Tierwohl: Feste Ziele im schwierigen Umfeld
Landwirtschaft
Initiative Tierwohl von Schmidts Tierwohl unbeeindruckt
Die Metro spaltet sich auf. Metro Cash & Carry und die Real-Supermärkte sollen bis Mitte 2017 von der Metro AG getrennt an der Börse gelistet werden. Hinweise auf Effizienz und Verschlankung senden Signale der Unwirtschaftlichkeit aus. Einige Real-Geschäfte in Deutschland haben bereits geschlossen, die in Rumänien sind ebenfalls bereits verkauft. In diesem Umfeld an Tierwohl zu denken, ist schwierig. Daher hat Real den Ausstieg aus der Brancheninitiative Tierwohl (ITW) beschlossen. Ob damit auch sechs Millionen Euro das Budget verlassen, wollte Geschäftsführer Dr. Alexander Hinrichs auf der Grünen Woche nicht kommentieren. Zuvor sind sowohl der Deutsche Tierschutzbund und Pro Vieh aus der Initiative ausgetreten.
Der Auftritt der Initiative ist selbstbewusst. Seit der Gründung im Januar 2015 wurde der Brancheninitiative kaum eine Erfolgsaussicht bescheinigt – jetzt hat sie die Zeitspanne 2018 bis 2020 unter Dach und Fach. Vorher wird das staatliche Tierwohllabel auch kaum in Erscheinung treten. Seine Defizite stärken die ITW. Durch die Verschiebung des Kriterienkataloges und einem Start ausschließlich im Schweinesektor dräut von dort keine sichtbare Gefahr.
Der Stand
Bei jedem Kauf von Schweine- und Geflügelfleisch zahlt der Handel vier Cent in einen Topf, der den umgestellten Betrieben zugutekommt. Ein eigenes Kontrollsystem sichert die Qualität. Von den Kriterien ist die Labelverwöhnte Gesellschaft in Deutschland mehr gewohnt. Aber alle bisherigen Siegel kommen nur wenigen Betrieben zugute. Bei der Brancheninitiative „macht es die Masse“. 14,2 Millionen Schweine und 234,8 Millionen Hähnchen und Puten kommen in den Genuss der Tierwohl-Standards. Das sind 11,6 Prozent der Mastschweine, 31 Prozent der in Deutschland geschlachteten Hähnchen und 23 Prozent der in Deutschland geschlachteten Puten. Jedes andere Siegel darf für sich ausrechnen, wann es diese Anzahl an Tieren erreicht. Hinrichs: „Wir machen seit zwei Jahren Tierwohl, während andere nur darüber reden. Wir wissen, dass unser System funktioniert“. Es lebt vor allem von der Weiterentwicklung. Daher wird sich 2018 einiges ändern.
Die neuen Ziele
Die Grundstandards werden erhöht. Es wird bei Schwein und Huhn einen Trinkwassercheck und Stallklimacheck geben. Alle Tiere müssen zehn Prozent mehr Platz bekommen, wobei dieser Punkt bereits jetzt schon auf Platz zwei der Wahlpflichtkriterien steht. Die Initiative wird einen Tiergesundheitsindex einführen, der auf Millionen von vorhandenen Schlachtdaten basiert. Derzeit erarbeitet eine Arbeitsgruppe ein Auswertungsverfahren. Hinzu kommt eine Lebendschau. Kriterien stehen noch nicht fest und werden von einer Arbeitsgruppe festgelegt. Kritiker sehen die Anonymität der Massenbilanz als unzureichend an. Ab 2018 wird es beim Geflügel eine Nämlichkeit geben, so dass die Verbraucher beispielsweise über einen QR-Code Informationen über den Betrieb erhalten. Die Branche kommt damit den vielen Verbraucherwünschen entgegen. Bis jetzt wurde jeder Betrieb bereits zweimal kontrolliert. Es hat mehr als 6.600 Audits gegeben. Hinrichs versprach, dass ab 2018 noch mehr unangekündigt kontrolliert werden soll. Und am Wichtigsten ist der Anstieg des Investitionsvolumens. Der Handel hat sich ab 2018 bereit erklärt, nicht nur vier, sondern 6,25 Cent pro Kilo verkauften Fleisches in den Fördertopf einzubezahlen. Damit erhöht sich der Beitrag von 86 auf 130 Millionen Euro.
Bekanntheitsgrad steigern
Landwirte beklagen, dass die mit der Initiative nicht werben können. Trotz der hohen Tierzahlen liegt der Bekanntheitsgrad der Initiative gerade einmal bei 10,7 Prozent. Das staatliche Bio-Siegel mit 75.000 Produkten kommt nach einer Umfrage des Handelsjournals im letzten Jahr auf einen Bekanntheitsgrad von 90 Prozent. Das hat Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt erkannt. Beim staatlichen Tierwohllabel steht neben dem Signet zumindest der steuerfinanzierte Werbeetat von 90 Millionen Euro. Hinrichs sagte in Berlin, die Initiative habe eher dafür gesorgt, dass die 85 Millionen Euro des Handels beim Landwirt ankommen. Doch hat die die ITW das Kommunikationsdefizit aufgenommen. Schon in diesem Jahr soll mehr für die Bewerbung der Produkte möglich sein.
Wer ist auf welcher Augenhöhe?
Auch wenn 2018 der Handelsbeitrag auf 130 Millionen steigt, so ist das gegenüber dem vom Wissenschaftlichen Beirat für Agrarpolitik veröffentlichten Gutachten zur Nutztierhaltung nur ein „Kleckerbetrag“ gegenüber dem jährlichen Bedarf von drei bis fünf Milliarden Euro. Hinrichs steckt diese Kritik gelassen weg. Die ITW habe ein System mit „Hand und Fuß entwickelt“. Niemand der höhere Summen einfordert habe vergleichbares aufbauen können. Am Ende müsse der Markt über die zur Verfügung stehenden Summe entscheiden.
Mitmachen
Bei dieser Gelegenheit kritisiert der Chef zurück. Nur eine Handvoll Lebensmittelhändler haben sich überhaupt zu dieser Initiative engagieren wollen. Der gesamte Außer-Haus-Bereich und die Hotellerie sind noch gar nicht eingestiegen. Da liege noch viel Potenzial für mehr Tierwohl brach. Einer der größten Caterer hat sich für einen Pauschalbetrag entschieden. Appetito wird so zum „Fördermitglied“. Im Ausland sourcen und zu Hause einen Symbolbetrag für die Teilnahme erübrigen? Das sei kein Greenwashing, sagte Hinrichs zu Herd-und-Hof.de . Die Initiative wolle ja kein Unternehmen verpflichten und damit in den Markt eingreifen. Die Möglichkeit eines Förderbeitrages könne als Signal für andere wirken, ebenfalls Gelder zu geben, die bei den Landwirten ankommen.
Warteliste
Ein Ärgernis allerdings bleibt. Die Warteliste. Stand Grüne Woche: An der ITw nehmen 2.474 Schweine haltende Betriebe und 650 Geflügelbetriebe teil. Auf der Warteliste stehen noch 2.100 Schweine und 100 Geflügelhaltende Betriebe. Für die war einfach kein Geld mehr da. Das wird sich auch 2018 nicht ändern. Sobald Geld vorhanden ist, wird die Wartenliste abgearbeitet. Wer neu hinzukommen will, der muss sich hinten anstellen.
Erlebnis Bauernhof www.initiative-tierwohl.de
Roland Krieg; Fotos. roRo
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