Viehhaltung in der Steppe
Landwirtschaft
Vieh verringert Lachgas-Emissionen
Nach Kohlendioxid (CO2) und Methan gehört Lachgas (N2O) zu den Hauptverursachern des Klimawandels. Ein Kilogramm N2O ist rund 300 mal treibhauswirksamer als die gleiche Menge CO2. Vom Menschen verursachte Emissionen des Spurengases entstehen zu rund 60 Prozent in der Landwirtschaft, zum Beispiel beim mikrobiellen Abbau der stickstoffhaltigen Exkremente weidender Schafe oder Rinder im Erdreich. Bisher gingen Wissenschaftler deshalb davon aus, dass auch die Haltung großer Viehbestände in Steppen- und Präriegebieten zur stetig wachsenden Lachgaskonzentration in der Atmosphäre beiträgt - entsprechende Kalkulationen flossen in die Berichte des als Weltklimarat bekannten Intergovernmental Panel on Climate Change (IPCC).
Emissionen um 72 Prozent überschätzt
Nach Prof. Klaus Butterbach-Bahl vom Institut für Meteorologie und Klimaforschung des Karlsruher Institut für Technologie (KIT) in Garmisch Partenkirchen kommt anhand einer Langzeitstudie n der Mongolei zu einem anderen Ergebnis: „Ein großer Irrtum. Tatsächlich emittieren nicht zur Viehhaltung genutzte Flächen auf Jahressicht größere Mengen an Lachgas als beweidete Steppenflächen.“ Zusammen mit der Chinese Academy of Sciences und dem schottischen Centre for Ecology and Hydrology in Midlothian haben die Forscher in den menschenleeren Steppengebieten, in denen es im Winter bis zu 40 Grad unter Null werden kann, die Emissionen gemessen.
Bislang galt die Annahme, dass die Abgabe bedeutender Lachgasemissionen ein natürlicher Prozess ist und auf die Zeit des Tauwetters entfällt. Nach Butterbach-Bahl bewirkt die Viehhaltung in den Steppen, dass die Emissionen deutlich zurückgehen. Die durch Beweidung verringerte Grashöhe hat zur Folge, dass Schnee leichter vom Wind weitertransportiert wird und somit die Schneehöhe niedriger bleibt als bei unbeweideten Grasflächen. Einerseits sind beweidete Böden dadurch im langen und kalten Winter schlechter isoliert und daher um bis zu 10 Grad kälter. Andererseits bleiben beweidete Steppe-Böden durch die geringere Schneeauflage in der Tauperiode im März trockener. Kälte und Trockenheit hemmen dann mikrobielle Aktivitäten in der Tauperiode. Als Folge gibt das Erdreich bedeutend weniger Lachgas ab. Um 72 Prozent seien die Angaben im Klimabericht überschätzt.
Eingrenzung
Die Klimaforscher grenzen ihre Ergebnisse ein: Weder sind die Ergebnisse ein positives Signal für den Klimawandel und die extensive Beweidung der Steppen sei ebenfalls keine Lösung, denn die Viehwirtschaft setze auch große Mengen an Emissionen frei. Aber die Treibhausbilanz der Grassteppen könne verbessert werden: herbstliches Heumachen könnte die Grashöhe und somit die winterliche Schneehöhe genauso wie die Lachgas-Emissionen in der Tau-Periode verringern.
Lesestoff:
Benjamin Wolf, Klaus Butterbach-Bahl et al.: "Grazing-induced reduction of natural nitrous oxide release from continental steppe" (Nature Ausgabe No. 7290 Vol. 464, page 881-884)
roRo; Foto: KIT