferte er auf 1,2 und den Beitrag Deutschlands auf 0,3 Prozent.
Demgegenüber ist der Weizenpreis seit dem Jahr 2000 durch die hohe Nachfrage
schon um 125 Prozent angestiegen.
Wie es mit den Verdrängungseffekten weiter geht, bleibt
offen. Kritik gibt es auch in Brüssel. Dort wird die Studie ebenfalls
vorgestellt.
Lesestoff:
Die Studie finden Sie unter www.bdbe.de
[1] Europaparlament will schnell andere Quellenerschließen
EU-Vorschlag zur Klimabilanz Biokraftstoffe
Roland Krieg: Grafiken: agripol und BDBE