Umweltallianz Landwirtschaft

Landwirtschaft

Kongress zur MeLa in Güstrow

>Nach der neolithischen Revolution, als der Mensch sesshaft wurde und mit dem Ackerbau begann, erlebt Europa im letzten Jahrzehnt eine landschaftskulturelle Revolution. Dort wo Landwirtschaft betrieben wird entsteht Kulturlandschaft - und nach den Romantikern entdecken die Touristen das Land für sich. Die Landschaft, die sie haben wollen muss aber auch gestaltet werden und braucht die Aufwände Zeit und Geld. Die Landwirtschaft, die heute nur noch ein Teilbereich der Landschaft ist, muss den neuen Zielen angepasst werden, damit der See blau, die Wälder tief und die Hügel grün sind. Der intensive Ackerbau hat mit Überdüngung der Gewässer und Pflanzenschutzmittelrückständen sowie mit ausgeräumten Landschaften, die nur wenige verschiedene Tiere und Pflanzen beheimaten auch für genug Gesprächsstoff und Initiativen gesorgt. Umweltschutz bündelt gleichermaßen die Interessen der Bauern, der Umweltverbände und erholungssuchenden Bürgern. Prof. Dr. Wolfgang Methling, Umweltminister von Mecklenburg-Vorpommern, sieht schon eine lange Arbeitstradition an der "Umweltschutzallianz Landwirtschaft", die am 12. September 2002 in MV gegründet wurde. Gestern gab es eine Zwischenbilanz am Vortag zur MeLa in der Güstrower Viehhalle des Landeskontrollverbandes für Leistung- und Qualitätsprüfung.

Es ist noch viel zu tun
Die "Umweltallianz", an der auch die ökologischen Verbände beteiligt sind, biete die Chance, so Methling, die Gräben zwischen ökologischen und konventionellen Landbau zu überwinden. Die Ziele biologische Artenvielfalt, sozioökonomische Effekte, regionale Wirtschaftskreisläufe oder artgerechte Tierhaltung können alle Betriebe erfüllen.
Die "Umweltallianz" entspricht der nachhaltigen Entwicklung in den Agenda21-Prozessen. Aber es gibt noch viel zu tun. MV hat beispielsweise sehr viele Moorstandorte, die unter dem Mittelwasserspiegel liegen. In den nächsten 20 Jahren sollen rund 70.000 ha wieder vernässt werden. Insgesamt stehen dafür rund 26 Millionen Euro zur Verfügung und das bäuerliche Antragsvolumen für die Renaturierung übersteigt die aktuellen Fördermittel. Aber gemäß der Wasserrahmenrichtlinie gelten noch 90 Prozent der Fließgewässer, 70 Prozent der Küste und 36 Prozent der Seen als nicht optimal. Da es keine speziellen Finanzmittel gibt, müsse beispielsweise der Fließgewässerrückbau eigenfinanziert werden. Die anderen Bundesländer würden in diesem Bereich ohne Deckung arbeiten.

Umweltverträglichkeitsprüfung
Ein Moor oder eine Hecke sind jedoch nur der sichtbarste Teil der "Umweltallianz". Die Wirtschaftlichkeit der landwirtschaftlichen Betriebe stehe nach wie vor an erster Stelle, denn die Bauern erzeugen Lebensmitteln und Rohstoffe, legte Agrarminister Dr. Till Backhaus fest.
So gelten Nährstoffbilanzen auf den Betrieben nicht nur der Außenwirkung für die Umweltberichterstattung, sondern vor allem der Beurteilung der Düngerstrategie innerhalb des Betriebes: ausgewaschener Dünger ist ausgewaschenes Geld.
Prof. Dr. Gerhard Breitschuh, Leiter der Thüringer Landesanstalt für Landwirtschaft (TLL), sieht in der Betriebs-Brutto-Bilanz die optimalste Bilanzierungsmöglichkeit. In dieser Hoftorbilanz bezeichneten Rechnung, finden sich auf der "Einnahmeseite" der Futterzukauf, Mineraldünger, sonstiger Zukauf und die von Mikroorganismen auf dem Feld gebundene Stickstoffmenge. Aus dem Betrieb heraus gehen die Nährstoffe mit dem Verkauf pflanzlicher und tierischer Marktprodukte sowie anderweitigem Verkauf. So kann für jeden einzelnen Nährstoff ein Saldo berechnet werden, dass die Menge in kg auf die Betriebsfläche bezieht. Bundesweit wurden 240 Betriebe, davon 34 Ökobetriebe, mit der Hoftorbilanz untersucht und mit Bonituren für u.a. Phosphor, Stickstoff, Bodenverdichtung, Pflanzenschutz oder Grünflächenanteil versehen und verglichen. Das Ergebnis: gute Betriebe, die geringste Risikofaktoren aufweisen gibt es überall - unabhängig von der Ackergüte, dem Tierbesatz oder der ökologischen oder konventionellen Wirtschaftsweise. Dem Ergebnis zufolge sind Ökobetriebe nicht a priori umweltverträglich. Ökobetriebe können durch extensive Produktion weniger Ertrag erwirtschaften und bei P- und N-Mangel im Boden sogar eine negative Energiebilanz aufweisen, d.h. mehr Energie verbrauchen als auf dem Land gewinnen - was alles andere als nachhaltig sei, so Dr. Breitschuh. Bei der Artenvielfalt, der Flächengröße, Humusgehalt und Verdichtungsrisiko stehen die Ökobetriebe allerdings besser da.
Die Ökologie ist allerdings nur ein Teil der Nachhaltigkeit. Einkommen, Rentabilität oder Nettoinvestition sind zusätzliche ökonomische Kriterien, sowie Anteil Eigentümer, Arbeitsbedingungen oder Qualifikation spiegeln soziale Kriterien der speziellen Nachhaltigkeitsanalyse aus Thüringen wieder. Bei den ökologischen Betrieben stehen den eindeutigen Vorteilen in der Umweltverträglichkeit die wirtschaftlichen Risiken der extensiven Produktion und die große Abhängigkeit von staatlichen Zuwendungen gegenüber.

Beispiel Dünger
1996 wurde eine Düngerverordnung erlassen, die aktuell auf dem Prüfstand steht und bis Ende Dezember mindestens die folgenden EU-Richtlinien enthalten muss: Reduzierung der Stickstoff-Obergrenze auf 170 kg/ha und Regelung der Düngerausbringung auf stark geneigten Flächen. Für den Ackerbau, so Prof. Dr. Rolf Kuchenbuch, Leiter der LUFA aus Rostock, sieht bei dieser Minimalforderung kein Problem, zumal für den Ackerbau die Obergrenze bereits festgeschrieben ist. Diskutiert wird noch über andere Inhalte. Betriebliche Saldierungen von Nährstoffmengen sind kaum sinnvoll zu überprüfen und ab dem 01. November soll kein Wirtschaftsdünger mehr auf unbestelltes Ackerland ausgebracht werden.
Gilt, fragte Kuchenbuch, das dann auch für Ausfallraps, der auf den Stoppeln in den November hineinwächst? Auch das Bemessen für tiefgefrorenen Boden für ein Düngerverbot ist schwer festzulegen. Hier kollidieren behördliche Konzepte mit der betrieblichen Praxis.

Beispiel Wasser
Dabei wäre schon noch einiges zu tun, denn lediglich bei Ammonium und Phosphat zeige sich der abnehmende Trend in den Gewässern und Küstenstreifen von MV. Dr. Alexander Bachor vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie konnte bei Nitrat, Pflanzenmittelrückständen und Strukturgestaltung keine Entwarnung für sein Bundesland geben. Die Wasserrahmenrichtlinie hat zum Ziel, einen Ordnungsrahmen zu schaffen, der eine Verschlechterung der Oberflächengewässer verhindert und den "Zustand des Gewässerökosystems und der unmittelbar von ihnen abhängigen Landökosysteme und Feuchtgebiete" verbessert. Die vorgegebenen Nitratgehalte werden in Nassjahren aber nur zu 10 bis 20 Prozent eingehalten. Dabei zeigt sich ein direkter Zusammenhang zwischen Nitratbelastung und Ackerflächenanteil. Eine Algenmassenentwicklungen, wie sie beispielsweise 2002 im Greifswalder Boden auftrat fördert nicht den Tourismus. Bei Pflanzenschutzmittel legte Dr. Bachor vor, dass die ökotoxikologisch begründeten Zielvorgaben für 14 Wirkstoffe mindestens einmal, insgesamt bei 167 Wasserproben, überschritten wurden. Strukturprobleme weisen böschungslose Entwässerungsgräben auf, da durch die starke Sonnenbestrahlung Makrophyten gut gedeihen können.

Umwelt gibt es nicht umsonst
Urlaub auf dem Land kann in einer schönen und gesunden Landschaft nur mit einer dazugehörenden Landwirtschaft eingebettet sein. Agrarminister Backhaus sieht mit der "Umweltallianz einen Schritt in die richtige Richtung", denn sie ist ein Konzept für einen multifunktionalen, nachhaltigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaftszweig. Durch die Veredlungsbetriebe in MV stieg die Zahl der Arbeitskräfte zwischen 2001 und 2003 um fünf Prozent auf 23.740. Neben den 420 Millionen Euro Fördermittel gibt es zusätzlich 170 Millionen Euro, die jährlich in der Landwirtschaft investiert werden. Viele kleine Dinge stehen noch aus: So kann bei der Düngerausbringung auf den Prallteller verzichtet werden, der den Düngerausstoß aus dem Tank durch Rotation ungleichmäßig verteilt. Hier böte sich der Einsatz von Präzisionstechnik an (Kuchenbuch).
Nährstoffe werden weniger ausgewaschen, wenn die Anbaugestaltung eine Zwischenfrucht vorsieht und der Boden pfluglos Anbau bearbeitet wird (Bachor) . Nach Backhaus werden bereits 23 Prozent der Ackerfläche ohne Pflug bestellt. Für eine geringere Belastung der Gewässer mit Pflanzenschutzmitteln sollen Gewässerschutzstreifen von 7 Metern eingeführt, der ökologische Landbau gefördert werden und die Landespflanzenschutzämter verstärkt beraten. Die Strukturgüte der Fließgewässer wird durch Rückbau wiederhergestellt.
Das Material und der Aufwand müssen aber entlohnt werden und da für einen schönen Ausblick niemand bezahlen wird, muss das über die Preise für Lebensmittel gehen.

Biomasse-Boom?
Biodiesel, Biogas, Biomasse. Angesichts der steigenden Benzinpreise erleben nachwachsenden Rohstoffe einen Aufmerksamkeitsgewinn. Mit einem neuen Verbundprojekt läuft gerade ein mehrjähriger bundesdeutscher Versuch, Biomasse effizient in bestehende Fruchtfolgen einzubauen. Nachwachsende Rohstoffe waren in der zweiten Tagungshälfte auch Thema des Kongresses. Aber neben der Euphorie musste Dieter Bockey von der Union zur Förderung von Öl- und Proteinpflanzen, auch kräftig warnen: Die "Preisentwicklung für Rohöl stellt die Preispyramide für pflanzliche Rohstoffe auf den Kopf. 100 kg Weizen entsprechen einem Energiegehalt von etwa 38 bis 40 Liter Heizöl. Bei einem angenommenen Ölpreis von zur Zeit 52 Cent je Liter haben 100 kg Getreide also einen monetären Gegenwert von etwa 20 Euro. Der aktuelle Preis für Futterweizen bewegt sich dagegen bei 10 Euro je 100 kg." Wenn also Getreide als Regelbrennstoff für Kleinfeuerungsanlagen zugelassen wird entsteht hier eine neue Wettbewerbsbeziehung zwischen Energiegetreide und Nahrungsmittel. Die Margarineindustrie hat schon den hohen Rapsölpreis beklagt, so Bockey. Daher müsse man aufpassen, dass die Energiepreise von heute nicht die Nahrungsmittelpreise von morgen bestimmen. Und der hohe Benzinpreis hat noch einen weiteren negativen Effekt: "Die Mobilität hat heute einen so hohen Stellenwert, dass viele Verbraucher zunehmend in Discountmärkten Lebensmittel kaufen zur Gegenfinanzierung der Treibstoffkosten."
Das Land, so scheint es, ist noch lange nicht im Gleichgewicht. Und einfache Lösungen gibt es nicht.

roRo

Zurück