„Teller und Tank“ auf dem gleichen Feld
Landwirtschaft
Leindotter zwischen Weizen als neues Anbaukonzept
In der letzten Zeit werden Energiepflanzen für den Anstieg der Lebensmittelpreise verantwortlich gemacht und die Öffentlichkeit in die Zwickmühle „Teller oder Tank“ getrieben. Beides muss sich aber gegenseitig nicht ausschließen erklärt Prof. Gerold Rahmann, Leiter des zum Johann Heinrich von Thünen-Institut (vTI) gehörenden Instituts für den Ökologischen Landbau: „Wir haben eine Anbaukonzeption entwickelt, bei der auf dem Feld neben der Hauptkultur „für den Teller“ eine zusätzliche Kultur eingesät wird, die Treibstoff „für den Tank“ produziert.“
Synergien nutzen
Die Zweitkultur ersetzt nach Angaben des vTI einen Teil der Begleitflora, umgangssprachlich Unkraut genannt, und nutzt deren Nährstoffe. Stehen verschiedene Pflanzen gemeinsam auf dem Feld, können sie sich – geschickt gemischt – wunderbar ergänzen. Ist die eine Pflanze schwach oder krank, ist die Ernte der anderen noch gesichert. Will eine Pflanze sich bei Hagel senken, wird sie vom Partner gestützt. Solche Stabilisierungen sind gerade im Ökolandbau erwünscht, weil dort oft keine anderen Regulative zur Verfügung stehen.
Seit 2001 forscht das vTI an der Nutzung gemeinsamer Effekte und will die Ölpflanzen wieder in den Ökolandbau integrieren. Das Pflanzenöl kann die hofeigenen Landmaschinen antreiben und die zweite Komponente wird als Nahrungsmittel genutzt. Ohne zusätzlichen Flächenbedarf.
Geprüft wurden Mischungen aus Raps mit Getreide, Senf mit Erbsen, Färberdistel mit Lupinen oder Lein mit Weizen. Die Wissenschaftler griffen auf die Erfahrungen aus Bauernhand zurück. Die alte Kulturpflanze Leindotter (Camelina sativa), die vor 50 Jahren noch verbreitet angebaut wurde, hat sich als guter Mischungspartner für Erbsen, Lupinen und Weizen erwiesen. So war es in einem Mischanbau möglich, nahezu den vollen Erbsenertrag von drei Tonnen pro Hektar zu erzielen und zusätzlich 250 Liter Leindotteröl zu gewinnen.
Zusammen mit Sommerweizen verlor der Leindotter an Ertragskraft, erzielte aber immer noch 150 Liter Leinöl. Das reicht, denn um einen Hektar zu beackern, brauchen die Landmaschinen zwischen 80 und 150 Liter Treibstoff.
Eigenversorgung angestrebt
Jedes Pflanzenöl hat seine typischen Qualitäten, aber und nur für Rapsöl liegen Standards und ausreichende Erfahrungen vor. Das vTI will mit dem Lehrstuhl für Kolbenmaschinen und Verbrennungsmotoren der Universität Rostock ein Forschungsprojekt durchführen, in dem Leindotteröl aus Kaltpressung in Mischungen mit anderen kaltgepressten Pflanzenölen in Versuchsmotoren und in einem Praxisschlepper erprobt wird. Für die Erzeugung des umweltfreundlichen Kraftstoffs sind die vorhandenen dezentralen Pflanzenölmühlen ein wichtiges Strukturelement im ländlichen Raum. Im kommenden Herbst wird ein Teilbetrieb des vTI in Schleswig-Holstein auf eigenerzeugten Treibstoff umgestellt. Prof. Rahmann: „Wir wollen genauso viel Lebensmittel wie vorher produzieren und zusätzlich den benötigten Treibstoff auf der gleichen Ackerfläche gewinnen.“
roRo; Foto: vTI: Mischfruchtanbau von Weizen und Leindotter auf einem Feld des Instituts für Ökologischen Landbau in Trenthorst