Vage Hoffnung gegen die Kirschessigfliege

Landwirtschaft

Schweizer Forschung gegen die invasive Kirschessigfliege

Als die 1916 in Japan beschriebene Kirschessigfliege [1] 2011 erstmals in die Schweiz einwanderte, startete das Kompetenzzentrum Agroscope gleich ein Monitoring, weil es gegen diesen Schädling kein Gegenmittel gibt. Im Unterschied zu den heimischen Essigfliegen kann Drosophila suzukii mit ihrem Sägeapparat auch gesunde Früchte von Trauben bis Beeren befallen und Eier ablegen. Bis zum Puppenstadium sind heimische und Kirschessigfliegen nicht zu unterscheiden.

Catherine-Aryello Baroffio berichtete auf der Fruit Logistica, wie die kleine Fliege in den letzten vier Jahren die ganze Schweiz eroberte. Heute verfangen sich pro Jahr durchschnittlich 3.500 Kirschessigfliegen (KEF) in einer Falle. Nicht nur die Schweizer werden mit ihr leben müssen. Zu vertreiben ist der Eindringling nicht mehr.

Die Schweizer haben verschiedene Fallen, Ernteverfahren und chemische Pflanzenschutzmittel ausprobiert und haben einige kleine Rezepte entwickelt, die mitunter beachtlichen Erfolg haben.

Erste Erfolge

Erntehygiene ist einer der wichtigsten Punkte. Zwar erwarten die Verbraucher eine möglichst lange Erntesaison für eine hohe Verfügbarkeit von Früchten, aber im Rahmen der Bekämpfung der KEF, sollten die Bauern zu einem möglichst kurzen Ernteintervall zurückkehren. Überreife und am Boden liegende Früchte müssen separat geerntet werden. In einem luftdicht abgeschlossenen Container sollen sie mehrere Tage aufbewahrt werden, bevor diese Reste auch kompostiert werden können. Ohne Sauerstoffabschluss würden die Larven auf dem Kompost die nächste Generation bilden. Auch konsequentes Aussortieren der Ernte kann den Befall auf null reduzieren.

Als Ergänzung schlägt Baroffio einen Massenfang vor. Geschlossene Becher mit einer gleichteiligen Mischung aus Apfelessig, Rotwein und Wasser werden in die Anlage gestellt. Am besten alle zwei Meter! Wenn die Zeit für die Fliegen gekommen ist, dann sollten die Becher mit entsprechenden Fangröhren durchstochen werden. Massenfang mit Fallenwechsel, der durch eine chemische Bekämpfung mit den wenigen zur Verfügung stehenden Mittel durchgeführt wird, hat gute Erfolgsaussichten. Die Kosten sind aber mit 3.000 Schweizer Franken pro Hektar enorm hoch. Allerdings ist die Alternative eines totalen Ernteausfalls nicht minder günstig.

Erfolge haben die Schweizer auch mit Kalk erzielt. Zwei Kilo einer 74prozentigen Calciumocxidlösung pro Hektar und einem pH-Wert von 14 hat in einem ersten Erfolg „ein phantastisches Ergebnis erzielt.“

Kalkung und Selektion der reifen Früchte mit Massenfang hat in der Erntezeit bis September den Fliegenbefall vollkommenen reduziert.

Aber…

Die verschiedenen Methoden müssen erst noch über einen längeren Zeitraum verifiziert werden. Und es gibt viele Risiken.

Die Umwelt spielt eine große Rolle. Die Kirschessigfliege überwinter im Wald und kann sich auch von Harz ernähren. Sie kann sich unter Schnee in Holzhütten verstecken und bei immergrünen Pflanzen wie Efeu ebenfalls gut durch den Winter kommen. Den Garaus macht ihr nur eisiger Frost mit Temperaturen unter null Grad Celsius. Die warmen Winter der beiden letzten Jahre waren für die Kirschessigfliege eher belebend.

Die Lage der Gartenkulturen ist wichtig. Ein von Getreidefeldern umgebenes Erdbeerfeld scheint sicher zu sein. Reben und Beeren neben Hecken und Wäldern sind ungünstig. Die Wissenschaftler haben eine Liste begonnen, welche Pflanzen die Kirschessigfliege bevorzugt: Sie meidet ein Himbeerfeld, wenn nebenan Holunderpflanzen stehen. Allerdings, so die aktuelle Überlegung, müsste die Holunderpflanze nach der Saison gerodet werden, um den Zyklus der Fliege zu unterbrechen.

Da steckt die Tücke im Detail. Der Kampf gegen die KEF kann nur von allen gemeistert werden, wenn sie frühzeitig beginnen. Hausgärten, in denen während der Sommerferien Früchte am Boden liegen und verwahrloste Gärten sind immer wieder Rückzugsgebiet der KEF.

Parasiten und Netze

Die Japaner wehren sich gegen die Kirschessigfliege mit Netzen. Agroscope hat mit verschiedenen Netzen experimentiert. Maschen mit Weiten von 1,3 mm sind zwar für die KEF undurchdringlich, diese Netze mindern aber auch die Luftdurchlässigkeit und erhöhen den Schattenbefall. In den vergangenen Jahren waren Netze mit einer Maschenweite von 1,4 mal 1,7 mm ausreichend, um den Populationsaufbau der KEF unter dem Netz wirksam zu verhindern.

Erste Institute versuchen Parasiten für heimische Drosophila-Arten an die Kirschessigfliege zu gewöhnen. Bislang reagiert diese darauf mit einer Einkapselung. Nach Einschätzung von Baroffio wird es noch zehn Jahre dauern, bis wirksame Parasiten gefunden werden. Für den Einsatz steriler Männchen ist die KEF-Population in der Schweiz bereits zu hoch.

Lesestoff:

www.agroscope.admin.ch Suchbegriff Kirschessigfliege

[1] Zwei Mittel gegen die Kirschessigfliege

Roland Krieg

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