Tierschutzlabel: Für Verbraucher oder dem Handel?
Landwirtschaft
Der Handel entscheidet über das Tierwohlzeichen
Neben der Preiskrise auf den Agrarmärkten ist auf der Internationalen Grünen Woche ein Jahr nach der Gründung der Initiative Tierwohl der Wettbewerb um ein Tierwohlzeichen voll entbrannt.
Unterhalb der Biosiegel hat kein Tierwohlzeichen im konventionellen Fleischbereich auch nur annähernd eine Marktdurchdringung erreicht. Klaus Müller vom Verbraucherzentrale Bundesverband sieht die Ursachen in unklare Kennzeichnung oder schwachen Standards. Schon daher forderte er zu Beginn der Grünen Woche ein nationales Tierschutzlabel. Die Verbraucher sind bereit mehr Tierwohl zu bezahlen. Wie viel ist nicht ganz klar. Der Ernährungsreport des Bundeslandwirtschaftsministeriums gibt unkommentiert den Betrag von 6,50 Euro je Kilogramm Fleisch wider. Das ist kaum vorstellbar, denn Edeka verweigert der Initiative Tierwohl einen Preisaufschlag von zwei Cent!
Die deutlicheren Standards des Tierschutzbunds könnten gut zu den Eigenbemühungen der Fleischbranche passen, mit der Initiative Tierwohl eine Massenbilanz aufzubauen. Das hat die Fachpresse vor der Grünen Woche kolportiert und fragte bei jeder Gelegenheit danach. Es scheint, als würde über die Fachpresse diese Möglichkeit ausgelotet.
Daraufhin hat sich Thomas Schröder vom Deutschen Tierschutzbund bei der Vorstellung seines Tierschutzlabels für Legehennen gleich positioniert und ein Angebot gemacht. Die Initiative Tierwohl müsse so schnell als möglich eine 100prozentige Deckung erreichen und die Nämlichkeit für eine Rückverfolgbarkeit einführen. „Da muss sich die Branche finden“, sagte Schröder.
Auch wenn beide Label-Initiativen von Steigerungen berichten können, befinden sich die Siegel im Wettbewerb auf kleinem Fundament. Aber nicht um den Kunden. Auch wenn diese mehrheitlich zu 78 Prozent nur einen Euro mehr bezahlen würde, wie Agrarökonom Prof. Dr. Achim Spiller von der Georg-August-Universität Göttingen detailliert berichtete, kann der Lebensmitteleinzelhandel eine Bereitschaft mehr zu bezahlen beim Kunden einfordern.
Darauf kann sich der Handel verlassen, der neben Biosiegeln auch das Regionalfenster in seine Regale untergebracht hat. Es ist schwer im Handel, der seinerseits im Wettbewerb steht gelistet zu werden. Aufgenommen wird nur das Produkt, das einen Margengewinn verspricht. Da konnte das Tierschutzlabel mit jeweils einem Vertreter von Globus und Lidl auf dem Podium gewinnen. Der Kunde wird am Ende das Produktlabel kaufen und mehr bezahlen, das in den nächsten Jahren dem Handel am meisten verspricht. Der hat ja jetzt die Auswahl und kann sich auf den Kunden verlassen. Auf der Erzeugerseite hingegen sieht das finster aus: Die Label müssen so gestaltet sein, wie sie dem Handel am besten passen – zweitrangig von Tierwohl und Verbraucherwünschen. Wer mehr will, greift zu Bio.
Roland Krieg
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