Verregneter Erntestart
Landwirtschaft
Gute Ernte mit guten Preisen in Sicht
Mit der Ernte bringen die Landwirte den Ertrag von einem Jahr Bodenbearbeitung und Kulturpflege ein. Sie muss den Aufwand und die Investitionen auch belohnen. Nach drei Dürrejahren kamen die Winterfrüchte zwischen Dezember 2020 und Februar 2021 gut über die Zeit. Wo es richtig frostig wurde, hat eine Schneedecke den Aufwuchs geschützt. Ausreichend Niederschlag und eine kühle Witterungsperiode haben die Pflanzen im Frühjahr gut versorgt und vor einem zu starken Pflanzenwachstum bewahrt. Dann wurde es im Mai richtig heiß und der Juni brachte mit zahlreichen Unwettern Schäden auf rund 60.000 Hektar Ackerfläche. Mit dieser Ausgangslage konnte Dirk Peters von der Agro-Farm GmbH Nauen nordwestlich von Berlin die ersten 20 Hektar Gerste bereits eingefahren.
Allerdings pausieren gerade die Mähdrescher. Die Strohreste harren noch auf dem Schneidtisch. Nach drei Tagen Dauerregen in der vergangenen Woche hat es auch zum verschobenen symbolischen Erntestart am Mittwoch nicht für eine Ausfahrt gereicht. Über das Nass freuen sich die Landwirte nach drei Dürrejahren dennoch. Daher hat Dirk Peters den verregneten Pressetermin mit Humor genommen.
Zufriedenstellende Ernteprognose
Die Preise für Weizen und Co. sind zudem seit Monaten hoch. Die Dellen an der Börse kennzeichnen keine Trendumkehr. Vieles der neuen Ernte ist mit Vorkontrakten zu guten Preisen bereits abgesichert. Der Deutsche Bauernverband rechnet mit 45,5 Millionen Tonnen Getreide mit einer durchschnittlichen Ernte, die fünf Prozent über dem Vorjahr liegt. Präsident Joachim Rukwied kann auch in diesem Jahr auf regionale Unterschiede verweisen: „In Teilen Nordostdeutschlands hat die Hitze jedoch in den Beständen Schäden verursacht. In vielen Regionen rechnen die Betriebe mit einer ordentlichen Ernte.“ Derzeit präsentieren sich selbst die Herbstkulturen in ordentlichem Zustand.
Mais, Zuckerüben und der Futteraufwuchs auf dem Grünland litten zunächst tiefen Temperaturen. Die Pflanzen haben das längst kompensiert. In Brandenburg liegt der Ertrag des ersten Futterschnitts um das Doppelte bis Dreifache über dem des vergangenen Jahres. Die Viehhaltenden Betriebe können ihre Futterreserven endlich wieder ausbauen.
Witterungsbedingt ist der Anbau von Sommerungen für das Erntejahr 2021 um 36 Prozent zurückgegangen, während die Ausnahme Hafer mit einem Anbauplus von 16 Prozent der Marktnachfrage folgt. Auf Höhenflug befinden sich nahezu unverändert die Rapspreise. Die Aussaat 2020 lag schon wieder bei 990.000 Hektar. Immerhin noch rund 250.000 ha unter dem langjährigen Durchschnitt. Die hohen Preise sollten Landwirte auch in diesem Herbst wieder zu mehr Rapsanbau verführen. Denn Raps lockert nicht nur die Getreidefruchtfolgen auf, sondern ersetzt mit Rapsschrott wichtiges Eiweißfutter aus Übersee, so Rukwied.
Aus dem Ruder
Nicht nur lokale Unwetter sorgen die Landwirte. Das Wettergeschehen ist bereits insgesamt aus dem Ruder. Der Vizepräsident des Landesbauernverbandes Brandenburg, Heiko Ternow, berichtet von 160 Liter Regenwasser pro Quadratmeter in der vergangenen Woche. Die Gerstenbestände, die als erstes im Jahr gedroschen werden, sind regional zusammengebrochen. Die Brandenburger Bauern rechnen mit 55 Dezitonnen Gerste pro Hektar, (dt/ha) der DBV bundesweit mit gut 74 dt/ha. Der Winterraps läuft in Brandenburg zu 31 dt/ha auf, bundesweit sind es 37,5 dt/ha. Die Differenzen resultieren aus dem hohen Sandanteil der brandenburgischen Böden.
Die sind von Austrocknung besonders bedroht. Das Ziel der Landwirte ist, das Wasser im Boden zu halten. Heiko Ternow sieht in der Weiterentwicklung der konservierenden Bodenbearbeitung einen wichtigen Baustein in der Strategie für die Klimaanpassung. Das heißt, die Landwirte verzichten immer öfter auf den Pflug. Das allerdings setzt voraus, dass der Einsatz von Breitbandherbiziden möglich bleibt, so Ternow. Ein weiterer Baustein ist die „ehrliche Debatte über Züchtungsmethoden“, wenn es beispielsweise um trockenheitstolerante Sorten geht.
Agro Farm Nauen
Der Ackerbaubetrieb von Dirk Peters beschäftigt 20 Mitarbeiter und hat derzeit einen Azubi für 2.300 ha auf einem D4-Standort mit lehmigem Sand, sandigem Lehm. Das reicht auf der Skala der maximal 100 Punkte erreichbarer Ackerzahl für Böden zwischen 18 und 60 Bodenpunkten. Allerdings sind 600 ha auch humose Sande im Luch. Die sind grundwassernah und kommen auf rund 32 Bodenpunkte.
Der Getreidebaubetrieb baut auf 160 ha Luzerne und hat 40 ha Ökologische Vorrangfläche angelegt. Die Blühstreifen ergeben zusammen eine Fläche von 55 ha. Auf dem Betrieb laufen verschiedene Feldversuche zu Fruchtfolgen und sind im Betriebsablauf integriert. Der Betrieb ist Mitgesellschafter an zwei Biogasanlagen. Die eine wird mit Maissilage, Zuckerrüben und Rindergülle sowie Ganzpflanzensilage (GPS aus Winterroggen und Wintertriticale) gefüttert und speist ein MW Strom ins Netz. Das reicht für 5.000 Haushalte. Die Wärme geht zur Havellandklinik Nauen und in eine Trocknungsanlage für Agrargüter und Holzhackschnitzel. Die zweite Biogasanlage wird mit Maissilage, GPS und Zuckerrübenmus zur Einspeisung von Erdgas (2,4 MW) für 4.000 Haushalte genutzt. Beide Anlagen zusammen liefern 50.000 Kubikmeter Gärreste zur Düngung der eigenen Flächen.
Seit 2017 gehört die Agro-Farm zum Bayer ForwardFarm Projektes.
Viele Zukunftssorgen: Kostensteigerungen
Im Gespräch offenbarten sich allerdings auch die langfristigen Sorgen der Landwirte. Dem Trend der hohen Erzeugerpreise steht auch der Trend der steigenden Betriebsmittelkosten gegenüber. Eine Prognose, welcher Trend länger anhält, konnte Bauernpräsident Joachim Rukwied gegenüber Herd-und-Hof.de zwar nicht verraten. Doch mit dem Blick auf die CO2-Bepreisung nannte er einen Aspekt, der dauerhaft Bestand haben wird. Das erfordert ein grundsätzliches Umdenken in der Branche - mit welchem Treibstoff sollen Traktoren gefahren werden, und welche Düngemittel sind auf die Dauer noch einsetzbar?
Düngeverordnung
Einen Tag zuvor wurde der Brief der EU-Kommission über ihre Kritik an der neuen Düngeverordnung bekannt. [1]. Rukwied legte in Nauen dar, dass die Kommission nicht die scharfen Regeln der Verordnung selbst, sondern deren Umsetzung kritisiere. Speziell gehe es um das Verfahren, über eine Allgemeine Verwaltungsvorschrift, die Zuständigkeit in die Bundesländer zu verschieben, die jetzt unterschiedliche Strategien für die Ausweisung der Roten Gebiete fahren. „Wir haben als Verband in Richtung BMEL und Politik in Berlin darauf gedrängt, dass die Landwirte einheitliche Regeln bekommen“, sagte Rukwied. Wäre das umgesetzt worden, gäbe es keinen Brief aus Brüssel.
Rukwied erneuerte die Kritik an der Düngeverordnung, die mit handwerklichen Mängeln den fortgesetzten Anbau von Feldkulturen in den Roten Gebieten bei einer 20-prozentigen Reduktion der Nährstoffzufuhr, die Pflanze unterernährt und mangels Wurzelausbildung die Zufuhr der organischen Substanz für den Humusaufbau gefährde.
Wer zahlt?
Einen Tag zuvor hat die Zukunftskommission Landwirtschaft (ZKL) ihren Abschlussbericht vorgelegt [2].
HuH: Der Eröffnungstermin zur Ernte passt ganz gut zum Abschlussbericht der Zukunftskommission Landwirtschaft. Auf dem ersten Blick steht sehr viel Bekanntes drin. Tierwohl, Kooperation der Landwirte beim Naturschutz oder auch faire Preise für die Landwirte. Haben Sie, Herr Rukwied, im Abschlussbericht denn auch etwas Neues entdeckt?
Joachim Rukwied: Ja! Das Commitment aller Beteiligten, dass sie die Landwirtschaft transformieren wollen und das dieses eine große Herausforderung ist, die nur gesamtgesellschaftlich gestemmt werden kann. Das bedeutet, dass die Transformation auch nur gesamtgesellschaftlich finanziell gestemmt werden kann. Dafür brauchen wir geeignete Fördermaßnahmen. Das heißt aber auch, dass die Lebensmittel teurer werden. Da müssen die Verbraucher mitgehen. Das ist schon eine neue Verpflichtungserklärung. Für uns Landwirte ist es zudem eine positive Nachricht, dass Naturschutzverbände die Ökonomie für den Fortbestand der landwirtschaftlichen Betriebe anerkennen. Ganz wichtig ist, dass alle die Rolle der Landwirtschaft für die Ernährungssicherung bekräftigt und untermauert haben. Es darf keine Leakage-Effekte durch Auslagerung der Produktion ins Ausland geben.
HuH: In dem Zusammenhang hat die ZKL vorgeschlagen, der Land- und Ernährungswirtschaft einen eigenen Wettbewerbsraum zu gestalten. In diesem wären zum Beispiel Mengenplanungen, langfristige Preisfestlegungen vorgesehen. Hat so etwas eine Chance …
Joachim Rukwied: Um Leakage-Effekte zu verhindern brauchen wir eine Absicherung unserer Standards über WTO-Regeln oder eine Food-Border-Steuer. Über so etwas müssen wir reden. Was die Mengen- und Preisfindung anbelangt, findet das am Markt statt. Höhere Standards müssen zudem honoriert werden. Da gibt es aktuell wissenschaftliche Berechnungen bei der „Initiative Tierwohl Rind“ für die Summe „X“, aber bei den aktuellen Verhandlungen wird nur die Hälfte angeboten.
HuH: Die ZKL hat auch die jährlichen Kosten für die Transformation beziffert. Das wären sieben bis elf Milliarden Euro pro Jahr. Die Finanzierungslücke sei aber fünf Milliarden Euro groß. Die müsse von Landwirten, Saat und Verbrauchern getragen werden.
Joachim Rukwied: Die Landwirte können da nichts tragen. Die stehen betriebswirtschaftlich unter Druck. Wenn wir dorthin kommen wollen, wo die ZKL die Landwirtschaft sieht, dann muss die Gesellschaft das gemeinsam tragen und ökonomisch unterfüttern.
HuH: Die Tierhaltung ist nach ZKL einer der großen Kostentreiber für die Transformation. Gibt es eigentlich noch Viehhalter, die Tiere außerhalb von Programmen vermarkten?
Joachim Rukwied: Viele Betriebe sind in verschiedenen Programmen drin. Wir haben als Deutscher Bauernverband auch ein klares „Ja“ zum Borchert-Plan gesagt. Da kostet der Umbau der Tierhaltung vier Milliarden Euro pro Jahr. Die Landwirte wollen das, sind aber auf die politischen Entscheidungen und Finanzmitteln angewiesen.
HuH: Aldi will die Haltungsstufen 1 und 2 auszulisten. Berechnungen unter anderem der Landwirtschaftskammer Nordrhein-Westfalen zeigen eine Verdreifachung der Haltungskosten bei Schweinen von der ersten in die dritte Stufe [3]. Sind Verbrauchern und Politik diese Kostensteigerungen klar?
Joachim Rukwied: Derzeit sind die Haltungsstufen 3 und 4 nur Nischen. Wenn wir diese Bereiche erhöhen wollen, sind die Landwirte dazu bereit. Dann müssen aber auch die enormen Kosten dafür getragen werden. Sonst wird es nicht funktionieren. Denn zu einem darf es nicht kommen: Das wir Ware aus dem Ausland importieren, die nicht zu unseren Standards produziert wurden.
HuH: Vielen Dank für das Gespräch
Nächster Halt: Moorschutz
Mehr denn je gehen neuen Herausforderungen an die Substanz der Landwirte. Der Moorschutz ist von Brüssel bis in die Landesparlamente der Bundesrepublik das Neueste Thema. Keine Frage: Die Landwirtschaft ist mit ihrer Einzigartigkeit als CO2-Senke sehr gefragt. Die Wiedervernässung der Landwirtschaft bindet viel Kohlenstoff. Doch der Eingriff auf die Landbewirtschaftung ist noch tiefgreifender als alles Bisherige. Auf Feldern und Weiden, bei denen der Grundwasserspiegel bis zur Bodenoberfläche angehoben wird, kann keine Getreide mehr wachsen und können keine Weidetiere mehr grasen. Für Joachim Rukwied sind temporäre Grundwasserabsenkungen für die Futtergewinnung von Grünland eine Pflichtlösung.
Doch bei den Bauern geht die Angst um. Heiko Ternow spricht gegenüber Herd-und-Hof.de von „kalter Enteignung“. Im Spreewald fliehen die Bodenbrüter vor dem Wasser in die umliegenden Maisfelder, was den Naturschutz konterkariert.
Im Norden von Nauen wird das FFH-Gebiet ausgeweitet. Der Beschluss fiel nach Dirk Peters ohne hydrologisches Gutachten, auf das jetzt alle warten. „Wir wissen aktuell nicht, was mit unseren Flächen überhaupt passiert“, sagte Ackerbauer Peters. Gerade auf den anmoorigen Sanden mit hohem Grundwasserspiegel könnte sich der Ackerbau erledigt haben. Zwar können „Moorwirte“ Schilf und Torfmoose anbauen, wie die aktuelle Broschüre des Deutschen Verband für Landwirtschaftspflege (DLV) beschreibt. Doch die Skepsis ist groß: Für diese Produkte sind nach Heiko Ternow weder Markt noch Förderprogramme in Sicht.
Die Fragen für das Interview stellte Roland Krieg
Lesestoff:
[1] Nachbesserung Düngeverordnung: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/nachbesserung-duengeverordnung.html
[2] Der ZKL-Abschlussbericht: https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/der-zkl-abschlussbericht-und-die-reaktionen.html
[3] Die ökonomische Dimension des Tierwohls am Beispiel des geplanten staatlichen Tierwohls, was gerade erst durch die Thüringer Landesanstalt für die LEH-Haltungsstufen in der Größenordnung unterstrichen hat (Bauernzeitung 26/2021) : https://herd-und-hof.de/landwirtschaft-/was-kostet-tierwohl-wirklich.html
Roland Krieg; Fotos: roRo
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