Verlässlich ist der Wandel im DBV

Landwirtschaft

Veränderungen sind nie genug

Dreifacher Rukwied

Die Welle der Grünen und des Lebens nach ökologischem Fußabdruck brechen sich Bahn. „Wir können nicht vor diese Welle kommen“, räumte Bauernpräsident Joachim Rukwied in seiner Grundsatzrede auf dem Deutschen Bauerntag 2019 in Leipzig. „Wir müssen sie aber mitgestalten, damit sie uns nicht wegspült!“

Diese Metapher bezeichnet den Zustand des Deutschen Bauernverbandes (DBV). Die Landwirte kommen mit ihren ökologischen Nachbarn in der Regel gut aus, dem DBV darf ein Veränderungswille nicht abgesprochen werden, aber viele Reaktionen entsprechen alten Reflexen, was mittlerweile im gespalteten Verhältnis zum Bundeslandwirtschaftsministerium zu sehen ist. Joachim Rukwied zeigte die drei Gesichter der Gelassenheit, der Selbstreflexion und des Ärgers in seiner Rede – drei Gesichter, die künftig zusammengeführt werden müssen. Das forderte auch die Präsidentin des Deutschen LandFrauenverbandes, Brigitte Scherb. Die ordentlichen Bauern  müssen sich deutlicher von den schwarzen Schafen abgrenzen, sonst leiden sie mit ihrer Arbeit darunter. Sie nimmt auch die Kritiker in die Pflicht. Bei der Frage des Tierwohls muss das Wohl der Tiere im Vordergrund stehen und nicht ein vermenschlichtes Kuscheltier im Rahmen einer romantisierten Landwirtschaft, die es nie gab. Früher ging es bei Lebensmitteln darum, was sie enthielten, heute geht es darum, was sie nicht enthalten.

Veränderung ist auch eine Generationenfrage

Demgegenüber gibt es Präsidenten wie Eberhard Hartelt vom Bauern- und Winzerverband Rheinland-Pfalz Süd und Umweltbeauftragter des DBV, der keine Notwendigkeit in einer Agrarwende sieht. Offenheit für Probleme sei genug. Allerdings fordert er eine Umweltwende. Der DBV könnte künftig der größte Umweltverband Deutschlands werden.

Die Bauern zeigen ein großes Engagement in den Bereichen der Biodiversität und haben Blühstreifen angelegt, die hintereinander gereiht den Äquator sechsmal umrunden. Die Einführung des Greening hat offenbar seine weitergehenden Effekte erreicht.  Die konventionelle Landwirtschaft kann ihre Leistungen aber nicht in die Gesellschaft bringen. Die Gesellschaft hat sich geändert, vermerkt Rukwied. Und trotz Dürre 2018 haben die Konsumenten alle Produkte zu gewohnt niedrigen Preisen im Handel vorfinden können. „Das geht nur mit einer modernen und zukunftsfähigen Landwirtschaft“, unterstreicht Rukwied.

Die Gesellschaft ändere sich mit einer „überraschenden Wucht und Dynamik“, so Rukwied, die schneller reagiert als die Landwirtschaft in ihren Produktionszyklen. Wenn die Konjunktur einmal schwächelt, spüren die Landwirte das durchaus als erste. Die Kunden greifen auf kleinpreisige Lebensmittel zurück. In diesem Umfeld, in neue Ställe investieren oder noch mehr Biodiversität auf die Felder zu bringen,  ist im vorgegebenen Marktumfeld ohne eine flankierende Politik nicht möglich. „Die Politik  muss uns risikofester machen“.

Das wütende Gesicht wird über das Thema Dünge-Verordnung sichtbar. Das Düngen unter Pflanzenbedarf führt Rukwied auf fehlenden Sachverstand im Bundesagrarmininisterium zurück. Die notwendigen Restriktionen in den Risikogebieten verschweigt der DBV nach außen hin und mahnt das zumeist nur an die eigenen Reihen nach innen. Dabei ist es Rukwied klar: „Die GAP wird grüner werden.“ Am 09. Juli trifft sich der DBV in Brüssel mit den neuen designierten Agrarpolitikern im Europaparlament zu einem ersten Austausch.

Weltpolitisch bauen die Wünsche nach höheren Umwelt- und Tierstandards an neuen Grenzen. Solange im globalen Welthandel nicht alle die gleichen Standards umsetzen, wird es immer ein Gefälle geben. Aktuell steht für die Landwirte die Verhandlung mit dem südamerikanischen Handelsverbund Mercosur oben auf der Problemliste. „Nein“ Inakzeptabel“, lautet Rukwieds Einschätzung. Landwirtschaft mit sozialen Nebenwirkungen und auf Kosten des Regenwaldes können die europäischen Landwirte mit invesititonsintensiven Verbesserungen nicht standhalten. Dazu brauchen sie einen Ausgleich der Direktzahlungen. Diese Zusammenhänge werden in der Diskussion nur wenig deutlich. Europas Landwirte verlören rund sieben Milliarden Euro an Marktanteile gegenüber den Landwirten aus dem Mercosur.

„Seid einig“

Der Hessische Bauernverband trägt das Motto „Seid einig“. Einigkeit forderte auch Rukwied. Er will keine Keile zwischen konventionellen und ökologischen, zwischen großen und kleinen Betrieben und zwischen Ackerbauern und Nutztierhaltern dulden. Doch die politische Diskussion hat ihre Kompromissfähigkeit verloren. Deshalb fühlen die Landwirte sich immer mehr fremdbestimmt. Die Bauern haben den Medienkampf um die Öffentlichkeit verloren und ringen um Gehör. Gemeinsam wäre am besten.

Julia Klöckner auf dem Bauerntag 2019

Wir haben verstanden

Julia Klöckner ist ein wenig weiter. Sie regierte am Abend verärgert auf den Vorwurf des fehlenden Sachverstandes in ihrem Ministerium. Mit solchen Vorwürfen verlören die Bauern die Debatte und der Bauernverband solle um die Fachleute im Ministerium froh sein. Die Auseinandersetzung um die Ackerbaustrategie ist beispielshaft. Rukwied ist der seines Verbandes so zufrieden, dass das Ministerium lediglich auf die Kopiertaste drücken müsste, Die Kritik des Staatssekretärs zeigte, dass die Gesellschaft mittlerweile andere Wünsche hat [1]. Zudem muss man Julia Klöckner zugutehalten,  dass sie bei der Dünger-Verordnung in der Badewanne sitzt, in der ihre Vorgänger das Wasser eingelassen hatten. Der hohe Anteil staatlicher Fördergelder an der sozialen Absicherung der Landwirte , die Förderprogramme, die 70-Tage-Regelung für die Saisonarbeiter und zuletzt die Marktöffnungen in China für Getreide, Rindfleisch und Äpfel stehen durchaus auf ihrer Habenseite.

Auch Klöckner klagte auf dem Bauerntag, nicht zuletzt nach dem „Nestlé“-Video, über eine noch nie empfundene gesellschaftliche Stimmung. Endlich sei das lang vermisste Interesse an der Landwirtschaft vorhanden. Es fehle den meisten Kritikern die Grunderfahrung Landwirtschaft und der Branche selbst die Selbstreflexion. Nicht immer müsse der Untergang der Branche herbeigeredet werden, wenn es politische Unstimmigkeiten gebe. „Der Dialog zwischen Landwirtschaft und Gesellschaft falle einfacher, wenn die Landwirtschaft überrasche.“ Und vor allem die Junglandwirte sind für neue Ansätze offen.

Das Ministerium stehe an der Seite der Landwirte, wenn mit modernen Techniken der Züchtung und des Pflanzenschutzes im Jahre 2050 zehn Milliarden Menschen ernährt werden müssen.

Das Fazit

Für Rukwied war der Bauerntag ein Erfolg. Die konventionelle Landwirtshaft wird ihren Weg weitergehen und nach Abschluss des F.R.A.N.Z.-Projektes die Ergebnisse über die Beratung in die Breite streuen. Offen bleibt aber noch immer, wer über den konventionellen Sektor kommunizieren soll. Rukwieds Fingerzeig auf die einzelnen Landwirte, die sich in den sozialen Netzwerken und bei offenen Türen verausgaben darf nicht über das Fehlen einer zentralen Stelle für die Aufbereitung einer Kommunikationsstrategie hinwegtäuschen [2]. Sachsens Landesbauernpräsident Wolfgang Vogel sagte zum Abschluss, dass „wir gelernt haben, mit Fehlern offener umzugehen“. Offen bleibt dabei, ob der Verband die Mitglieder mitzieht oder die Mitglieder den Verband?

Die Antwort auf die aktuelle Frage von Herd-und-Hof.de fiel wieder in das alte Verbandsschema zurück. Nach Genehmigung von Isofluran als Betäubungsmittel zur Ferkelkastration, ist technisch, rechtlich und wissenschaftlich von den drei vorhandenen Alternativen Ebermast, Impfung und Kastration unter Betäubung nichts mehr zu erwarten. Die Branche hatte fünf Jahre Anpassungszeit und das Ministerium das Gesetz zum Ende der betäubungslosen Kastration Ende 2018 um zwei weitere Jahre verschoben. Das hat für viel Unverständnis geführt, unter der Sauenhalter Verbände und das Ministerium litten. Da wäre es doch seitens des DBV ein positives Signal mit Blick auf das maximal erreichbare, das Gesetz jetzt schneller umzusetzen.

Aber nein. Rukwied verweist auf die „vielen kleinen Betriebe, die noch immer auf die Lokalanästhesie hoffen“ und setzt auf Signale in der zweiten Jahreshälfte, die er für positiv einschätzt. Zudem stehen die Australier mit ihrem fünften Weg kurz vor der Zulassung [3]. Wie lange aber können einzelne Betriebe die ganze innovative Branche aufhalten und Gesetze verschieben? Da hat fünf Jahre lang der Mut gefehlt, den Betrieben die Wahrheit zu sagen und die Alternativen gegen ihre Irrtümer auszubauen. In solche Sackgassen sollte sich ein Berufsverband nicht manövrieren.

Lesestoff:

[1] BMEL will breitere Ackerbaustrategie: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/bmel-will-breitere-ackerbaustrategie.html

[2] Landwirte tragen die Last der Öffentlichkeitsarbeit: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/landwirte-tragen-die-last-der-oeffentlichkeitsarbeit.html

[3] Der fünfte Weg kommt aus Australien: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/kastration-karten-fuer-ferkel-werden-neu-gemischt.html

Roland Krieg

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