Tomaten im Weltall

Landwirtschaft

Mars-Astronauten sollen Tomaten anbauen

Vom Samen zur Frucht bei verminderter Schwerkraft: 2016 werden Forscher der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) und des Instituts für Luft- und Raumfahrtmedizin des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) einen Satelliten mit einem Gewächshaus an Bord ins All schießen. Sie wollen herausfinden, wie kompakte Lebenserhaltungssysteme für Langzeitmissionen genutzt werden können und wie die Organismen auf Schwerelosigkeit über einen langen Zeitraum reagieren. Dabei wird aus synthetischem Urin Düngemittel gewonnen, um Zwergtomaten zur Reife zu bringen.

Gewächshaus im All

Ein ein Meter hoher Zylinder aus Metall, rund ein Meter im Durchmesser: Das ist der Kompaktsatellit Eu:CROPIS – gebaut vom DLR – , der voraussichtlich im Frühjahr 2016 mit einer Falcon 9 Rakete von der Vandenberg Air Force Base in Kalifornien in die Erdumlaufbahn geschossen wird. In seinem Inneren befindet sich in separaten Kammern zweimal der gleiche Versuchsaufbau: Ein kleines Ökosystem mit einem Gewächshaus (s. Foto), das die fürs Weltall gezüchtete Tomatensorte „Micro-Tina“ beherbergt, ein Tank, in dem die einzellige Alge Euglena gracilis schwimmt, ein Wassertank und ein Filter. „Die Experimente an Bord von Eu:CROPIS werden wichtige Ergebnisse liefern, um ein Überleben der Menschheit in lebensfeindlichen Räumen zu ermöglichen“, erklärt DLR-Wissenschaftler Dr. Jens Hauslage, wissenschaftlicher Leiter der Mission.

Pflanzen fehlt die Sdhwerkraft

Während der rund ein Jahr dauernden Mission wird jeweils nur einer der beiden Versuchsaufbauten aktiv sein. Der Grund: Die Wissenschaftler untersuchen die Auswirkungen von Schwerkraft auf das Lebenserhaltungssystem und die Alge Euglena gracilis: Zuerst wirken Kräfte vergleichbar mit der Schwerkraft unseres Mondes (0,16 x Erdschwerkraft g) und dann der des Mars (0,38 x g) auf das Gewächshaus ein. Die Schwerkraft in der Schwerelosigkeit wird erzeugt, indem der Satellit sich um seine Achse dreht. Ähnlich wie in einem Kettenkarussell wirkt dadurch eine Kraft nach außen, die auf das gesamte Experiment im Inneren als künstliche Schwerkraft wirkt. Die Forscher wollen so herausfinden, ob – und wenn ja, wie – sich die Einzeller an die dauerhaft verringerte Schwerkraft anpassen können und welche Reaktionen Pflanzen in einem solchen Lebenserhaltungssystem zeigen.

„Mit diesem Experiment wollen wir sehen, ob es möglich ist, Pflanzen in kompakten Anlagen mit in den Weltraum zu nehmen und für das Luft-, Wasser- und Urinrecycling sinnvoll einzusetzen. Das wäre für Langzeitmissionen sehr nützlich“, erklärt Dr. Sebastian M. Strauch von der Arbeitsgruppe um PD Dr. Michael Lebert vom Lehrstuhl für Zellbiologie der FAU. Das Gewächshaussystem hält alle Nährstoffe bereit, die die Tomatenpflanzen benötigen: Das Wasser kommt aus einem Tank, der Dünger wird vor Ort hergestellt. In regelmäßigen Abständen wird dem Kreislauf künstlicher Urin zugeführt, der mithilfe von Bakterien im Filter zu dem benötigten Nitrat abgebaut wird. Hier kommt Euglena gracilis, die einzellige Alge, ins Spiel: Denn bevor aus Urin Nitrat entsteht, wird das für Pflanzen giftige Ammoniak gebildet. Durch den Urin erhöht sich zunächst also der Ammoniak- Spiegel im Wasser. Die Filterbakterien bauen das Ammoniak zwar auch ab, allerdings nur langsam. Die Tomaten könnten in dieser Zeit an dem Gift Schaden nehmen. Euglena soll den Bakterien nun beim Abbau des Ammoniaks unter die Arme greifen. Für sie ist die Substanz nicht schädlich, ganz im Gegensatz: Sie braucht Ammoniak, um daraus Proteine herzustellen.

Das Eu:CROPIS-Experiment könnte auch für die Landwirtschaft interessant sein: „Die Gülle, die auf Feldern ausgefahren wird, enthält selbstverständlich auch Ammoniak. Die Bakterien in der Erde brauchen einige Zeit, bis sie den giftigen Stoff abgebaut haben. Ein Filter wie unserer könnte dabei behilflich sein, die Belastung der Böden zu reduzieren und gleich mehr hochwertiges Nitrat zur Verfügung stellen“, so Dr. Jens Hauslage.

Technik entwickeln

Zwei Jahre haben die Wissenschaftler Zeit, noch benötigte Technik für das Experiment zu entwickeln. Mit der Polymerase-Kettenreaktion sollen die Genabschnitte identifiziert werden, die für die Wahrnehmung der Schwerkraft wichtig sind. Die PCR-Maschine muss in kompakter Form für das Laboratorium im All zur Verfügung stehen. Auch dem Ionenchromatograph, mit dem im Wasser gelöste Ionen untesucht werden müssen, fehlt es noch an Kompaktheit

Katrin Piecha (FAU); Foto: Sebastian Strauch

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