Veterinärdienste in Afrika

Landwirtschaft

Mit Radio und Tiergesundheitshelfern gegen Zoonosen

Im Pastoralismus haben Nutztiere einen ganz anderen Stellenwert, als den, der durch die Fleischdiskussionen in Deutschland vermittelt wird. Tier sind Leben, Währung, Nahrung und Mitgift. Der Stand von Tierärzte ohne Grenzen gibt auf der Grünen Woche einen gänzlich anderen Einblick auf die Tierhaltung und deren Bedeutung.

Unwägbarkeiten

„Das Geschäft ist an Feiertagen und während der Festsaison gut. Der Preis für einen Bullen steigt um 10.000 Schilling auf 150 Dollar, während er an normalen Tagen bei 110 Dollar liegt. Eine fette Ziege kann an den guten Tagen 50 Dollar erzielen, an normalen Tagen wirft sie nur 30 Dollar ab.“
So berichtet Sudan Radio Service live vom Viehmarkt in Turkana, einem Distrikt im nördlichen Kenia. Marktinformationen gegen Preisschwankungen.
Seit 2005 berichten „Nomadic Theatre Radio Programs“ in verschiedenen Regionen über den Alltag der Nomaden. Ursprünglich zur Friedenssicherung gegründet, sind Krankheiten von Menschen und Tieren immer wieder Themen der Sendungen.
Aus einem früher diffizilen aber funktionierenden System der Existenzsicherung durch Pastoralismus ist ein Patchwork geworden, das wieder seine Balance finden muss. Überweidung und Tierkrankheiten, Zoonosen, die auch für Menschen gefährlich sind und Zäune, die von Landinvestoren traditionelle Wanderrouten zerteilen, müssen überwunden werden.
Das Radio ist eines der Mosaikteile, die Nomaden informiert.

Herausforderungen

Die Rinderpest hat in Europa im 18. Jahrhundert 200 Millionen Rinder dahingerafft. Die Krankheit reiste beim Äthiopienfeldzug der Italiener auf den afrikanischen Kontinent und hat dort 90 Prozent der Rinder ausgelöscht, erklärte Dr. Frajo Siepelmeyer von Tierärzte ohne Grenzen. Heute ist die Rinderpest weltweit ausgerottet und das begann in Afrika. Mit Hilfe eines thermostabilen und daher auch in den ariden Trockengebieten einsetzbaren Impfstoffes konnten die Tiere für zehn Jahre immunisiert werden, was bei der Nutzungsdauer einer Einmalimpfung gleich kam.
Heute ist die Pest der kleinen Wiederkäuer, Schafe, Ziegen und Zebus, eine Bedrohung der Existenz. Aber im ostafrikanischen Projektgebiet gibt es Hoffnung auf einen neuen Impfstoff. Auch gegen das Rift Valley Fieber muss geimpft werden.


Friederike Schulze Huelshorst, Gladys Anya und Dr. Frajo Siepelmeyer

Hier greifen Veterinärservice und Radio ineinander. Tiergesundheitshelfer erfassen fast alle Tiere der Nomaden und melden den Gesundheitsstatus zurück an die Forschungsstationen, berichtet Regionalmanagerin Gladys Anya. Die Veterinäre erhalten so einen guten Überblick über den regionalen Tierbestand und können anhand von Klimamodellen die beste Zeit für eine vorsorgende Impfung ausmachen und die mobilen Viehhalter gezielt über den nächsten Impftermin in ihrer Nähe informieren. Alternativ suchen die Wanderhirten auch im Internet bei lokalen Lebensmittelhändlern nach entsprechenden Informationen. Viele sind nach Dr. Siepelmeyer bereits mit mobilen Internetgeräten ausgerüstet, mit denen sie ihre Online-Bankgeschäfte machen.
Bei Zoonosen, Krankheiten, die Mensch und Tier gleichermaßen befallen, können die Tierärzte ohne Grenzen Erfolge verzeichnen. Gegen Tuberkulose wird eine Fleischbeschau eingeführt und der Rat, Rohmilch wegen Brucellose abzukochen, wird ebenfalls befolgt – auch wenn damit eine traditionelle Ernährungsweise auf den Kopf gestellt werden muss.
Tollwut ist auf dem Land zurückgegangen, aber, so Dr. Siepelmeyer, Hunde in den urbanen Regionen haben sich als Reservoir für den Virus etabliert.

Dienste auf afrikanischem Fundament

Friederike Schulze Hülshorst räumt gegenüber Herd-und-Hof.de mit zwei falschen Vorstellungen auf. Die Organisation Tierärzte ohne Grenzen entsendet keine Veterinäre und verkauft keine europäischen Impfstoffe in ihre Projektgebiete. Gladys Anya beschreibt wie der lokale Veterinärdienst funktioniert.
Junge und ältere Menschen werden neben den einheimischen Veterinären zu Tiergesundheitshelfern ausgebildet, die einmal die verschiedenen Sprachen verstehen und Informationen gezielt übersetzen können, und die eine Mischung aus Neulingen und erfahren Helfern bilden. Die Regionalbüros kümmern sich um Tiergesundheit, Arbeitssicherheit, Friedenssicherung, Armutsbekämpfung und Infrastruktur.

Im Fokus stehen über das für die Familien wertvolle Nutzvieh die Sicherung der Lebensweise der Wanderhirten. Modelle gegen Überweidung sollen ihnen den Menschen eine Perspektive geben, Nomaden bleiben zu können und ausreichende Weidegründe zu erhalten. Es wird mit den verschiedenen Familien besprochen, wer wann wo grasen kann, um den Weiden wieder ausreichend Zeit für die Regeneration zu geben.
Grenzen für die Tierärzte sind die politischen Rahmenbedingungen. Der Südsudan muss befriedet werden, die Menschen bekommen Anreize, ihre Waffen abzugeben, die Grundlagen für eine eigene Ernährungsstrategie muss aufgebaut werden. Wanderregionen sind von Grenzen zerteilt. Oft haben Verwandte hinter einer Staatsgrenze wie in Äthiopien reiche Weidegründe, die aber nicht besucht werden können. Hier Ausgleiche zu finden ist äußerst schwer. Aber Tierärzte ohne Grenzen geht auch solche Fragen an. Die äußeren Rahmenbedingungen werden nur langsam geändert und Gladys Anya spricht der NEPAD (New Economic Partnership für African Development), der mittlerweile alle afrikanischen Staaten angehören, eine besondere Verantwortung zu.

Roland Krieg; Foto: roRo

[Sie können sich alle Artikel über die diesjährige Grüne Woche mit dem Suchbegriff „IGW-13“ im Archiv anzeigenlassen]

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