Viel Tierwohl - kein Geld

Landwirtschaft

+++ 17.09.14 +++ 14:00 Uhr+++

Die Tierwohl-Initiative des BMEL

Tierschutz geht immer. Bevor heute Mittag Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und Thomas Schröder, Präsident des Deutschen Tierschutzbundes, die neue Tierwohl-Initiative vorstellten, mussten fleißige Helfer noch mehr als ein Dutzend Stühle nachträglich aufstellen. Das Wohl der Tiere lockt Journalisten und Verbandsvertreter an.

Begrifflichkeiten

Christian Schmidt versprach dann auch einen „New Deal“, der aber keine neue Marktinitiative ist, sondern das Versprechen des Koalitionsvertrages nach mehr Tierschutz einlöst. Dem Publikumsinteresse gemäß, auch mit griffigen Formulierungen wie der „verbindlichen Freiwilligkeit“, mit der Praktiker und Handel in mehreren Schritten an der Umsetzung mitarbeiten sollen. Prägt sich ein, macht aber keinen Sinn.

Dabei war schon das Thema der Veranstaltung „Eine Frage der Haltung – neue Wege für mehr Tierwohl“ mehrdeutig: Es geht um die praktische Haltung der Nutztiere im Stall, um die Haltung des Menschen zum Tier und um die Haltung der Menschen zu ihrer Nahrung, sinnierte der Minister. Ungewollt ging es dann auch um seine Haltung, warum er an der Seite von Thomas Schröder den Platz seiner Vorvorgängerin einnahm und damit von den bestehenden und künftigen Tierwohl-Marktinitiativen eine ganz besonders hervorhob [1]. Der Umfang der BMEL-Initiative belegt, dass das Bundesministerium das Heft des Handelns wieder in die Hand nehmen will. Und „Heft“ bezeichnet eben auch den Griffteil eines Messers, das Schmidt zwischen den Zähnen hielt. Denn was die Branche künftig nicht freiwillig macht, wird sie nach zwei Jahren per Verordnung umsetzen müssen. Das dürfte vor allem dem Deutschen Bauernverband nicht schmecken, der sich mit seiner Branchenlösung ganz weit vorne wähnt und den Tierschutz aus der Label-Nische in die Breite führen will.

Der Kompetenzkreis

Der zehn Punkte umfassende Eckpunkteplan beinhaltet mit dem Stopp nicht-kurativer Eingriffe, Sachkundenachweis, Tierschutz bei der Schlachtung, Stärkung des Verbraucherbewusstseins oder mehr Forschung und Tierschutz bis zu Versuchs- und Begleittieren nur Bewährtes. Wirklich neu ist die geplante Einführung eines Tierhaltungs-TÜV für Stallanlagen, was Schweden, Österreich und die Schweiz bereits vormachen. Noch vor dem Sommer 2015 will Schmidt dazu einen Verordnungsentwurf vorlegen. Alle anderen Punkte basieren zunächst auf Freiwilligkeit.

Neu ist auch die Bildung eines Kompetenzkreises Tierwohl, dem am 06. Oktober Gerd Lindemann vorstehen wird. Der ehemalige Landwirtschaftsminister in Niedersachsen hat mit einem umfassenden Tierschutzplan Niedersachsen auch die Vorlage für seinen grünen Nachfolger Christian Meyer erstellt [2]. In dem BMEL-Kompetenzkreis sitzen Praktiker, Wissenschaftler und Verbandsvertreter wie Thomas Schröder.

Dieser begrüßt die BMEL-Initiative und freut sich vor allem auf den Kompetenzkreis. Nichts müsse neu erfunden werden. Es gehe nicht mehr um die Frage „ob“ Tierschutz gebraucht werde, sondern um die Frage „Wie“ er umgesetzt wird. Der Kreis wird eine „Rezeptur“ erarbeiten, ergänzte Schmidt.

Schröder erkennt die Branchenlösung des Deutschen Bauernverbandes an, Probleme erkannt zu haben und in die Breite der Produktion zu gehen; ist aber mit der Methodik nicht einverstanden. Über den Kompetenzkreis sollen Best Practise-Beispiele erörtert und „zügig“ umgesetzt werden. „Ich werde dort massiv auf Lösungen drängen“, kündete Schröder an.

Tiertransporte und Alleingänge

Schmidt wird sich für kürzere Tiertransportzeiten einsetzen. Sowohl innerhalb Deutschlands als auch innerhalb der EU.

Was auch immer im Bereich des Tierschutzes umgesetzt werden soll, dürfe nach Schmidt nicht zu einer Verlagerung der Tierhaltung aus Deutschland hinweg führen. Schmidt setzt dabei auf europäische Lösungen und hat bereits mit seiner niederländischen Kollegin gesprochen und will sich demnächst mit dem dänischen Kollegen auseinander setzen. Diese drei Länder, auch wichtigste Märkte für die Schweinehaltung, sollen ein Zugpferd für europäische Lösungen werden.

Und wer bezahlt?

Wer Tierwohl umsetzen möchte, der braucht neue Ställe. Wer neue Ställe bauen will oder muss, der braucht Investitionskapital. Vor allem bei den Gewinnmargen im Milch- oder Schweinebereich ist es derzeit kaum möglich, einen Stallumbau zu finanzieren. Die Branchenlösung des Bauernverbandes stellt 65 Millionen über den Handel Euro zur Verfügung, was nicht ausreicht, um alle Bauern daran teilhaben zu lassen. Schmidt sagte gegenüber Herd-und-Hof.de, es werde kein frisches Geld für die Umsetzung der BMEL-Initiative geben. Die Landwirte bleiben auf die Länder- und EU-Finanzierung angewiesen. So bleibt es dann auch offen, wie erfolgreich die Initiative umgesetzt werden kann, wenn der Verbraucher am „Point of Sale“ nicht mehr Geld hinzulegen bereit ist, als bisher.

Fünf Millionen Euro stehen im Haushalt des BMEL für den Aufbau von Demonstrationsbetrieben fest. In diesem und im nächsten Jahr werden 53 Millionen Euro für den Tierschutz ausgegeben; weniger als der Handel im Rahmen der Branchenlösung für die Finanzierung der teilnehmenden Bauern zusammen getragen hat.

Termine

Dennoch wird der Einfluss der BMEL-Initiative tiefgreifend sein. Schmidt muss regelmäßig einen Bericht für den Bundestag abliefern, die Initiative steht unter direkter Beobachtung medienerfahrener Tierschutzverbände und am Ende werden langsam die gesetzlichen Standards nach oben geschraubt. Daran müssen sich alle künftigen Marktinitiativen messen lassen.

Schmidt treibt die BMEL-Initiative deutlich voran. Nach Vorstellung des Kompetenzkreises will er sich am 21. Oktober mit „Tierschutz-Interessensvertretern“ zusammen setzen und am 09. Dezember plant das Ministerium einen großen Tierschutzkongress in Bonn.

Lesestoff:

Das Eckpunktepapier finden Sie unter www.bmel.de

[1] Tierwohllabel vom Tierschutzbund gestartet:

[2] Tierschutzplan Niedersachsen

Schnabelkürzen bei Legehennen: Nicht alles ist so klar, wie es die Politik will

Ebermast: Ist die Impfung nicht vielleicht doch die bessere Lösung

Tierschutz bei geringen Gewinnmargen: Diskussionen auf der MeLa

Roland Krieg, Fotos: roRo (Lindemann: Archiv)

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