Tropentag in Berlin

Landwirtschaft

Tropentag zwischen MDG und SDG

Kurz bevor die Vereinten Nationen Ende des Monats die Sustainable Development Goals (SDG) zur Unterschrift auslegen, die den Millennium Entwicklungszielen bis 2015 folgen sollen, findet der Tropentag in Berlin statt. Rund 1.300 registrierte Wissenschaftler aus mehr als 80 Ländern kommen an der HU Berlin zur interdisziplinären Schnittstelle zusammen, um die Aufgabe der künftigen Welternährung wissenschaftlich anzugehen. Neben dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) sind erstmals auch das Bundesforschungs- und das Bundeslandwirtschaftsministerium vertreten. Mehr als 730 Teilnehmer kommen aus Europa, die zweitgrößte Gruppe kommt mit über 230 Gästen aus Afrika.

Drei Tage lang tauschen Agrar-, Umweltwissenschaftler, Soziologen, Biologen und Ökonomen Erfahrungen aus ihren Forschungen zusammen. Gesucht wird ein stabiles System für die Nahrungssicherheit für zehn Milliarden Menschen.

Generaldirektor Shenggen Fan vom Internationale Food Policy Institute (IFPRI) verwies auf die zunehmenden Krisen der Weltgemeinschaft: Von Naturkatastrophen über knapper werdende Ressourcen bis zu politischer Instabilität, die Millionen Menschen auf die Flucht schickt. Unterernährung kostet die Welt jährlich rund fünf Prozent des Bruttosozialproduktes was 3,5 Billionen US-Dollar entspricht. Defizite bei der Versorgung mit Mikronährstoffen schmälern die Arbeitsleistungen in Höhe von zwei bis drei Prozent des Bruttosozialproduktes. Auch das ergibt die unvorstellbare Summe von 1,2 bis 2,1 Billionen US-Dollar im Jahr.

Der Blick auf die SDG gibt Hoffnung. 12 von 17 Zielen geben die Richtung für ein globales und sicheres Nahrungssystem vor. Das IFPRI selbst hat das neue Programm „Compact 2025“ aufgelegt, das am 18. November offiziell gestartet wird. Forschungsergebnisse sollen Innovationen auslösen, die schrittweise Partnerschaften begründen, um den Hunger bis 2025 zu beenden.

Frauen spielen dabei eine wichtige Rolle. Nach Brave Ndisale von der FAO wird die Landwirtschaft weltweit zu 43 Prozent von Frauen betrieben. Doch der fehlende Zugang zu Ressourcen, Technik und fehlender Landbesitz machen ihre Arbeit ineffizient. Frauen sind nicht nur die Bereitsteller von Nahrung auf der Haushaltsebene, sondern sobald sie Geld in die Hand bekommen, steigt das Nahrungsvolumen des Haushalts, gehen die Kinder zur Schule und bildet sich oftmals eine Perspektive für eine Zukunft, erläuterte Ndisale. Um die Rolle der Frauen zu stärken, brauchen die Länder starke Sozialsysteme mit Versicherungen gegen Krankheit und Ernteausfälle, Subventionen für betrieblichen Inputs, Geldtransfer und Beschäftigungsprogramme. Ein Engpass dabei ist der Faktor Land. Nach Brave Ndisale aber weniger das Land selbst, als die Verwaltung von Land. Die FAO hat dazu den Leitfaden „Responsible Governance of Tenure“ herausgegeben.

Aufgabenstellung und Lösungswege sind nicht neu. Und doch noch immer ungelöst. Das birgt die Gefahr, Ergebnisse schön zu rechnen. Davon hat der Philosoph Thomas Pogge von der amerikanischen Yale University auch die FAO nicht ausgenommen. Die Millenniums-Erklärung im Jahr 2000 wollte die absolute Zahl der Hungernden bis 2015 halbieren. Dazu wäre eine Reduktionsrate von jährlich 3,39 Prozent notwendig gewesen. Die Zwischenbilanz aus dem Jahr 2010 aber zeigte ein Plus von 17 Prozent.

Die kurz danach formulierten Millenniumsentwicklungsziele waren schon vorsichtiger und sprachen vom prozentualen Anteil der Hungernden an der wachsenden Weltbevölkerung. Zudem legten sie das Referenzdatum auf das Jahr 1990 zurück und konnten damit die erfolgreichen Anstrengungen Chinas in den 1990er in ihre Berechnungen einbeziehen. Zuletzt sprach die Weltgemeinschaft vom Ziel den Anteil der Hungernden in den Entwicklungsländern zu halbieren, so dass wegen des dort rasant wachsenden Bevölkerungsanteil die Quoten am Ende rein rechnerisch zu gewünschten politischen Erfolgen geführt haben.

Thomas Pogge schlägt vor, diese wichtige Zahlen für die Ausrichtung der Politik künftig von unabhängigen Organisationen errechnen zu lasse.

Im Jahr 2009 hat die FAO zudem eine neue Messmethode eingeführt, die Pogge ebenfalls kritisiert. Der Begriff Hunger wird nach Definition der FAO ausschließlich aus dem kalorischen Defizit ermittelt. Defizite von Mikronährstoffen, die ebenfalls die Gesundheit schmälern, kommen nicht vor. Zudem geht die FAO vom Mindestbedarf eines Menschen mit sesshaftem Lebensstil aus. In den Entwicklungsländern hingegen haben die Menschen durch weite Wege für Wasser und Brennholz und körperlicher Arbeit einen deutlich höheren Kalorienbedarf. Und zum Schluss definiert die FAO den Hunger nur, wenn er über den Zeitraum eines Jahres besteht, obwohl kurzfristige Knappheiten ebenfalls den Gesundheitszustand stark beeinflussen können.

Da die Indikatoren für die SDG noch festgelegt werden müssen, hegt Thomas Pogge Hoffnung, dass dann realistischere Indikatoren genutzt werden.

Lesestoff:

www.compact2025.org

Roland Krieg

Zurück