Unscharfe Millenniumsziele

Landwirtschaft

Wissenschaftler fordert Verbesserungen

>In der Millenniumserklärung von 2000 haben 189 UN-Mitgliedsstaaten acht so genannte Millenniumsziele (Millennium Developement Goals, MDGs) vereinbart, mit denen Armut und Hunger, Ausbildung, Gleichstellung der Geschlechter, Kindersterblichkeit, Gesundheit der Mütter, übertragbare Krankheiten, Schutz der Umwelt und weltweite Entwicklungspartnerschaften verbessert werden sollen. Die Halbierung der Zahl Menschen, die an Hunger und Armut leiden ist das bekannteste.
Seit Mittwoch ziehen die UN bei ihrem Gipfel in New York auch eine erste 5-Jahres-Bilanz der MDGs. Dabei haben die Ziele mittlerweile Platz in allgemeinen Entwicklungsstrategien gefunden und die deutsche Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul bestätigt im Tagesspiegel: „Die Millenniumsentwicklungsziele haben ihre Verpflichtung aus sich selbst.“
Im Vorfeld des Gipfels gab die stellvertretende UN Generalsekretärin Louise Fréchette allerdings die Richtlinie an die Wissenschaftler heraus: Der Gipfel solle nicht „mit Diskussionen über die Meßmethoden der MDGs belastet werden.“ Und genau da setzt die Kritik von Prof. Amir Attaran von der Universität Ottawa und Vorsitzender der kanadischen Forschung an: Es werde mehr über die Trends der MDGs geredet, als darüber, ob die Trends auch real sind.

Beispiel Malaria
Im Public Library of Science hat Prof. Attaran seine Kritik ausführlich zum Gipfel dargelegt (PloS Med 2(10: e318).
Die MDGs sind mit ihren gesetzten numerischen Kenngrößen und Zeithorizonten in den Entwicklungsalltag eingeflossen. Allerdings fehle es vor allem bei den gesundheitlichen Zielen an wissenschaftlichen Daten: „Oft muss man raten“, ob wichtige Ziele erreicht werden können. Beispielsweise ist Mauritus das einzige afrikanische Land, dass Geburten und Sterbefälle überhaupt ausreichend als Datenbasis an die UN übermittelt. Allermeistens gibt es zu viele Haushaltserfassungen, denen wichtige Daten fehlen, oder Daten ermitteln, die sich widersprechen. Oft sind Länder in Afrika und Asien mit drei, Ägypten und Tansania sogar mit fünf Haushaltsstatistiken ausgestattet.
Unterschiedliche Ergebnisse werden auch durch komplizierte Fragestellungen erzielt: Ob das Kinderbett mit einem Anti-Malaria-Netz ausgestattet ist, das zusätzlich noch mit einem Moskitomittel imprägniert sei, wird letztlich unbeantwortet bleiben. Eine richtige Antwort setzt sich aus den Parametern zusammen, welches Mittel mit welcher Dosis wann eingesetzt wurde und ob die lokale Moskitopopulation eine Resistenz gegen Pestizide aufweist. Das wisse kaum ein Befragter, so Attaran.

Zwei verschiedene Programme
Im MDG 6, Ziel 8 heißt es, dass bis 2015 die Malariaerkrankungen halbiert werden sollen. Allerdings gibt es zusätzlich noch das zwei Jahre ältere Programm zur Rückdrängung der Malaria von der Weltgesundheitsorganisation WHO, dass jeweils bis 2010 und dann 2015 die Zahl der malariabedingten Sterbefälle halbieren will.
Beide Ziele sind durchaus vergleichbar, was aber soll vornehmlich bekämpft werden? Die Zahl der Erkrankungen oder die Sterblichkeit? In diesem Jahr, so zitiert Prof. Attaran, meinen sowohl die WHO als auch die UNICEF, „es sei zu früh zu bestimmen, ob die globale Last der Malaria (Erkrankungen und Sterblichkeit) seit 2000 angestiegen oder gesunken ist.“
Die Briten als Hauptfinanzier des Rückdrängungsprogramms beschweren sich deutlich: „In einigen Fällen wurden Daten ohne jede Systematik und wissenschaftliche Methodik erhoben und sind so vollkommen bedeutungslos und nicht interpretierbar.“
Es gab auch warnende Stimmen innerhalb der WHO und UN. Trotzdem wurden die gesundheitlichen Ziele auf „mysteriöser Datenbasis“, so Attaran, formuliert.

Datengrundlage verbessern!
Die UN sind sich der unsicheren Datenlage wohl bewusst und will diese nach dem Gipfel neu bewerten. Für Prof. Attaran ist das zu spät, denn sie lägen erst beim nächsten Zwischenbericht 2010 vor: Dann blieben nur noch fünf Jahre Zeit.
Er möchte, dass eine UN-unabhängige Expertengruppe die Ziele innerhalb der nächsten 18 Monate bewertet. Wert legt er auf eine systematische und einheitliche Haushaltsstudie. Wo das nicht möglich sei, helfe ein Mikrozensus, und gegen Parameter, die nicht zu verbessern seien, hilft der Mut, auf sie zu verzichten.
Schließlich gibt es bei den MDGs auch positive Beispiele: Da die UN, die Regierungen und Unternehmen ausführlich Einkommensmessungen und Preisbestimmungen durchführen, ist das Ziel, die Zahl der Menschen mit weniger als einem US-Dollar Einkommen pro Tag bis 2015 zu halbieren, jederzeit genau festzustellen.

Prof. Attaran geht in seinem Artikel auch auf Tuberkulose, Mütter- und Kindersterblichkeit ein:
http://dx.doi.org/10.1371/journal.pmed.0020318

roRo

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