Uruguay – Das Tor zum Mercosur
Landwirtschaft
Deutschland und Uruguay gemeinsam in die Bio-Ökonomie
Gala vom Januar bis März, Granny von April bis Juni und Pink Lady von Mai bis Juli. Uruguay bietet einen Erntekalender, der für Westeuropa äußerst interessant ist. Doch das Land am Rio de la Plata bietet in den beiden ersten Monaten auch frische Birnen und ist einer der bedeutendsten Blaubeeranbauländer. Ab September bis in den Januar hinein kommen die kleinen Kraftpakete aus dem Gartenbau Uruguays.
Die Firma Gamorel beispielsweise hat sich seit 2005 auf Blaubeeren spezialisiert. In Salto, der drittgrößten Stadt in Uruguay, ganz im Westen am Rio Uruguay gelegen bewirtschaftet die Farm „El Asombro“ rund 500 Hektar Blaubeerplantagen. Das aktuelle Erweiterungsprojekt umfasst noch einmal weitere 200 Hektar. Gamorel kann mit Global GAP, Tesco Nurture, Smeta oder OHSAS zahlreiche Produktionsstandards erfüllen und wird von der amerikanischen Food and Drug Administration kontrolliert. Die eigene Verpackungsstation kann rund drei Millionen Kilo Blaubeeren pro Jahr reisefertig machen.
Die Wirtschaft des Landes ist in den letzten Jahren arg gebeutelt worden. Das Bruttosozialprodukt wuchs 2013 noch mit 4,6 Prozent und fiel im letzten Jahr auf 0,1 Prozent ab. In diesem Jahr sollen es wieder 1,7 Prozent werden. Die Land- und Forstwirtschaft gehört aber zu den stabileren Sektoren und wuchs 2015 noch immer mit 2,1 Prozent. Das ist für das Land wichtig, denn 45 Prozent der Ausfuhren sind Lebensmittel. Brasilien ist mit 14 Prozent noch immer der wichtigste Exportmarkt vor China und den USA (7 %). Nach Deutschland gehen 3,4 Prozent der Ausfuhren.
An der Spitze Südamerikas
Einer der wirtschaftlichen Engpässe des Landes ist die Infrastruktur. Für den Zeitraum zwischen 2015 und 2019 wurden 12 Milliarden Euro, etwas mehr als ein Viertel des Inlandsproduktes für Infrastrukturmaßnahmen eingestellt. Energie und Straßenbau stehen dabei an erster Stelle. Ohne ausländische Investoren lässt sich das aber nicht realisieren, schätzt Germany Trade & Invest (gtai), da die Regierung das Staatsdefizit verringern will.
Das Land bietet über Freizonen weit mehr als Soja und Rindfleisch. Uruguay hat sich in den letzten Jahren als Dienstleistungs-Hub für Südamerika positioniert. Uruguay steht in Südamerika beim Demokratie-, Wohlstands- und Rechtsstaatindex allen anderen Ländern Südamerikas voran. Es hat auch die niedrigste Korruption und, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel am Mittwoch sagte, auch den besten GINI-Koeffizienten in Südamerika: „Es zeigt sich also, dass man nicht nur wirtschaftliche Entwicklung vorantreibt, sondern auch die Verteilung unter den Menschen vernünftig gestalten möchte.“ [1] Staatspräsident Tabaré Vazquez ist mit Teilen des Kabinetts derzeit auf Staatsbesuch in Berlin. Der britische „Economist“ hatte Uruguay 2013 zum „Land des Jahres“ gekürt. Allerdings ist die Wirtschaft vom Wachstum der argentinischen und brasilianischen Nachbarn abhängig. Das stoppt derzeit die Intensivierung des Mercosur, bringt aber Schwung in die Freihandelsverhandlungen mit der EU.
Gemeinsame Bio-Ökonomie-Pfade
Den Schwung nimmt Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt gerne auf. Gegenüber seinem Amtskollegen aus der Republik Östlich des Uruguay, Tabaré Aguerra, soll die Beziehung zwischen dem Mersosur und der EU gerade vor dem Hintergrund der drohenden Barrieren des Handels, intensiviert werden. Uruguay könne dabei eine wichtige Rolle spielen, sagte Schmidt am Abend im Bundeslandwirtschaftsministerium. Am Nachmittag sagte Merkel, dass Uruguay und Deutschland nicht die „Hauptschuldigen“ an den Verzögerungen über das Mercosur-Abkommen sind. Sie hoffe, dass der Regierungswecshel in Argentinien die Verkrustungen aufbreche. Im März soll die nächste Verhandlungerunde laufen.
Im Landwirtschatsministerium haben Schmidt und Aguerra zusammen mit dem Julius-Kühn Institut im Beisein des Bundesinstituts für Risikobewertung (BfR) ein gemeinsames Papier für den Weg zur Bio-Ökonomie unterzeichnet. Präsident Vazquez betonte die gemeinsamen Anknüpfpunkte wie Klimawandel, erneuerbare Energien und Energieeffizienz, Berufsbildung, Wissenschaft und Technologie, sowie Innovation und intelligente Landwirtschaft. Das Land ernährt nicht nur seine 28 Millionen Einwohner. Es hat das Potenzial für die Ernährung von 50 Millionen Menschen und spielt daher eine wesentliche Rolle bei der Sicherung der Welternährung. Doch Exporte sollen „inklusiv“ sein, betonte die uruguayische Regierung gegenüber Merkel und Schmidt. Die effizeinte Wasserversorgung ist ein großes Thema in Uruguay. Die Landwirtschaft soll „intelligent“ mit der knappen Ressource umgehen. Uruguay werde unter dem Klimawandel mit Verschiebung und Verringerung der Niederschläge konfrontiert. Aguerra betonte die frühe Sicherung der Wälder durch den besonderen Schutz seit dem Jahr 1987. Im Bereich der Tierhaltung wisse das Land genau, wie viele Treibhausgasemissionen erzeugt werden und könnten sie gezielt verringern.
Nicht nur in diesem Bereich sieht Schmidt Anknüpfpunkte für die europäische Agrarpolitik. Uruguay hat auch die striktesten Werberegeln für Tabakprodukte und hofft, von Uruguay lernen zu können.
Was Uruguay auf der Fruit Logistica anbietet wird durch „soft skills“ begleitet. Die Sicherheit und Rückverfolgbarkeit von Lebensmitteln rückt international in den Fokus. Wer im deutschen Winter auf Blaubeeren aus Uruguay zurückgreift, der will auch das gute Gewissen haben, dass weder Regenwald gerodet oder Kleinbauern vertrieben werden. Auch deshalb wollen beide Länder den Weg in die Bio-Ökonomie gemeinsam gehen. Staatspräsident Vazquez strich deutlich hervor, dass die Kleinbauern in Uruguay eine wesentliche Rolle für den ländlichen Raum spielen. Es werde immer Menschen geben, die in die Städte migrieren, aber wer auf dem Land bleiben wolle, der solle dort auch sein Einkommen erwirtschaften können. Deshalb gibt es ein Junglandwirteprogramm und landwirtschaftliche Fläche, auf der scih die angehenden Bauern ausprobieren können. Und gleichzeitig wollen wir den Handel nicht vergessen, sagte Agrarminister Aguerra. Der dürfe aber keine neuen Hemmnisse aufweisen.
Lesestoff:
[1] Der Index des italienischen Statistikers Corrado Gini weist die Verteilung der Vermögenswerte in der Bevölkerung auf. Eine 45-Grad-Linie wäre die absolute Gleichverteilung, bei der jedes Prozent der Bevölkerung jeweils nur einen Prozent des Vermögens besitzt. Je stärker die GINI-Kurve von dieser Verteilung abweicht, desto größer ist die Ungleichverteilung.
Roland Krieg; Fotos: roRo