Tierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern

Landwirtschaft

Hat die Tierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern Zukunft?

Im Wendejahr gab es in Mecklenburg-Vorpommern 1,1 Millionen Rinder und zwei Millionen Schweine. Davon ist heute nicht mehr viel übrig geblieben. 550.000 Rinder, 780.000 Schweine und knapp 80.000 Schafe. Landwirtschaftsminister Dr. Till Backhaus fügte seinem Rückblick auf dem Landesbauerntag in Linstow auch die Gründe an, weshalb die Tierhaltung in Ostdeutschland abgebaut wurde: Es fehlten zu Beginn Milchquoten, Mutterkuh- und Schafprämie. Was in dem Flächenland übrig geblieben ist verteilt sich statistisch mit 0,47 Großvieheinheiten auf einen Hektar – fast nur ein Drittel der Tierdichte, die in Niedersachsen und Westfalen erreicht wird. Zum einen kann Mecklenburg-Vorpommern genauso wie das südliche Brandenburg noch viel mehr Nutztiere halten, um den Böden organische Nährstoffe zuzuführen [1], zum anderen wehrte sich Dr. Backhaus über das Bild, das Küstenland sei mit großen Tierhaltungen übersät.
Keine Frage: Die Betriebe sind im Vergleich zum Westen groß. Von 952 im letzten Agrarbericht erfassten Milchviehbetrieben haben 191 Betriebe mehr als 300 Kühe, 121 zwischen 200 und 299 Kühen und 184 Betriebe haben zwischen 100 und 199 Kühe. Es gibt auch noch 166 Betriebe mit maximal zwei Tieren und 54 Betriebe mit drei bis neun Milchkühen. In Mecklenburg-Vorpommern ist wie in Brandenburg die Tierhaltung oftmals auf einem Punkt konzentriert.

Viehhaltung ist mehr als Gülle und Bestand

Daher stellte sich der Landesbauernverband am Donnerstag die Frage, wie es künftig mit der Tierhaltung in dem Bundesland weitergehen soll. Helga Lagemann vom Landkreistag wollte großen Beständen nicht per se den schwarzen Peter zuschieben, zog aber auch Grenzen. Der ländliche Raum funktioniere nicht mehr, wenn die Landwirtschaft aufhört zu funktionieren. Deshalb gehört gerade die Nutztierhaltung mit ihren nachfolgenden Verarbeitungsprozessen zur wirtschaftlichen Entwicklung des Landes dazu. Aber diese Kreisläufe sollen regional sein, so Lagemann, „sonst bleibe nur Gülle und der Bestand“ im Dorf. Im Landtag laufe eine vom Wirtschaftsministerium begrüßte Initiative zur Begrenzung der Bauprivilegien im Außenbereich.
Minister Backhaus gibt das große Leitbild vor: „Ich will eine bodengebundene Tierhaltung in Mecklenburg-Vorpommern!“. Strukturen wie in Baden-Württemberg oder Bayern habe es in Norddeutschland nie gegeben. Ein Weg dahin stehe außer Frage. Aktuell gibt es 70 Verfahren nach dem Bundesimissionsschutzgesetz zur Genehmigung von Tierhaltungen. 27 ohne Nachbarschaft zu einem FFH-Gebiet sind abgeschlossen, die anderen mit einem benachbarten Naturschutzgebiet sind noch offen. In den meisten Dörfern gebe es weniger Probleme mit großen Tierhaltungen. Größere treten nur dort auf, wo Zuzug die Bevölkerungsstruktur geändert hat oder wo Tierhalter über die Strenge geschlagen sind, so Backhaus.
Dennoch ist nicht alles eitel Sonnenschein. Stefan Schwill, Landesvorsitzender des Nabu-MV sieht punktuelle Eutrophierung durch zu hohe Nährstoffkonzentrationen, zu geringe Beschäftigungseffekte für die Region und mit Raps als einzige Auflockerung der Getreidefruchtfolgen zu wenig Biodiversität auf dem Land. Bei Bauanträgen reiche es nicht mehr aus, nur nach dem Imissionsschutzgesetz und der Guten Fachlichen Praxis zu entscheiden.

Tierhaltung und mehr…

Kirchenrat Markus Wiechert von der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Norddeutschland diskutierte mit. Im November 2011 wurde sogar ein Arbeitskreis zu Fragen der Tierhaltung gegründet, in dem auch Landwirte mitarbeiten. Das Thema ist nicht kirchenfern, wehrt sich Wiechert. Zum einen gehört die Tierhaltung zum Lebensalltag der Menschen dazu, um den sich die Kirche kümmert, zum andern tritt die Kirche oftmals als Verpächter von Land auf. Die Entscheidung, an wen verpachtet wird obliege zwar den lokalen Gemeinden, die Synode kann aber einen Regelungsrahmen setzen, was generell erlaubt oder verboten ist.
Neben den praktischen Fragen der Tierhaltung setzt die Kirche einen ethischen Schwerpunkt. Müsse dem Tier nicht eine Würde unabhängig seines Nutzwertes zugestanden werden?
Das sind durchaus Fragen, die mittlerweile in der Gesellschaft diskutiert werden. Aus diesem Grund ist nach Dr. Robert Kloos, Staatssekretär im Bundeslandwirtschaftsministerium, die Charta für Verbraucher und Landwirtschaft entstanden. Dr. Kloos begrüßt die lokale Umsetzung duch das Landwirtschaftsministerium in Schwerin, das mit der Perspektivkommission Mensch und Land [2] den Dialogprozess zwischen Bürgern und Landwirten begonnen hat.
Des Weiteren werde das Tierwohllabel zeigen, ob die Verbraucher neue Wege auch an der Kasse belohnen werden.

Zielkonflikte lösen

Vielleicht ist in Brandenburg der Dialog schwieriger zu führen, weil mit dem Kondensationspunkt Berlin mehr städtische Bevölkerung beteiligt ist. Die meisten Menschen in den Dörfern des Flächenlandes Mecklenburg-Vorpommern sind noch mit der Landwirtschaft aufgewachsen.
Es gibt Probleme im Land, unterstreicht Landesbauernpräsident Rainer Tietböhl. Er betont aber auch, dass die Bauern mit der Nutztierhaltung Geld verdienen müssen. Gerichtliche Klagen seien nicht der beste Weg des Dialogs und Tietböhl vermisst das Gespräch mit den Bauern: „Wenn wir das Knäuel nicht lösen, dann sehe ich für die Tierproduktion in Mecklenburg-Vorpommern schwarz.“
Was hilfreich wäre, ist sicherlich eine vom Bauernverband gezogene Trennlinie zwischen konventionellen Familienbetrieben und der bodenunabhängigen Gewerbelandwirtschaft.

Lesestoff:

[1] Keine Lust auf Großbetriebe in Brandenburg

[2] Perspektivkommission Mensch und Land in MV

Roland Krieg

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